Gaimersheim
Ein Traum wird wahr

Gaimersheimer Schützin Anna-Lena Kinateder holt bei der Junioren-EM in Estland Silber und Bronze

24.06.2016 | Stand 02.12.2020, 19:37 Uhr

Siegerehrung: Bronzemedaillengewinnerin Anna-Lena Kinateder (rechts) mit der Europameisterin Mandy Mulder aus den Niederlanden (Mitte) und der Zweitplatzierten Jenny Vatne aus Norwegen. - Foto: Leseberg

Gaimersheim/Tallinn (DK) Der Wind pfeift ihr um die Ohren, er wird immer stärker. Es knallt. Doch der Schuss kommt nicht an, der Wind hat ihn weggetragen. Der Regen prasselt auf ihren Kopf. Die Windfahnen sind durchnässt und so schwer, dass nicht erkennbar ist, woher der Wind dreht. Sie legt an, zielt, drückt ab. Der sitzt. Eine 9,8. Auf der Anzeigetafel heißt es jetzt: Platz 3 für Anna-Lena Kinateder aus Deutschland. Die Bronzemedaille ist ihr sicher.

"Ich wusste aber, dass ich auch noch auf Goldkurs war. Ich habe mich jedoch schon so über Bronze gefreut, dass ich den nächsten Schuss in aller Aufregung einfach geschossen hab'", sagt Kinateder im Nachhinein. "Leider stand ich dabei ein wenig neben der Scheibe und so wurde es eine 6,1. Aber das war völlig egal. Ich bin auch über Bronze überglücklich."

Durch ihre hervorragenden Leistungen schaffte es die 19-jährige Gaimersheimerin, bei den Junioren-Europameisterschaften im Sportschießen in Tallinn/Estland im Einzel den dritten Platz zu erreichen. Zusammen mit ihren beiden Teamkolleginnen Tina Lehrich und Sabrina Hößl wurde Kinateder zudem Vize-Europameisterin in der Mannschaftswertung.

Kinateder wusste, dass ihr großer Traum von einer Medaille nicht leicht zu erreichen sein war. Das machte sich auch emotional bemerkbar. "Ich war eigentlich die ersten Tage ziemlich ruhig, habe es mir gutgehen lassen und das Ganze ein bisschen wie Urlaub betrachtet. Mitte der Woche wurde dann alles schon etwas schwerer und ich habe mir selbst einen riesigen Druck aufgebaut", erzählt sie.

Die schlechten Wetterverhältnisse, die vielen starken Konkurrenten und das Publikum, das den Wettkampf über den Liveticker verfolgen konnte - das alles erhöhte den Druck. Zumindest hatte sie Gelegenheit, die Tage vor dem Wettkampf für sich voll auszunutzen. "Ich hatte ein wunderbares Team! Das beste seit Langem. Wir haben uns oft abgelenkt, uns aber auch über Ängste und über den bevorstehenden Wettkampf unterhalten", erzählt Kinateder.

Als sie am Samstag aufwacht, ist plötzlich alles anders: "Die ganze Anspannung war wie weggeblasen. Ich war so heiß auf den Wettkampf, wobei ich gleichzeitig total ruhig war. Und so zog sich das bis in den Wettkampf und sogar bis ins Finale. Meiner Gelassenheit habe ich letztendlich die Medaillen zu verdanken", berichtet Kinateder.

Dann war es so weit. Kinateder trat in der Disziplin Kleinkaliber 3x20 an, also jeweils 20 Schuss kniend, liegend und stehend. Zuerst wurde die Mannschaftswertung herausgeschossen. Trotz des Gewitters gaben die drei Teamkolleginnen mutig einen Schuss nach dem anderen ab. "Der Sturm hörte nicht auf, aber ich gab mein Bestes. Am Ende war ich trotz meiner sauberen Arbeit und meiner super Anschläge mit dem Resultat nicht ganz zufrieden. Als ich dann aber auf der Leinwand gesehen habe, dass unsere Mannschaft die Silbermedaille geholt hat, war ich erleichtert. Und dann hat es ja für mich auch noch für das Finale gereicht, ich hatte also mein Ziel erreicht", sagt Kinateder. Am Ende hieß es: Anna-Lena Kinateder 571 Ringe, Sabrina Hößl 570 Ringe und Tina Lehrich 569 Ringe. Das Gesamtergebnis von 1710 Ringen reichte, um sich hinter Norwegen (1716) und vor Russland (1702) die Silbermedaille im Mannschaftswettkampf zu sichern.

Somit konnte Kinateder etwas entspannter ins Einzelfinale gehen, in das die besten acht Schützinnen aus dem Mannschaftswettbewerb einzogen. Dort wurden zunächst wieder jeweils 20 Schuss kniend, liegend und stehend geschossen, danach ging es in die Ausscheidungsrunden, bei denen die jeweils schwächste Schützin herausfiel.

Mit 151,7 Ringen in kniender Position legte Kinateder schon gut vor, ging kurzzeitig sogar in Führung. Liegend schoss sie für ihre Verhältnisse schwache 151,6 Ringe und fiel auf den sechsten Platz zurück. "Dass ich mich plötzlich wieder weiter vorgeschossen habe, habe ich erst gar nicht mitbekommen, erst als nur noch vier Schützen am Stand waren. Ich dachte mir dabei nur: Du bist kurz vor einer Medaille, reiß dich zusammen!", erinnert sich Kinateder. Mit einer 9,8 sicherte sie sich schließlich Bronze. Mit 438,2 Ringen liegt sie hinter der Niederländerin Mandy Mulder (452,3) und der Norwegerin Jenny Vatne (449,3).

Die 19-Jährige kann es kaum fassen, dass sie ihren Medaillen-Traum wahr gemacht hat. Doch auch für ihre Familie und ihren Stammverein Hubertus Gaimersheim ist die Freude groß. Der Vorstand organisierte am Sonntagabend zu ihrer Rückkehr einen Überraschungsempfang. "Ich habe mich schon über den kleinen Empfang am Flughafen in München gefreut. Als ich jedoch das Schützenheim zu Gesicht bekommen habe, mit all den Menschen, meiner Familie und der Böllergruppe, war ich total überwältigt." Sogar die Gaimersheimer Bürgermeisterin Andrea Mickel, der zweite Bürgermeister Günther Bernhardt und der Eichstätter Landrat Anton Knapp kamen, um zu gratulieren. Kinateder nutzte die Chance, um sich bei ihrer Familie ("Mama hat mich immer wieder motiviert"), ihrem Verein und ihrem Sponsor zu bedanken. Und darauf, dass sie sich wohl bald ins Goldene Buch der Gemeinde eintragen darf, freut sich die 19-Jährige jetzt schon.