Ingolstadt
"Auf das Gefühl danach freue ich mich unheimlich"

22.01.2021 | Stand 23.09.2023, 16:34 Uhr
  −Foto: JT-Presse.de / Johannes TRAUB

Wiederholter Ligen-Lockdown, Trainingsverbot und weiterhin Unklarheit darüber, wann der normale Sportbetrieb wieder starten kann. Die Corona-bedingten Einschränkungen sind seit Monaten gerade im Amateurbereich für fast jeden Mannschaftssportler eine echte Herausforderung - und daran dürfte sich in nächster Zeit wenig ändern. Welchen Einfluss hat das auf die Aktiven in der Region? Verschieben sich die Wertigkeiten? Ist es immer noch das Wichtigste, genau zu dem Status zurückzukehren, den der Sport vor dem Ausbruch der Pandemie hatte? Wir haben den Kapitänen verschiedener Mannschaften und Sportarten hierzu jeweils die fünf gleichen Fragen gestellt.

FÜNF FRAGEN ZUR LAGE

1 Was hast du in der Corona-Pause gelernt?

2 Hat dich die Zwangspause zu einem anderen Sportler gemacht?

3 Gab es etwas, was dich an deine persönliche Grenze gebracht hat?

4 Was macht dir Mut?

5 Bei der Rückkehr zur sportlichen Normalität: Was wäre das Wichtigste?

Sebastian Schaer (27, Ingenieur Fahrdynamik, Kapitän der Tischtennis-Verbandsoberliga-Mannschaft des MTV Ingolstadt):

1 Wie in vielen anderen Sportarten wurde der Wettbewerbs- und Trainingsbetrieb im Tischtennis durch die Corona-Pause ausgesetzt. Diese Einschränkungen sind notwendig, lassen mich zugleich aber erkennen, dass mir nicht nur der Wettkampf, sondern vor allem das soziale Miteinander innerhalb des Vereins fehlt. Teamkollegen und Bekannte aus dem Verein über Wochen und Monate nicht zu sehen, trifft mich härter als gedacht.

2 Mein Fokus hat sich weg vom "Wettkampfgedanken" hin zu einem "Bleib gesund" verschoben. Die sportliche Welt rückt immer weiter weg. Das Interesse am Tischtennis ist natürlich weiter gegeben, dennoch verliert es bei mir über die letzten Monate an Schärfe. Ich bin jedoch überzeugt, dass sich nach einer Rückkehr in die sportliche Normalität der Biss in kürzester Zeit wiederfinden lässt.

3 Da ich mich in meinem Leben noch nie in dieser Art und Weise einschränken musste - was ich als hohes Privileg betrachte - fühlen sich die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie schnell einengend an. Nicht mehr seinen Sport ausüben und uneingeschränkt und zu jeder Zeit an die frische Luft gehen zu können, ist eine neue Erfahrung und Herausforderung für mich.

4 Ich bin zuversichtlich, dass die getroffenen Maßnahmen Erfolg haben werden, weshalb ich optimistisch auf den weiteren Jahresverlauf blicke. Vor allem die große Impfbereitschaft lässt mich hoffen, dass der Trainingsbetrieb im Laufe der Zeit wieder aufgenommen werden kann und wir im Herbst in eine neue Saison starten.

5 Natürlich möchte ich möglichst schnell wieder unter normalen Bedingungen Tischtennis spielen. Dabei ist mir beim Blick auf den Amateursport aber auch klar, dass andere Lebensbereiche (Restaurants, Einzelhandel, usw.) bei der Rückkehr zur Normalität Vorrang haben sollten. Da mein Vater (Rentner, 70 Jahre) das Jugendtraining in meinem Verein leitet, sehe ich das Thema Ansteckungsgefahr schon mit gewisser Sorge. Der Trainingsbetrieb sollte erst unter einigermaßen sicheren Bedingungen wieder aufgenommen werden.

Lennart Niemeyer (29, UX Consultant, Kapitän der Bayernliga-Volleyballer des MTV Ingolstadt):

1 Gelernt habe ich vor allem, dass ich auf vieles - auch auf den Sport - verzichten und trotzdem noch glücklich sein kann. Im Gegenteil: Mir hat die aufgezwungene Entschleunigung sogar gutgetan, weil ich neue Prioritäten setzen und beispielsweise mehr Zeit mit meinem Sohn verbringen konnte. Mir ist dabei auch bewusst geworden, dass ich großes Glück habe, dass mein Job und mein näheres Umfeld von der Corona-Situation kaum negativ betroffen sind. Viele andere hat es da leider deutlich schlimmer erwischt.

2 Durch die Zwangspause bin ich zumindest vorübergehend und notgedrungen zum Individualsportler geworden. Ich habe neue Sportarten ausprobiert und zum Beispiel Yoga für mich entdeckt. Sobald es möglich ist, werde ich jedoch wieder Teamsport betreiben - mir fehlt der Team-Spirit. Außerdem ist die Häufigkeit, mit der ich Sport treibe, deutlich zurückgegangen. Im Team fällt es mir deutlich leichter, mich zur Bewegung zu motivieren.

