Aus der Nachtschicht zu den Olympischen Spielen?

06.02.2020 | Stand 23.09.2023, 10:24 Uhr
Taekwondo-Trainer Bernhard Bruckbauer (schwarzes Trikot) arbeitet mit der Pförringerin Lorena Brandl (großes Bild, rechts) und der Altmannsteinerin Vanessa Körndl (links oben, Mitte) im Bundesstützpunkt in Nürnberg. Die Karte zeigt, an welchen Orte in der Welt das erfolgreiche Trio bereits zu Wettkämpfen angetreten ist. −Foto: Schimmer

Lange Zeit stand der Sandersdorfer Bernhard Bruckbauer nachts am Fließband und führte tagsüber als Taekwondo-Trainer die Pförringerin Lorena Brandl und die Altmannsteinerin Vanessa Körndl in die Weltspitze. Seit einem Jahr arbeitet er am Bundesstützpunkt in Nürnberg.

 

Nürnberg - An den Wänden hängen große grüne Gymnastikbälle, daneben reihen sich schwarze Hanteln sauber geordnet aneinander. Das andere Ende des Fitnessraums zieren Spinning-Räder, Rudermaschinen und Laufbänder. Im Zentrum sind zwei TRX-Bänder straff gespannt. Lorena Brandls (22) Unterarme liegen in den Schlaufen, Oberkörper und Beine sind wie ein starres Brett geformt, das Gesicht der Pförringerin färbt sich vor Anstrengung rot. Daneben liegt die Altmannsteinerin Vanessa Körndl (22) auf der Hantelbank. Die graue Stange hält sie fest mit den Fingern umschlossen, während sie die Gewichte in die Höhe stemmt und bei jeder Wiederholung laut ausatmet. Mittendrin steht Bernhard Bruckbauer, auf dessen Brust der deutsche Bundesadler leuchtet. "Heute ist Krafttraining und Regeneration angesagt", sagt er.

Im Januar 2019 begann für Bruckbauer ein neuer Lebensabschnitt. Der Sandersdorfer wurde zum Trainer des in Nürnberg neu errichteten Taekwondo-Bundesstützpunktes ernannt, gab den Job in der Audi-Nachtschicht auf und machte seine große Leidenschaft zum Beruf. Seitdem fördert er dort zusammen mit Sergej Kolb die Bundeskaderathleten aus der zweitgrößten Stadt Bayerns. Auch seine beiden Schützlinge Brandl und Körndl, die sich unter seiner Regie beim Heimatklub "Tiger and Dragon Altmannstein" an die internationale Spitze kämpften, sind dort dabei. Fünfmal in der Woche pendelt er nun mit den beiden Sportlerinnen nach Nürnberg, um dort zweimal am Tag zu trainieren, um zu regenerieren und zu organisieren. Weitere Kaderathleten aus ganz Deutschland sollen in Zukunft ebenfalls dazustoßen. "Wir haben Top-Bedingungen hier", erklärt Bruckbauer. Ein geräumiger Fitnessraum, Kameras und Bildschirme zur Trainingsanalyse in der Halle und ein Physio-Raum: Der ehemalige Bandarbeiter gerät ins Schwärmen, wenn er über die vielfältigen Möglichkeiten des neuen Trainingszentrums spricht. Zuvor musste der 47-Jährige nämlich lange Zeit den Spagat zwischen Full-Time-Job und Leistungssport meistern: "Als Vanessa und Lorena Sportsoldatinnen wurden, habe ich nach der Nachtschicht morgens und abends mit den beiden in Altmannstein trainiert und zwischendurch mal vier Stunden geschlafen. Das war für mich eine harte Zeit. Jetzt ist es natürlich ideal. Der Fokus liegt einzig auf dem Sport", sagt Bruckbauer.

 

Brandl und Körndl waren gerade einmal 13 Jahre alt, als der Sandersdorfer mit den beiden Ausnahmetalenten des Altmannsteiner Taekwondo-Vereins erstmals an internationalen Turnieren teilnahm. "Die haben sich auf mich verlassen. Ich habe es als große Verantwortung gesehen und immer versucht, mich in die Situation der Eltern hineinzuversetzen", erklärt er und führt weiter aus: "Man hat ein Verhältnis, das es so eigentlich nicht gibt. Die sehen mich ja öfter als den eigenen Papa."

Seitdem hat das für dieses Niveau außergewöhnliche Trio viel erlebt. Dabei kam es sogar vor, dass sie binnen eines Jahres in 14 verschiedenen Ländern kämpften. Medaillen gewannen beide schon zu dieser Zeit regelmäßig. Bruckbauers Augen strahlen, wenn er Anekdoten aus dieser Zeit erzählt. "Wir haben Länder wie Marokko oder Ägypten gesehen, in denen es den Menschen nicht so gut geht. Wir waren aber auch in den Vereinigten Arabischen Emiraten, wo Geld keine Rolle spielt. Das hat die beiden geprägt. Mit dem Sport zerstreuen sich dann auch viele Vorurteile."

 

Nach dem Deutschen Meistertitel von Brandl am vergangenen Wochenende (wir berichteten) stehen nun mit Blick auf die Olympischen Spiele entscheidende Wochen an. Seinen beiden Schützlingen rechnet er gute Chancen aus, vom Verband für das Qualifikationsturnier in Mailand nominiert zu werden. "Sie sind in der engeren Auswahl", sagt er. Bei den kommenden Wettkämpfen in Schweden und Belgien sollten die beiden Sportsoldatinnen ihre starke Form bestätigen, ehe Mitte Februar nach den German Open in Hamburg die endgültige Entscheidung getroffen wird.

Erfüllt sich für eine seiner Schützlinge der Traum Olympia, prophezeit der Coach jetzt schon: "Es kann sein, dass ich von Tokio ein Tattoo davontragen werde."

DK

Benedikt Schimmer