Ingolstadt
Rasant bergab

Ingolstädter Downhill-Talent Moritz Sigl steht 2019 vor seinem Debüt im Europacup

14.12.2018 | Stand 02.12.2020, 15:01 Uhr
Mutig: Gewagte Sprünge gehören beim Downhill zum Alltag. Der Ingolstädter Moritz Sigl startet in der kommenden Saison im Europacup. Vor vier Jahren hat er mit dem Sport angefangen. −Foto: privat

Ingolstadt (DK) Der Ingolstädter Moritz Sigl liebt waghalsige Abfahrten: Der 16-Jährige ist erfolgreicher Mountainbiker. Nach einigen Siegen in diesem Jahr plant er 2019 den nächsten Schritt. Er will erstmals im Europacup teilnehmen.

Moritz Sigl (kleines Foto) steht im Wohnzimmer. Sechs Eineinhalbliter-Flaschen Mineralwasser liegen quer auf seinen Unterarmen. Kniebeugen warten. 50 verlangt sein Trainer von ihm, er zählt mit. Der 16-Jährige macht ohne erkennbares Minenspiel 55 und stellt die Flaschen dann auf den Tisch. Moritz Sigl ist Ingolstädter. Vor allem aber ist er Mountainbiker. Und er will hoch hinaus, wobei es stets bergab geht. Downhill Racing ist seine Welt. 55 Kniebeugen lassen seinen Ehrgeiz und seinen eisernen Willen erkennen.

In dieser Saison ist Moritz Sigl den Specialized-Rookies-Cup gefahren. Seine Klasse: die U17. Am Ende war er Dritter. Obwohl er einer der Jüngsten war. Und mit 60 Kilogramm einer der Leichtesten. "Ich bin nicht schwer genug. 75 Kilo wären besser, damit ich am Boden bleibe." Das tut aber nichts zur Sache, zumindest nicht immer. Bei den World Games in Saalbach war er 2017 sogar Dritter. Im nächsten Jahr will Sigl am Europacup teilnehmen. "Sieben Rennen in der Schweiz, in Österreich, Slowenien, Frankreich, Tschechien und natürlich in Deutschland."

Im Rookies-Cup waren stets 40 bis 65 Biker am Start. Sigl mittendrin statt nur dabei. "Ich kenne alle", sagt der 16-Jährige. Und meint nicht die Fahrer, sondern die Strecken. Denn auf die kommt es an. "Die Strecke gehe ich als erstes ab. Dabei schau ich, wo sie steil ist, wo Wurzeln lauern, wie die Kurven liegen, was die beste Linie ist, wo ich die wenigsten Schläge wegstecken muss, wenn es auf die Zeit ankommt und wo ich Schwung mitnehmen kann." Denn entscheidend ist laut Sigl der "Exit-Speed".

Weil so eine Strecke auf jeden Fall immer über einen Kilometer lang ist, auch mal sieben Kilometer messen kann (der Schnitt sind drei bis dreieinhalb), ist Sigl vor der ersten Trainingsfahrt lange zu Fuß unterwegs. Auf dem Bike braucht der Ingolstädter etwa eine Minute pro Kilometer. "Nach sieben Minuten bist du fix und fertig", gibt Sigl zu. Sein Trainer Uli Amberger, Sportheilpraktiker aus Ingolstadt, wird ihn noch fitter machen. 55 Kniebeugen werden bald nicht mehr reichen.

Weil der Winter naht, in dem keine Wettbewerbe locken, genießt Training oberste Priorität - neben der Ausbildung zum Fremdsprachenkorrespondent, die Sigl in Ingolstadt begonnen hat. Während der vergangenen Saison hat er seinen Schulabschluss gemacht. "Ich saß oft im Lift, wenn es wieder an den Start ging, und habe gelernt", erzählt Sigl. Wie das denn? "Na, man kann mit dem Handy alles abfotografieren, was man anschauen und lernen muss." Sigl schmunzelt. Für seinen Sport macht er alles. Er will Downhill-Profi werden. Lieber heute als morgen.

Zurück zum Training: "Rücken, Nacken, Arme und Oberschenkel muss ich weiter aufbauen." Und er weiß: "Muskelaufbau ist harte Arbeit." Er arbeitet gerne hart. Denn: "Mehr Muskeln bedeuten mehr Körperschutz." Da passt auch sein Motto "ride or die" gut. Apropos: Verletzt hat sich Sigl beim Downhill Racing noch nicht. Und wenn er beim lockeren Fahren im Ingolstädter Klenzepark mal auf die Nase fällt, lächelt der 16-Jährige die Schmerzen weg. "Trial fahren schult das Gefühl."

Ohne Unterstützung von den Eltern oder Sponsoren lässt sich so eine Sportart nicht stemmen. Denn gutes Material ist Grundvoraussetzung für vordere Plätze. "Ein gutes Rad kostet mindestens 8000 Euro, du kannst aber auch 15000 Euro ausgeben." Sigl hat kein 15000-Euro-Bike: "Extrem teure Bikes machen dich nicht zwingend schneller. Da spielt der Fahrer schon eine große Rolle. Wobei gute Teile schon helfen, schnell zu sein."

Vor vier Jahren fuhr Sigl im österreichischen Leogang das erste Mal auf einem geliehenen Downhill-Bike und wusste sofort: "Das ist meine Sportart." Seither opfert er seiner Leidenschaft viel Freizeit, viel Energie und auch viel Geld. Das erste Rennen bestritt er vor eineinhalb Jahren. In Leogang fährt und trainiert Sigl oft. "Das ist eine Weltcup-Strecke, an solch selektiven Strecken musst du dich orientieren." Sigl fängt an, zu erzählen, wie er das Bike abstimmt, auf welche Gewichte an welchem Bauteil er achtet, wie er testet, was ihn Zehntelsekunden schneller macht, was Weltcup-Fahrer an ihren Rädern einstellen. Oft fällt das Wort "tricky". Es gibt viel, was rund ums Downhill Racing knifflig ist oder Geschick verlangt.

Blieben Moritz Sigl und sein Vater Kurt heuer bei den Rennen noch im Hotel, soll der Kontakt zur Szene, zu den anderen Teams, zu den anderen Fahrern mit einem Wohnmobil in der kommenden Saison besser werden: "Dann stehen wir im Fahrerlager und du hast auch mal einen Mechaniker in deiner Nähe, wenn du ein Problem hast und es nicht selber lösen kannst." Sigl betont: Jeder hilft jedem.

2019 startet Moritz Sigl für den RCG Weißenburg. Der Verein kümmert sich um die Europacup-Lizenz und die Versicherung. Dann gibt es auch wieder ein neues Bike. "Ich brauche jedes Jahr ein Neues", sagt Sigl. Da er mit seinem Bike aber nie schwer gestürzt ist, kann er es gebraucht gut verkaufen. Verbrauchsmaterialien sind während der Saison übrigens vor allem Reifen, Bremsklötze und - wenn es doch mal einen Sturz gibt - der Karbonlenker und dann natürlich auch der Helm. Dann fallen ihm noch die Klickschuhe ein, auch die Handschuhe, der Rückenschutz, der Nackenschutz, Ellbogen- und Knieschoner. "Aber die Sachen kann ich zum Teil mehrere Jahre benutzen."

Sigl hat den Wunsch, dass er ab 2020 in einem Team einen festen Platz als Fahrer hat. Bis es soweit ist, muss er sich mit mit viel Engagement und mit der Unterstützung seines Vaters und seines Physiotherapeuten - beide ebenfalls radsportbegeistert - noch um alles selbst kümmern.