3 Zum Glück nicht. Ich habe aber festgestellt, dass es nicht ganz einfach ist aus dem Home-Office in einer kleinen Zwei-Zimmer-Wohnung zu arbeiten, wenn der Nachwuchs zu Hause ist. Ich kann mir daher gut vorstellen, dass Familien mit mehreren Kindern und vor allem Alleinerziehende da sehr schnell an ihre Grenzen kommen.

4 Mut machen mir vor allem die Impfungen. Wenn über kurz oder lang eine Herdenimmunität erreicht wird, wird das Leben nach und nach wieder "normal" werden. Und irgendwann wird auch Teamsport in der gewohnten Form wieder möglich sein.

5 Ich wünsche mir, dass man den offiziellen Spielbetrieb erst dann wieder aufnimmt, wenn ein fairer Wettbewerb ohne Verzerrungen durch Corona-bedingte Spielabsagen oder Ausfälle einzelner Spieler möglich ist. Außerdem wünsche ich mir, dass gleiche Regelungen für alle Leistungsklassen geschaffen werden. Die aktuelle Unterscheidung zwischen Profi- und Amateursport finde ich vor allem im Hinblick auf die Vorbildfunktion von Profisportlern fragwürdig.

Andrea Lanzl (33, Sportsoldatin, Kapitänin des Eishockey-Bundesliga-Teams des ERC Ingolstadt):

1 Ich habe gelernt, dass es ein Privileg ist, seinen Sport, seine Leidenschaft ausüben zu dürfen. Überdies wird einem klar, dass vieles was selbstverständlich war, bei genauer Betrachtung gar nicht so selbstverständlich ist.

2 Da wir als eine der wenigen weiterspielen, hat sich für mich zum Glück nicht so viel verändert. Deshalb bin ich wohl immer noch die gleiche Sportlerin. Aber ich genieße das Eishockeyspielen noch mehr.

3 Nein. Mit dem Verein ist bisher ja auch alles relativ reibungslos abgelaufen. Auf der anderen Seite sind alle Spiele mit der Nationalmannschaft ausgefallen, weshalb sich für mich persönlich beim Gedanken an mein Karriereende eine schwierige Situation ergibt. Wer weiß, wie viele Länderspiele ich noch spielen kann und darf? Grundsätzlich ist es für mich ein großes Glück, meinen Lieblingssport als Sportsoldatin ausüben zu können. Gerade in der jetzigen Situation zeigt sich, dass die Bundeswehr ein hervorragender Arbeitgeber ist.

4 Es macht mir Mut, dass unsere Liga bisher stattfinden konnte und die Hygienekonzepte greifen. Ich hoffe, dass vor allem der Nachwuchs nächste Saison auch wieder trainieren und am Spielbetrieb teilnehmen kann.

5 Gegenwärtig ist aus meiner Sicht das Wichtigste, dass alle gesund bleiben.

Ramona Maier (25, Polizeibeamtin, Kapitänin der Zweitliga-Fußballerinnen des FC Ingolstadt 04):

1 Während der Corona-Pause konnte ich meinen Körper noch ein Stück weit besser kennenlernen. Neben dem allgemeinen Laufprogramm habe ich zum Beispiel mehr Krafttraining und Mobilitätseinheiten gemacht. Hier habe ich auf jeden Fall einiges dazugelernt. Die individuellen Übungen werden mir zukünftig bei der alltäglichen Fußball-Belastung sicher helfen. Dabei war der Kraftraum in meinem Keller natürlich ein Vorteil.

2 Wie bereits erwähnt, habe ich viel mehr Krafttraining gemacht. Da ich auch läuferisch meine Leistungen verbessert habe, bin ich im athletischen Bereich unter dem Strich sicher stärker geworden. Manchmal fällt es mir trotzdem sehr schwer, mich alleine zum Training zu motivieren. Deshalb freue ich mich schon wieder sehr auf meine Mannschaftskolleginnen.

 

3 In beiden Corona-Pausen ist es mir zu Beginn schwer gefallen, plötzlich nicht mehr mit der Mannschaft trainieren zu können. Sogar die langen Busfahrten und die Übernachtungen vor einem Auswärtsspiel fehlten mir. Plötzlich hatte ich sehr viel Zeit und wusste diese anfangs nicht zu nutzen. Mein Vorteil war, dass mein Beruf durch die Corona-Pandemie nicht beeinträchtigt wurde und ich diesem weiter nachgehen konnte. Die verbleibende Zeit konnte ich dann sehr gut für meine Familie und eben für mein individuelles Training nutzen.

4 Mir macht Mut, dass wir Sportler das alles jetzt schon so lange ausgehalten haben. Zudem sucht der Deutsche Fußball-Bund (DFB) aktiv nach einer Lösung für die 2. Frauen-Bundesliga, damit wir schnellstmöglich den Trainings- und Spielbetrieb wieder aufnehmen können. Auch die Erinnerung, dass nach dem Frühjahres-Lockdown 2020 der Mannschaftssport wieder möglich war, macht mir Mut.

