Hilpoltstein
"Wird dann an Weihnachten noch gespielt?"

Im Fußballkreis Neumarkt/Jura stimmen fast 75 Prozent der Vereine für eine Fortsetzung der Saison - Doch es gibt auch Kritik

21.04.2020 | Stand 02.12.2020, 11:30 Uhr
Um den Lohn ihrer Arbeit gebracht fühlen sich die Fußballer der SG Thalmässing/Eysölden (rote Trikots), sollte es für sie wegen der Unterbrechung bis mindestens 31. August nicht mit dem Aufstieg klappen. Die Thalmässinger fuhren in der bisherigen Spielzeit bereits 14 Siege aus 16 Partien ein - unter anderem gegen den TV Hilpoltstein II - und führen die Tabelle der A-Klasse Mitte an. −Foto: Enzmann (Archiv)

Hilpoltstein - Das Meinungsbild der bayerischen Fußballvereine scheint auf den ersten Blick eindeutig: Rund zwei Drittel der 3197 Vereine haben bei einer Umfrage nach Angaben des Bayerischen Fußball-Verbands (BFV) für den Vorschlag gestimmt, die Saison ab September fertigzuspielen.

 

Damit folgt die Mehrheit der Vereine dem Vorschlag des BFV, das spiegelt sich auch am Abstimmungsergebnis im Kreis Neumarkt/Jura wieder: Hier haben sogar 73,24 Prozent dafür gestimmt. Es regen sich aber auch kritische Stimmen am Vorgehen des Verbandes, der am heute Abend seine Entscheidung endgültig bekanntgeben will. Auch so mancher Verein aus dem Verbreitungsgebiet des HK ist nicht damit einverstanden, wie unsere Umfrage zeigt.

Matthias Berner, Trainer der Sportfreunde Hofstetten (10. Platz Kreisliga Ost): "Ich bin zunächst einmal froh, dass etwas entschieden wurde vom BFV und man wenigstens eine Leitlinie zur Hand hat. Allerdings muss ich sagen, dass wir nicht die Meinung der Mehrheit der Vereine vertreten. Den 1. September als Termin für die Fortsetzung festzulegen ist schon extrem, dann müssten wir ja im August ins Mannschaftstraining einsteigen und wären zuvor fast ein halbes Jahr nicht auf dem Sportplatz gewesen. Und wer sagt uns, ob das überhaupt möglich ist, denn letztendlich hat das Sagen nicht der BFV, sondern die Politik und die Gesundheitsbehörden. Vier Wochen Vorbereitung werden zudem nicht reichen. Viele werden im Urlaub sein, wo immer sie ihn auch verbringen können. Klar ist deshalb, dass es unter diesen Umständen keine übliche und vernünftige Vorbereitung geben wird, auch wenn das natürlich auch für die Konkurrenz gilt. Als verantwortungsbewusster Trainer muss ich aber auf die Tabelle sehen. Wir sind Kreisliga-Aufsteiger und haben viel geleistet, wir sind aber noch lange nicht durch. Das spielt ja ebenfalls eine Rolle und könnte zum Nachteil werden. Das wäre schon fatal. Zudem steht noch weiteres in den Sternen. Wie sieht es etwa mit den Spielerwechseln aus? Doch wir müssen versuchen, mit der Situation bestmöglich umzugehen. "
  
Norbert Satzinger, Trainer der SG Thalmässing/Eysölden (1. Platz A-Klasse Mitte): "Von dem Vorschlag des BFV halte ich nichts. Ich weiß, dass es keine gerechte Lösung geben wird. Aber ich bin der Meinung, dass der Tabellenstand vom 31. März herangezogen werden soll. Der Erste und der Zweite steigen direkt auf, es steigt keiner ab. Eine erweiterte Liga wird zwar schwierig in der Umsetzung für den Spielbetrieb, ist aber keinesfalls neu im Amateurbereich, wenn man an die Auflösung der Bezirksoberliga denkt. Es ist ja löblich, dass der BFV sich mit dem Thema ernsthaft beschäftigt hat, es ist aber nicht zu Ende gedacht. Für mich ist das alles Theorie, doch wie läuft es in der Praxis? Die Frage ist, wie der Spielplan aussieht, denn mit den Relegationsspielen wird womöglich Weihnachten noch gespielt. Sollten wir unter der Woche ran müssen, fehlen mir acht erstklassige Leute, die in der Schicht arbeiten - Aufstieg ade, das ist Wettbewerbsverzerrung. Wenn es losgeht, haben wir neun Monate kein Punktspiel ausgetragen. Wenn die nachfolgende Saison im März 2021 beginnt, wann endet sie dann? Mir sind das zu viele offene Fragen, ich als Trainer habe keine Planungssicherheit. "

