Virtueller Halbmarathon
"Der Kopf ist der größte Gegner"

Ziel Bestzeit: Der Ingolstädter Lauftrainer Benjamin Ziegaus absolviert seinen ersten virtuellen Halbmarathon

08.05.2021 | Stand 05.07.2021, 3:34 Uhr
Der Ingolstädter Lauftrainer Benjamin Ziegaus absolviert seinen ersten virtuellen Halbmarathon. −Foto: Roth

Ingolstadt - Ein 3,7 Kilometer langer Rundkurs durch die Felder zwischen Oberstimm und Baar-Ebenhausen. Strahlender Sonnenschein, knapp zwölf Grad und die GPS-Uhr am Handgelenk. Benjamin Ziegaus, Lauftrainer und Physiotherapeut aus Ingolstadt hat sich eine schnelle Strecke für seinen persönlichen Lauf im Rahmen des Ingolstädter Halbmarathons ausgesucht.

Wie berichtet, kann die Traditionsveranstaltung in diesem Jahr nur virtuell stattfinden, weshalb jeder Teilnehmer zwischen dem 30. April und dem 15. Mai seine Leistung auf einer selbstgewählten Strecke erbringen und an den Veranstalter melden kann. Pünktlich um 11 Uhr startet Ziegaus am Samstagvormittag auf seine 21,1 Kilometer und hat Großes vor. Nach knapp achtzig Minuten Kampf gegen sich selbst und den Wind, läuft er schließlich mit erhobenen Händen durch ein selbstgebasteltes Zielband und lässt sich erschöpft auf den Boden fallen - kann aber schon wenige Minuten später von seiner neuen Erfahrung berichten.

Herr Ziegaus, zunächst die Frage, warum Sie sich gerade den ursprünglichen Wettkampftermin des Ingolstädter Halbmarathons für Ihren Lauf ausgesucht?
Benjamin Ziegaus: Ich wollte, seit ich den Termin weiß, am eigentlichen Renntag laufen, darauf war meine Planung von Anfang an abgestimmt. Nur - und deshalb bin ich vielleicht ganz froh, dass ich es dieses Mal selbst bestimmen konnte - ich wollte unbedingt früher am Tag laufen. Deshalb ging es auch schon um elf los.
Es war schon vorher klar, dass es kein gewöhnlicher Lauf werden würde, schließlich war es für Sie der erste virtuelle Halbmarathon. Waren Sie nervöser als sonst?
Ziegaus: Nervös eher nicht. Ich hab mich im Vorfeld zwölf Wochen wirklich intensiv darauf vorbereitet und bin auch in dieser Zeit die meisten Einheiten alleine gelaufen. Als ich dann heute morgen aufgestanden bin, hab ich mir einfach gesagt: Okay, heute ist der Abschluss dieser Phase und das ziehst du durch, egal ob es mit der Bestzeit klappt oder nicht.

Sie hatten sich tatsächlich ein hohes Ziel gesteckt und wollten ihre Bestzeit von 1:17,14 Stunden unterbieten. Erfordern die Umstände, dass man sich auf diese Art nochmal zusätzlich motiviert?
Ziegaus: Ja, absolut. Ich bin seit vier Jahren nicht mehr unter 1:20 Stunden gelaufen, hab mich die ganze Zeit gut gefühlt und gedacht: Hey cool, das machst du jetzt. Leider hat dann unter anderem der Wind nicht so mitgespielt, wie gewünscht.

Aus der neuen Bestzeit ist nichts geworden?
Ziegaus: Leider nein. 1:18,08 Stunden waren es am Ende. Aber egal, für mich geht jetzt die Welt nicht unter. Um die Bestzeit zu knacken, hätte ich dann vielleicht doch den Wettkampf gebraucht. Wenn man durch die Innenstadt läuft, Tausende Leute da sind und einen anfeuern, man ab und zu seinen Namen hört - das ist doch etwas ganz anderes.

Hier mussten Sie komplett alleine laufen.
Ziegaus: Ja, genau. Bei einem Wettkampf läufst du eigentlich immer in der Gruppe, wirst mitgezogen oder probierst selber mal etwas. Bei der virtuellen Varianten bist du mit dir allein, da ist der Kopf der größte Gegner.

Wie haben Sie sich geholfen?
Ziegaus: (lacht) Naja, beim Training hab ich immer meinen eigenen Moderator gemacht, ganz so, als wär ich schon beim Halbmarathon. Im Grunde sind das Spielchen im Kopf, die ich heute aber gar nicht gemacht habe. Vielleicht auch (zeigt auf seinen rechten Fuß), weil ich hier ein Steinchen im Schuh habe, der Socken dürfte blutig sein. Läuft man alleine, ist so etwas plötzlich viel präsenter als normal. Zum Glück bin ich hinten raus dann in eine Art Tunnel gekommen und konnte abgesehen vom Wind gut durchziehen.

Mit ihrer Zeit dürften Sie beim diesjährigen Halbmarathon auf jeden Fall im Vorderfeld landen. Was würde Ihnen eine gute Platzierung oder ein Platz auf dem Treppchen bedeuten?
Ziegaus: Die Platzierung ist für mich tatsächlich nebensächlich. Für mich ging es darum, dass ich das hier auch alleine durchziehe. Und, ganz ehrlich, ich hab's auch genossen.

Im Ziel gab es die Medaille von Ihrer Frau Isabella und als Belohnung einen Kuss . . .
Ziegaus: . . . ja, diese Belohnung muss sein (lacht).

Werden Sie Ihre Zeit denn auch noch ein bisschen feiern?
Ziegaus: Schau mer mal. Ich werd' mir später sicher auch noch mal ein Bierchen aufmachen - und zwar kein alkoholfreies, ein richtiges.

Ihr Fazit? Der Halbmarathon als virtuelle Variante dieses Jahr war okay, aber 2022, als Massenstart, wird er noch besser?
Ziegaus: Ich sag es mal so: Der virtuelle Lauf sollte jetzt vielleicht nicht zu Dauereinrichtung werden. Ich freue mich auf jeden Fall wieder auf den Massenstart, definitiv. Aber es war gut, dass es dieses Jahr diese Möglichkeit gab.

Das Gespräch führte
Norbert Roth.