"Nur wer das Limit überschreitet, weiß, wo es ist"

07.03.2008 | Stand 03.12.2020, 6:04 Uhr

Zwei der drei jungen Wilden aus Ingolstadt und Vohburg: Sebastian Neuberger (links) und Claus Bernecker (Mitte). Rechts Rennmechaniker Carsten Thieme (auf Benedikt Neubergers Vespa). - Fotos: oh

Vohburg/Ingolstadt (DK) Sie meinen, Vespa-Roller werden gebaut, um bei Sommerwetter die Eisdiele mit einem passenden Vehikel ansteuern zu können? Stimmt. Sie meinen auch, man könnte leicht betagte und seltene Modelle sammeln? Das kommt auch noch sehr oft vor. Oder Sie glauben gar, positiv Verrückte stellen sich eine Vespa ins Wohnzimmer? Ebenfalls richtig, auch wenn dies sehr selten passiert. Aber kaum einer kann sich vorstellen, dass Verwegene auf einer alten Vespa Rollerrennen bestreiten. Aber genau so es ist. Drei dieser Wilden: Claus Bernecker aus Ingolstadt, Sebastian und Benedikt Neuberger aus Vohburg.

Limit überschreiten

Rollerrennen? Das bedeutet Spaß auf abgesperrtem Terrain, in voller Schutzbekleidung und in den Kurven das Knie auf dem Asphalt. Stürze gehören dazu, verbeultes Blech ebenso. "Nur wer das Limit überschreitet, weiß, wo es ist", lautet die Maxime des Trios. "Die Roller besitzen keine Straßenzulassung, sie sind ziemlich laut, kurz übersetzt und hängen empfindlich am Gas", umreißt Bernecker den Charakter einer Renn-Vespa. ,Empfindlich am Gas’ soll soviel heißen wie: "Ein Audi mit drehmomentstarkem TDI-Motor hätte beim Start an der Ampel keine Chance", so Bernecker.

Bernecker muss es wissen, denn der 34-Jährige arbeitet als Motorkonstrukteur bei KTM in Mattighofen. Sebastian Neuberger (25) ist Fluggerätelektroniker, Benedikt Neuberger (23) Schreiner. Kennen gelernt hat sich das Trio – natürlich – beim Roller fahren. Denn: "Nur wer Roller fährt, fährt irgendwann vielleicht auch mal Rennen", so Bernecker. "Wer nie Roller fährt, fährt auch nie Rollerrennen."

Leistung verzehnfacht

Die Serie – okay, ein wenig wild, weil auch keine Lizenzen benötigt werden – nennt sich "European Scooter Challenge", was bedeutet, dass auch andere Hersteller als Vespa zu ihrem Recht kommen könnten. Wenn denn das Reglement nicht so gestrickt wäre, dass eigentlich nur Vespa- und mit Abstrichen auch LambrettaModelle perfekt passen und auch Erfolg haben können.

Erfolg hat man natürlich nicht nur, weil man eine betagte Vespa fährt, an der man Schrammen und Kratzer gering schätzt. Nein, die Technik macht’s. Bernecker rüstet natürlich die Motoren selber auf und um. Doch wer nun glaubt, das koste – wie fast immer im Motorsport – mächtig Kohle, der irrt sich. Denn einen siegfähigen Einzylinder gibt es schon für 500 Euro. Die Basis bildet ja "nur" ein 50-ccm-Motörchen, auch wenn seine Leistung fast verzehnfacht wird (Serie 2,8, Rennmotor rund 23 PS). Das Restfahrzeug schlägt mit nochmal 500 Euro zu Buche, ebenso die Ersatzteile, Reifen, Sprit und Startgebühren für die Saison mit zehn Läufen. Davon gibt es zehn, nur sechs werden für den Endstand in der Meisterschaft herangezogen.

1500 Euro pro Renn-Vespa – nicht nur finanziell ist die Serie Familien freundlich: freies Training und Qualifikation Samstagvormittag, zwei Wertungsläufe pro Klasse Samstagnachmittag. Ruck, zuck ist alles vorbei. Sieben Klassen gibt es. Darunter finden sich eine Funklasse für alle, die es nicht (mehr) so ernst nehmen (hier startet Claus Bernecker) und eine nur für Frauen.

"Natürlich suchen wir immer Sponsoren", verdeutlicht Sebastian Neuberger, dass auch 3000 Euro viel Geld sein können. "Unser einziger Sponsor ist bislang unser Vater, der uns für die Rennwochenenden einen Lkw leiht."

Die Saison 2008 beginnt im Mai, bis auf einen Lauf in Österreich finden alle in Deutschland statt. "Der coolste ist der im Juni in Deggendorf", weiß Benedikt Neuberger. "Das Rennen ist sozusagen die ,Isle of Man’ der Rollerfahrer. Die Strecke abgesteckt mit Pylonen und mittendrin eine Telefonzelle, die tunlichst umkurvt werden sollte.

2008: "Preiswerte" Saison

Das fällt nicht immer leicht. Die Renn-Vespas gehen richtig gut, sind auf einer Kartbahn, zum Beispiel der in Garching, pro Runde nur zwei Sekunden langsamer als eine 450-ccm-Supermoto. Und das heißt was.

Vorteil dieses Jahres für das Trio: Die Kosten sind geringer als sonst. "Weil wir unsere Roller im vergangenen Jahr aufgebaut haben und in diesem Jahr keinen neuen Motor brauchen", so Sebastian Neuberger. Also stehen in diesem Jahr vor allem Pflege, Erhaltung und das einmalige Zerlegen des Motors auf dem Programm.

Richtig Gas geben

Während Bernecker in der Funklasse seinem Hobby frönt, wollen es die Neubergers wissen: Sebastian, das fünfte Jahr am Start und 2006 Meister in der Klasse 1 (50 bis 125 ccm), und Benedikt, das dritte Jahr auf einer Renn-Vespa unterwegs und in der Klasse 2 (126 bis 150 ccm) 2006 immerhin schon Trainingsschnellster am Saisonende, geben wieder richtig Gas. Denn 2007 gab es die Plätze drei (Sebastian) und vier (Benedikt). Dies soll heuer ganz anders werden.