Jürgen Schmid, Trainer des TSV Greding (8. Platz Bezirksliga Süd): "Wir in Greding haben uns mit der größeren Mehrheit für den Vorschlag des BFV entschieden. Ich persönlich bin da im Zwiespalt, denn es gibt noch einige offene Fragen, die noch nicht geklärt sind. Es kommt personell zu komplizierten Situationen. Ein Spieler wird nicht noch ein Jahr warten, wenn er jetzt im Sommer ein Haus bauen will und deshalb zu diesem Zeitpunkt den Verein verlässt. So ist es auch bei Studenten, die nicht mehr dem Verein zur Verfügung stehen. Unsere Jungs kommen aus der Umgebung, die bleiben uns erhalten und damit haben wir diesbezüglich eher keine Sorgen. Ich weiß, dass es sich nicht gut anhört, aber ich hätte die Saison abgebrochen. Das würde meinem Ex-Verein, dem SC Feucht, eher nicht in den Kram passen als Tabellenführer und in unserer Liga auch den Weißenburgern nicht. Für mich stellt sich die Frage, warum ein Saisonabbruch rechtlich gesehen in Österreich und anderen Ländern möglich ist, der BFV dies aber kategorisch ablehnt. Wir könnten dann 2021 von März bis November spielen. Die Krux dabei ist, dass nichts passieren darf, denn sonst wären zwei Spielzeiten weg. Ich glaube nämlich fast sicher, dass wir 2020 nicht mehr auf den Rasen dürfen. Ich verfolge die Berichterstattung über die Pandemie täglich und es wird immer glaubhafter. Die Gesundheit steht im Mittelpunkt. In diesem Punkt gibt es für uns keinen Grund zu klagen. "
Siegfried Zeh, Abteilungsleiter des TV Hilpoltstein (6. Platz Bezirksliga Süd): "Zunächst möchte ich feststellen, dass es den Familien der Spieler und meiner gut geht. Das ist in dieser Zeit eine sehr gute Nachricht, die den Komplex Fußball eindeutig in seiner Bedeutung weit nach hinten schiebt. Mich stört es einfach, dass man die sogenannte schönste Nebensache der Welt so heraushebt. Es gibt andere Probleme, die es zu lösen gilt. Man sollte das Ganze gelassen angehen. Natürlich musste sich der BFV in Zeiten von Corona äußern, welche Vorstellungen er hat und was geschehen soll. Die Entscheidung, dass bis zum 31. August nicht gespielt wird, ist richtig. Wie es ab 1. September aussieht, das weiß der Verband auch nicht, das alles ist ja nur ein Orientierungspunkt. Jetzt hat man erst einmal einen groben Zeitrahmen. Es ist ja nur die vorläufig erteilte Erlaubnis. Ob die Stadtverwaltung und der Verein selbst es zulassen, dass unsere Sportanlagen wieder benutzt werden dürfen, steht zudem noch auf einem ganz anderen Blatt. Was mich absolut nervt ist, dass einige Vereine mit allen Mitteln rechtlich dagegen vorgehen, um sich so zu profilieren. Wir müssen in diesen Zeiten mit vielem rechnen, auch damit, dass die Saison 2021/2022 nicht regulär oder überhaupt nicht stattfindet. "

Michael Brandl, Trainer des TSV Meckenhausen (4. Platz Kreisliga Ost): "Es ist eine vernünftige Lösung, denn irgendetwas musste ja passieren. Es ist der Weg in die richtige Richtung. Wir können uns jetzt darauf einstellen, dass wir noch mindestens vier Monate ballfrei sein werden. Ich rate meinen Jungs, dass sie einmal richtig abschalten und sich mit anderen Dingen beschäftigen sollen. In puncto Fitness habe ich bei ihnen keine Bedenken. Die wollen ja kicken und deshalb bewegen sie sich dementsprechend. Ich selbst habe mein Rennrad aus dem Keller geholt und bin schon einige Kilometer gestrampelt. Digital halten wir untereinander den Kontakt aufrecht. Vielleicht erleben wir es ja, dass wir uns in kleinen Gruppen treffen und austauschen können. Freilich sind mit diesem Datum nicht alle Probleme aus der Welt. Da wäre das Transferwesen, das aber bei uns nicht aufgegriffen werden muss, es gibt wohl keine Wechsel. Wenn einer umzieht oder ein Studium aufnimmt, dann konnte man ihn vor Corona auch nicht halten. Anders wird es in den Bayern- oder Landesligen sein. Es ist richtig, dass nicht abgebrochen wurde, weil Teams noch den Klassen erhalt schaffen und andere Meister werden können. Ich bin kein Virologe, aber mich beschleicht das Gefühl, dass wir 2020 nicht mehr gegen den Ball treten. "


Stefan Roth, Trainer der DJK Grafenberg (7. Platz Kreisklasse Süd): "Es ist eine verdammt schwierige Situation. Es ist in meiner bisherigen Trainertätigkeit das erste Mal, dass ich so etwas miterlebe. Das stellt das bisherige in den Schatten. Laufen und nochmal laufen steht seit langem auf dem Plan, dazu kommen Koordinationsübungen. Der Vorschlag des BFV ist nur sinnvoll, wenn wir drei Wochen vor dem 1. September ein gemeinsames Mannschaftstraining abhalten können. Das muss gewährleistet sein. Und da stoße ich auf die erste Problematik, denn was sagen die Behörden? Meiner Meinung nach ist nichts endgültig. Es herrscht noch immer eine gewisse Unsicherheit. Man versucht jetzt erst einmal Ordnung sowie Zielvorgaben zu schaffen. Wir hatten im März zwei Testspiele. Wir werden, wenn es dann soweit sein sollte, keinen Spielrhythmus haben. Aus der Praxis betrachtet hätte ich die Saison abgebrochen. Die Verantwortlichen hätten dann noch Zeit zu beobachten, wie es nach dem 1. September mit der Pandemie weitergeht. Die richtet sich ja nicht nach einem Datum. In 2021 hätten wir möglicherweise ganz andere Voraussetzungen, um vernünftig und gerecht zu reagieren. "

HK