5 Bei der Rückkehr auf den Platz ist mir am Wichtigsten, dass nach der Rückkehr zur alten Belastung möglichst alle von Verletzungen verschont bleiben. Auch wünsche ich mir, endlich wieder - ohne erneute Zwangspause - mit Leidenschaft mit dem Team kicken zu können.

Maria Häußler (33, Tierphysiotherapeutin, Führungsspielerin der Landesliga-Handballer der HG Ingolstadt):

1 Zum einen, wie wichtig Sport, insbesondere Mannschaftssport für Körper und vor allem Geist ist. Zum anderen, wie wichtig der Kontakt zu Freunden und Familie ist. Wenn es auch nur virtuell stattfinden kann, so sind diese Termine dennoch immer wieder Balsam für die Seele. Diese Dinge erlebe ich nun viel bewusster und schätze sie wieder viel mehr. Zuletzt habe ich gemerkt, dass Kreativität in solchen Phasen wirklich von Vorteil ist. Virtuelle Trainingseinheiten oder kleine Wettkämpfe halten die Motivation hoch, die Mannschaft zusammen - und mich wenigstens etwas fit.

2 Ehrlich gesagt fehlt mir der Zwang, zum Training zu gehen, schon sehr. Ich muss mich privat schon sehr motivieren, um eigenständig Sport zu machen. Das liegt vor allem daran, dass ich ein klassischer Mannschaftssportler bin. Alleine macht es nicht annähernd so viel Spaß wie mit den Mädels.

3 Die eine oder andere Quarantäne hat mich tatsächlich stark an meine Grenzen gebracht. Ob im Frühjahr 2020 in Neuseeland oder zu Hause in Deutschland. Ich bin ein sehr freiheitsliebender Mensch. Über mehrere Tage oder gar Wochen eingesperrt zu sein, war schon sehr hart für mich.

 

4 Ganz klar der Blick in die Zukunft. Irgendwann wird der ganze Spuk um Corona vorbei sein. Auf das Gefühl danach freue ich mich unheimlich. Die Vorfreude darauf, wieder Freunde zu treffen, diese zu umarmen, gemeinsam zu trainieren und zu fighten, zu feiern, zu tanzen und auf Konzerte zu gehen, zu reisen - wenn das alles keinen Mut macht...

5 Zu allererst, dass wirklich sobald wie möglich die echte sportliche Normalität zurückkehrt. Allerdings darf man nicht vergessen, dass der Trainingszustand von bestimmt 80 Prozent der Spielerinnen deutlich schlechter geworden ist. Das Verletzungsrisiko steigt somit enorm, sollte man nicht die Möglichkeit bekommen, sich entsprechend auf eine Saisonfortsetzung (in welcher Art auch immer) vorzubereiten. Zum zweiten wünsche ich mir, dass wirklich jeder aus seiner Corona-Lethargie erwacht und seine Motivation wieder findet um unsere gemeinsame Leidenschaft wiederzubeleben. #bettertogether ist hier das Stichwort.

Daniel Spies (21, Student Technisches Design, Kapitän der Bezirksliga-Fußballer des SV Manching):

1 Man lernt die alltäglichen Dinge schätzen: sei es Freunde zu treffen, ins Fußballtraining zu gehen oder am Wochenende zu den Punktspielen zu fahren und sich mit anderen Mannschaften zu messen. Die eigentlich wichtigen Dinge im Leben wie die Familie, das Studium und die Gesundheit nehme ich nun bewusster wahr, sie sind in den Vordergrund gerückt. Nichtsdestotrotz geht mir der Fußball sehr ab. Ein Leben ohne Fußball ist nur halb so schön.

2 Von der Denk- und Spielweise her bin ich nach wie vor derselbe Spieler, jedoch sind die Fitness und der Spaß am Teamsport unter den Corona-Beschränkungen sehr deutlich zu kurz gekommen. Als Mannschaftssportler fehlt mir einfach der Austausch und das Zusammenspiel mit den Teamkollegen. Nach wie vor versuche ich, mich so gut es geht individuell fit zu halten und auf die hoffentlich bald startende Saison vorzubereiten.

3 Durch die Corona-Maßnahmen wurde jedem Sportler viel Freiheit und Lebensqualität genommen. Die Lust, wieder auf den Platz zu können und zum normalen Leben zurückzukehren, wird deshalb jeden Tag größer.

4 In Bezug auf eine Besserung der Corona-Beschränkungen aktuell ehrlich gesagt nicht viel, da keine Lockerungen in Sicht sind - trotz der immer härter werdenden Maßnahmen.

5 Dass alle wieder mit der alten Freude, Zielstrebigkeit und Motivation zur Normalität zurückkehren und die Begeisterung für den Sport nicht verloren ist. Am wichtigsten ist aber natürlich, dass alle gesund aus dieser Zeit kommen.

DK/Fotos: ur (3), jtr, bsn, privat

Norbert Roth