Ingolstadt
"Ich bin topfit"

Ingolstädter Radprofi Patrick Haller über seinen Start bei der WM in Innsbruck und seine Chancen

25.09.2018 | Stand 02.12.2020, 15:36 Uhr
Gut dabei: Der Ingolstädter Radprofi Patrick Haller zeigte bei der Deutschland-Tour eine gute Form und belegte im Feld von vielen Top-Stars den 42. Gesamtrang. −Foto: Roth

Ingolstadt (DK) Sechs deutsche U23-Fahrer sind für das Straßenrennen der Weltmeisterschaft in Innsbruck (Österreich) vom Bund Deutscher Radfahrer (BDR) nominiert worden. Darunter befindet sich der Ingolstädter Patrick Haller. Der 21-Jährige will bei dem 180 Kilometer langen Rennen am Freitag, 28. September (Start 12.10 Uhr in Kufstein) über knapp 3000 Höhenmeter eine gute Rolle spielen. Was er erwartet und wo die Schlüsselstellen beim WM-Kurs liegen, hat er uns in einem Interview verraten.

Herr Haller, Sie waren zuletzt bei Kermesse-Rennen in Belgien am Start. Wie muss man sich solche Rennen vorstellen?
Patrick Haller: In Belgien sind diese Rennen total beliebt und haben eine lange Tradition. Meist stehen sie in Verbindung mit einem Fest. Diese Veranstaltungen finden auch unter der Woche statt. Viele Profis gehen bei den Rennen an den Start. Und es ist beeindruckend, wie viele Menschen dort am Straßenrand stehen und zuschauen. Meistens sind die Runden etwa zehn Kilometer lang. Gefahren wird in der Regel um die 170 Kilometer - und vor allem von Anfang an Vollgas. Kermesse-Rennen sind also ein gutes Training (lacht).

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Nun ist Belgien hauptsächlich flach, der WM-Kurs in Innsbruck ist aber sehr bergig. Ist das trotzdem eine geeignete Vorbereitung?
Haller: Ja. Belgien ist eine harte, aber gute Belastung. Selten bin ich in diesem Jahr so schnelle Rennen gefahren. Deshalb haben die Kermesse-Rennen gut in mein Vorbereitungsprogramm gepasst. Im Zuge dessen habe ich mir im Training noch die ganzen Anstiege der Flandern-Rundfahrt angeschaut. Dort werde ich 2019 bei der U23 starten.

Ist die Nominierung der WM bereits ein Erfolg für Sie oder machen Sie Erfolg oder Misserfolg an einer Platzierung fest?
Haller: Klar ist die Nominierung ein Erfolg. Die Leistungsdichte ist hoch. Und eine Teilnahme an einer Weltmeisterschaft ist immer eine Auszeichnung. Trotzdem hoffe ich natürlich auf ein gutes Rennen.

Ist es ein Vorteil, dass Sie sich in diesem Jahr nur auf das Straßenrennen konzentrieren müssen? Im vergangenen Jahr waren Sie bei der WM ja zusätzlich noch beim Zeitfahren am Start.
Haller: Ja, man kann dadurch besser den Fokus auf dieses eine Rennen legen. Im vergangenen Jahr musste ich den Spagat zwischen zwei Rennen schaffen, obwohl ich mich mehr auf das Zeitfahren konzentriert hatte. Aber Zeitfahren und Straßenrennen erfordern doch eine etwas andere Vorbereitung. Denn das Zeitfahren ist nach einer knappen Stunde vorbei. Das Straßenrennen geht über 180 Kilometer und dauert rund vier Stunden. Das muss man dann alles im Training individuell berücksichtigen.

Im vergangenen Jahr sagten Sie bei Ihrer Saisonbilanz, dass Ihre Formkurve bei der WM nicht ideal gewesen wäre. Was haben Sie nun anders gemacht?
Haller: Im vergangenen Jahr wurde ich in der Vorbereitung auf die WM krank. Trotzdem wollte ich meine Form halten und habe das Training nicht großartig reduziert. Das hat meinen Körper leider weiter geschwächt und so war ich bei der WM nicht bei 100 Prozent. In diesem Jahr passt aber alles. Ich hatte bislang keine Erkrankung, habe mich dazu sehr gut vorbereitet und bin topfit.

