Buxtehude
Auf dem Weg zur Nationalspielerin

Die 21-jährige Gaimersheimerin Lisa Antl hat es mit viel Einsatz bis in die Handball-Bundesliga geschafft

19.03.2021 | Stand 23.09.2023, 17:30 Uhr
Rasante Entwicklung: Nur rund vier Jahre liegen zwischen dem Spiel, das Handballerin Lisa Antl 2017 mit der HG Ingolstadt (rechts) in der Landesliga absolvierte und dem Bundesliga-Auftritt der inzwischen 21-Jährigen im Frühjahr 2021 mit dem Buxtehuder SV. −Foto: Imago Images, Rimmelspacher

Buxtehude - Wie sich das wirklich anfühlt, wenn ein Lebenstraum in greifbare Nähe rückt, das weiß immer nur die Person selbst.

Wie es sich anhört, bekommen andere Menschen aber mit. "Ich bin in Schreien ausgebrochen", sagt Lisa Antl. "Eine Mannschaftskollegin war gerade bei mir, als ich die Mail bekommen habe. " Die musste dann gemäß des Vier-Augen-Prinzips überprüfen, ob die frohe Kunde keine Einbildung sei. Doch das angehängte PDF bestätigte, was der Titel der Mail versprach: "Einladung Frauen-Nationalmannschaft 14.3.2021."

Die Gaimersheimerin Lisa Antl wurde zum ersten Mal zu einem Lehrgang der deutschen A-Nationalmannschaft eingeladen. Wegen einer Blessur musste sie dann zwar absagen, doch das Wichtigste bleibt: Sie ist nun offiziell im Blickfeld von Bundestrainer Henk Groener. Es gibt nicht viele, die das mit 20 Jahren in ihrer zweiten Bundesliga-Saison schaffen. Ebenso selten ist es, dass jemand aus Bayern in den Kreis der besten Handballerinnen des Landes vorstößt. Wie hat sie das in diesem Tempo geschafft?

Zunächst einmal muss man es wollen - mehr als andere. "Ich habe schon in Gaimersheim angefangen, mehr zu trainieren", erzählt Antl über die Zeit beim TSV, wo sie in der Saison 2004/05 bei den Minis mit dem Handball angefangen hatte. Mal trainierte sie eine Einheit in der Altersklasse drüber, mal gemeinsam mit den Jungs. Als sich Antls Jugendteam in Gaimersheim auflöste, wechselte sie in die B-Jugend des MTV Ingolstadt und spielte dort in der Bayernliga.

Zu diesem Zeitpunkt war die Gaimersheimerin schon in den Auswahlmannschaften des Bayerischen Handball-Verbandes (BHV) aktiv - und hinterließ Eindruck. Florian Bamberger, Trainer der Altbayern-Auswahl, fragte, ob sie denn Lust auf A-Jugend-Bundesliga beim TSV Ismaning hätte. Und weil diese Liga in Turnierform ausgetragen wird, brauchte es einen zweiten Verein für den wöchentlichen Spielbetrieb. In der Saison 2016/17 spielte Antl als 16-Jährige per Zweitspielrecht in der Landesliga-Mannschaft der HG Ingolstadt - erstmals als Kreisläuferin.

Ihr damaliger HG-Trainer Alex Polz gerät ins Schwärmen, wenn er über Antl spricht. Wie sie in der 5:1-Abwehr die offensive Position ausfüllte, "war mit das Beste, was es in der Liga gab". Dazu kamen eine mannschaftsdienliche Spielweise im Angriff, großer Ehrgeiz und ein ausgeprägter Lernwille - am Erfolg hatte sie laut Polz den gleichen Anteil wie die Führungsspielerinnen.

In einem dramatischen letzten Saisonspiel sicherten sich die HG-Damen Meistertitel und Aufstieg in die Bayernliga. "Ich habe bei der HG sehr viel gelernt, Lisa Günther und Simone Jens haben mich damals viel an die Hand genommen", erinnert sich Antl. Polz attestiert ihr Selbstbewusstsein und Anpassungsfähigkeit. "Sie will so gut es geht ihre Fähigkeiten entwickeln", sagt der 52-Jährige über die Studentin der Sozialen Arbeit.

