Ingolstadt
Boxer wagen den Neustart

Unter Trainer Ramil Fatullaew trainieren die ehemalige Athleten des BC Ingolstadt jetzt beim FC GW

11.06.2019 | Stand 23.09.2023, 7:22 Uhr
Erster Erfolg: Unter Trainer Ramil Fatullaew (links) wurde Kevin Paal (rechts) vom FC GW Ingolstadt Deutscher Meister der U19. −Foto: privat

Ingolstadt (DK) Was sich bereits andeutete, wurde im April offiziell beschlossen: Alle aktiven Boxer des Box-Club Ingolstadt verließen den Verein und gründeten unter dem Dach des FC Grün-Weiß eine neue Boxabteilung.

Die junge Sparte verbuchte bereits erste Erfolge.

Im Sport sind Erfolg und Misserfolg nur bedingt planbar. Der Trainingsplan kann noch so ausgefeilt, die Ernährung noch so strikt sein - wenn im Fußball der entscheidende Schuss an den Pfosten geht oder der Ball beim Tennis knapp hinter der Grundlinie landet, dann spielen häufig auch der Zufall oder das Glück eine wichtige Rolle.

Es war eine solch glückliche Fügung, die über die Zukunft von etwa 30 unzufriedenen Boxern des BC Ingolstadt entscheiden sollte. Denn zwischen der Boxabteilung des BC und der Vereinsführung gab es schon seit einiger Zeit unterschiedliche Ansichten über die sportliche Ausrichtung - und schließlich kam es im September zum endgültigen Bruch.

Die Folge: Die Athleten wurden für sämtliche Wettbewerbe gesperrt, fortan mussten sie auf einem Abenteuerspielplatz trainieren, um weiter wettkampffähig zu bleiben. Das Problem mit den Sperren löste sich jedoch schnell: Der Boxclub Weißenburg setzte sich für die Athleten ein.

Die Differenzen mit dem Boxclub blieben. Worin diese genau liegen, möchte der BC nicht näher erläutern. Der Vorsitzende Parthenis Tokmakidis spricht nur von "vereinsinternen Meinungsverschiedenheiten".

Ramil Fatullaew, der 18 Jahre beim BC aktiv war und nun als Trainer und Abteilungsleiter zu GW gewechselt ist, nennt unterschiedliche Ambitionen als Grund: So habe der BC seit Jahrzehnten zweimal wöchentlich trainiert, für den Erfolg, müsse man aber mindestens dreimal trainieren. Für Tokmakidis stünde "das sportliche Miteinander sowie die Freude am Ausüben des Boxsports im Vordergrund", wie Fatullaew sagt.

Der Trainer erklärt: "Ich war Leistungssportler und habe unterschiedliche Trainingsmöglichkeiten gesehen. Der BC war nicht bereit, einen hauptamtlichen Trainer einzustellen. " Dies sei jedoch notwendig, um auch an größeren Wettkämpfen teilzunehmen. Hinzu kämen entsprechende Reisekosten, die der BC nicht habe zahlen wollen.

Irgendwann war absehbar, dass es zu keiner Einigung kommen würde, und Fatullaew fragte bei anderen Vereinen nach, ob sie die Boxer aufnehmen könnten. Doch kein Verein hatte die nötigen Kapazitäten - bis ein kleiner Zufall den Sportlern half. Der Bruder von Fatullaew und der Neffe des GW-Vorsitzenden kennen sich seit geraumer Zeit und unterhielten sich irgendwann über die Lage beim BC. Wenig später kamen vom FC Grün-Weiß die notwendigen Signale. "Ich bin sehr dankbar", sagt Fatullaew, und ergänzt in Bezug auf die Hilfe von GW: "Ich übe diesen Sport seit 18 Jahren aus, aber so etwas habe ich noch nicht erlebt. Wir wurden sehr herzlich aufgenommen. "

Seit Januar trainieren die ehemaligen BC-Boxer nun in einem Keller des GW-Komplexes auf rund 150 Quadratmetern. Der Raum wird aktuell im großen Stil renoviert. "Es ist viel Arbeit, weil wir praktisch bei Null anfangen", erklärt Fatullaew, der bis Mitte Juli mit der Fertigstellung rechnet und dann auch eine Eröffnungsfeier plant.

Bis dahin muss noch gestrichen werden, dazu gibt es einen neuen Ring, Boxsäcke und Medizinbälle. Da der BC inzwischen auf der Mitgliederversammlung inzwischen seine Einwilligung gegeben hat, können die Sportler nun unter der Flagge von Grün-Weiß antreten.

Das ganze Projekt ist noch sehr frisch, und dennoch gab es bereits den ersten sportlichen Erfolg zu verbuchen: Ende Mai wurde Kevin Paal in Velbert Deutscher Meister der U19 im Halbschwergewicht bis 81 Kilogramm. "Kevin ist ein sehr ehrgeiziger und fleißiger Sportler. Er arbeitet unermüdlich", sagt Fatullaew. Das zeigt auch abseits des Rings Wirkung: Erste Sponsoren wurden gefunden, der Erfolg Paals hat da sicher eine Rolle gespielt haben.

"Das Potenzial ist unerschöpflich", sagt Fatullaew mit Blick auf die Boxer von Grün-Weiß, die überwiegend im Alter zwischen 15 und 18 Jahren sind. Neben den drei Trainingsabenden pro Woche gibt es für die Athleten auch noch Schwimm - und Joggingeinheiten. Außerdem fährt das Team am Wochenende häufig nach München oder Augsburg zum Sparring.

Mit Fatullaew hat der Verein bislang zwar nur einen ehrenamtlichen Trainer, doch das soll sich schnell ändern. "Ich möchte, dass die Jungs was erreichen, und dass sie vorwärts kommen", sagt Fatullaew, den ein Ziel ganz besonders antreibt: "Ich möchte einen Boxer zu Olympia bringen. Das ist der größte Traum eines jeden Sportlers. " Doch um das zu erreichen, muss natürlich alles passen und - vielleicht auch der Zufall nochmal an der richtigen Ecke lauern.

Marcel Bothe