Der Veranstalter wirbt damit, dass die WM in Innsbruck die wohl schwierigste aller Zeiten werden würde. Mit was für einer Strategie gehen Sie ins Rennen?
Haller: Das ist schwierig zu sagen, weil U23-Rennen immer sehr unberechenbar sind. Es kann vieles passieren: Vielleicht setzen sich gleich schon zu Beginn ein paar Fahrer ab. Möglicherweise kommt der entscheidende Angriff aber erst am Ende und alles geht in Richtung Ausscheidungsfahren. Sicher ist, dass alle Fahrer großen Respekt vor dem Kurs haben, weil er vor allem am Ende sehr schwer wird.

Sie haben die WM-Strecke in Innsbruck im Vorfeld besichtigt. Was ist Ihnen aufgefallen?
Haller: Der Start befindet sich in Kufstein. Dann geht es rund 90 Kilometer bis nach Innsbruck. Zwischendrin befindet sich ein 14-prozentiger Anstieg nach Gnadenwald. Dort könnten sich die ersten Ausreißer formieren. Anschließend wird dann viermal ein Rundkurs gefahren, der jeweils den Olympiaberg hoch führt. Dieser Anstieg ist knapp acht Kilometer lang und hat rund 500 Höhenmeter, ist aber sehr gleichmäßig zu fahren. Wenn ich einen guten Tag erwische, kann ich da mit den Besten mitfahren.

Was für eine Art von Rennen erwarten Sie?
Haller: Das Rennen wird richtig schnell und ist etwas unkontrolliert, wie so häufig bei der U23. Aber je härter das Rennen, desto mehr kommt es mir entgegen, weil ich am Ende immer noch gut zulegen kann. Ich glaube außerdem, dass es relativ lange dauern wird, bis sich eine Ausreißergruppe gebildet hat. Je nachdem, wie stark diese Gruppe ist, kann sie aber weit kommen.

Was ist Ihr Ziel?
Haller: Gut wäre es, wenn ich die Gruppe des Tages besetzen könnte.

Warum?
Haller: Ich glaube, dass es einfacher ist, mit der Spitzengruppe über den Anstieg zum Olympiaberg zu fahren, als im Hauptfeld. In der Gruppe wird gleichmäßiger gefahren. Und ich glaube, dass im Hauptfeld irgendwann die Post abgeht und dann könnte es mir schwerfallen, den Anschluss mit den Besten zu halten. Deshalb glaube ich, dass ich in der Gruppe weiter vorne im Rennen landen werde.

Wer sind heiße Kandidaten auf den Sieg?
Haller: Da gibt es einige. Der Slowene Tadej Poga? ar ist einer der großen Favoriten auf den Sieg. Er hat in diesem Jahr die Tour de l'Avenir gewonnen, die Tour de France der U23. Dazu kommen noch sehr starke Franzosen. Welcher U23-Fahrer dann noch von den WorldTour-Teams beim Straßenrennen der U23 starten wird, ist noch offen. Dies ist ja seit Kurzem erlaubt. Allerdings ist das natürlich für diejenigen Fahrer eine schlechte Ausgangsbasis, die sich für ein WorldTour-Team empfehlen wollen. Denn normalerweise sollte eine U23-WM dafür da sein, um sich zu zeigen und um Verträge in der WorldTour zu kämpfen. Damit nimmt man einigen Fahrern eine aussichtsreiche Zukunftschance.

Sie kämpfen ja auch um einen Platz in der WorldTour. Wie zufrieden sind Sie mit der bisherigen Saison?
Haller: Meine Saison war stabil. Das hat sich deutlich gebessert. Denn in meinen beiden ersten U23-Jahren hatte ich doch einige Schwankungen in den Rennen drin. Allerdings fehlen in diesem Jahr die Top-Platzierungen. Es war somit bislang eine solide Saison, aber ein großer Sieg war nicht dabei. Die Ergebnisse haben also nicht gestimmt. Eine große Enttäuschung war die deutsche Zeitfahrmeisterschaft der U23. Da konnte ich meinen Titel nicht verteidigen, weil ich stürzte. Aber, um es von der anderen Seite zu sehen: Ich habe mich weder dort, noch bei meinem ziemlich üblen Sturz bei der deutschen Bergmeisterschaft, schwerer verletzt.

Welche Schulnote würden Sie sich geben?
Haller: Befriedigend.

Was müsste nun in Innsbruck passieren, dass Ihre Saison zur Note "gut" wird?
Haller: Ein Platz in den Top-Ten wäre richtig stark.

Das Gespräch führte Timo Schoch.