In der Saison 2016/2017 bedeutete das: Training in Ingolstadt, Training in München, Spielbetrieb in zwei Teams und nebenbei der Realschulabschluss. "Ich bin teilweise um 23.30 Uhr vom Training gekommen, habe bis 1 Uhr gelernt und bin um 6.20 Uhr wieder für die Schule aufgestanden", sagt Antl. Wer nach oben kommen will, aber nicht in Sichtweite eines Nachwuchsleistungszentrums aufwächst, verbringt viel Zeit in der Halle und viel Zeit im Zug. Als Lohn gab es den Wechsel zum HCD Gröbenzell in die 2. Liga.

Ein entscheidender Schritt. Trainer Polz sagt: "Wenn du einmal in der Maschinerie drin bist, fällst du auf. " Mit dem Wechsel nach Gröbenzell war Antl endgültig in der Maschinerie. Die Gaimersheimerin nahm ihre Karriereschritte in hohem Tempo, aber logisch aneinandergereiht. Die zwei Jahre beim HCD im Schnelldurchlauf: Zwei Saisons in der A-Jugend-Bundesliga (einmal wurde das Viertelfinale erreicht), bei den Frauen eine Spielzeit in der 2. Liga und nach dem Abstieg eine Saison in der 3. Liga, Teilnahme an der U20-Weltmeisterschaft 2018 und der U19-Europameisterschaft 2019.

Bei der U20-WM der Jahrgänge 1998/99 war die im Juni 2000 geborene Antl die Jüngste im Team des Deutschen Handballbundes (DHB). Ihre damalige Mitspielerin Lena Degenhardt, die aktuell in der Bundesliga beim TuS Metzingen spielt, berichtet von der großen Integrationsbereitschaft Antls. "Sie hat als jüngerer Jahrgang schon Spielzeiten bekommen", sagt die 21-Jährige. "Sie war keine Führungsspielerin, hat die Rolle aber angenommen und alles aufgesaugt. Sie ist ein richtiger Teamplayer. "

Degenhardt, Polz und Antl selbst beschreiben die physische Stärke als großen Pluspunkt der Kreisläuferin. Dazu kommen Explosivität und Kampfkraft. "Wenn ich den Ball habe, gibt es nur eine Richtung", sagt die Gaimersheimerin. Andere Spielerinnen springen Richtung Tor, Antl dagegen wirft sich mit allem, was sie hat, in den Wurfkreis. Nach einem Tor reißt sie beim Zurücklaufen beide Arme in die Luft, beugt den Oberkörper nach vorne, als wolle sie mitteilen: Nächster Zweikampf, nächster Ball, ich bin bereit. Die Gaimersheimerin kann beißen. Das braucht man, um nach oben zu kommen und um oben zu bleiben. In der ersten Saison nach ihrem Wechsel 2019 zum Bundesligisten Buxtehuder SV lief es noch nicht optimal. Antl musste sich an das deutliche größere Trainingspensum gewöhnen, es standen drei Kreisläuferinnen im Kader. "Ich war in der Abwehr noch nicht ganz so weit", sagt sie. Doch Antl setzte sich durch, ist in der laufenden Spielzeit 2020/21 gesetzt. "Es war schon immer ein Traum, Handball auf höchster Ebene zu spielen", sagt Antl. Die 20-Jährige musste dafür 700 Kilometer von Gaimersheim entfernt in die Nähe von Hamburg ziehen. Der nächste Traum ist die Nationalmannschaft. "Die Hymne zu hören ist ein unbeschreibliches Gefühl", sagt Antl, die das von den Jugend-Auswahlteams kennt. "Da bleibt einem die Luft weg. " Auch wenn eine Blessur den ersten A-Nationalmannschaftslehrgang verhindert hat, der nächste Schritt ist zum Greifen nah.

DK

Christian Missy