Hilpoltstein - Ein Alexander Flemming in Galaform, ein Abwehrspieler, der den kühnen Hilpoltsteiner Träumen einen Strich durch die Rechnung machte und eine Schiedsrichterentscheidung, die beinahe einen Eklat ausgelöst hätte, waren die Zutaten für ein denkwürdiges Match.
Das mit Spannung erwartete bayerische Duell zwischen dem TV Hilpoltstein und dem TTC Fortuna Passau in der 2. Tischtennis-Bundesliga barg jede Menge Zündstoff. Dass die Gäste nach vier Stunden mit 6:4 die Oberhand behielten, geriet dabei fast zur Nebensache.
Jakub Folwarski gehört zu einer aussterbenden Spezies im modernen Tischtennis: Er bevorzugt die Schnittabwehr und bringt damit seine Gegner fast regelmäßig zur Verzweiflung. Der 23-jährige Pole ist seit dieser Saison in Diensten des TTC Passau und hatte dem TV Hilpoltstein schon in der Hinrunde arg zugesetzt. Auch am Sonntag war er an der Dramaturgie der Begegnung maßgeblich beteiligt. Drei von sechs Punkten für die Niederbayern gingen auf sein Konto. Zuerst im Doppel, als er dem Hilpoltsteiner Erfolgsduo Alexander Flemming/Francisco Sanchi den Zahn gezogen hatte, später im Einzel gegen den Südamerikaner, der im hinteren Paarkreuz bis dato mit 8:2 die beste Bilanz aufzuweisen hatten.
Nach gewonnenem ersten Satz lief bei Sanchi nicht mehr viel zusammen, was freilich auch seinem Jetlag geschuldet sein mag. Hilpoltsteins Shootingstar hatte den Dezember auf dem Südamerikanischen Kontinent verbracht und sich mit zwei Turniersiegen die Teilnahme an den Weltmeisterschaften 2020 gesichert. Gratulation an dieser Stelle.
Doch der Höhepunkt dieser dramatischen Begegnung sollte erst noch kommen. Es waren knapp vier Stunden gespielt, als sich Dennis Dickhardt und Folwarski beim Gesamtstand von 4:5 gegenüberstanden. Beide kämpften erbittert um jeden Ball. Dickhardt hatte sich gut auf den polnischen Defensivkünstler eingestellt. Das Spiel wogte hin und her bis zum 13:13 im dritten Satz, als sich Dickhardt nach Meinung des Unparteiischen bei eigenem Aufschlag wegen angeblichen Zeitspiels die gelbe Karte erhielt. Es war bereits die zweite in diesem Match, gleichbedeutend mit einer Punktewertung für den Gegner. Als die Tafel 13:14 als neuen Spielstand anzeigte, brodelte die Halle. Die meisten der rund 520 Zuschauer quittierten die Entscheidung mit lautstarken "Schieber, Schieber"-Rufen, eine absolute Rarität im Tischtennissport. Es entbrannte eine hitzige Diskussion, ehe Jakub Folwarski mit einem absichtlichen Fehler zum 14:14 die Situation entschärfte.
Eine riesen Geste des Polen, womit er die Gemüter ein wenig beruhigte. Und dennoch war die Entscheidung für den Neu-Passauer gefallen, denn Dennis Dickhardt hatte längst die Fassung verloren und brachte fortan kein Bein mehr auf den Hallenboden. Das Hilpoltsteiner Schicksal war besiegelt.
Zuvor hatten sich beide Mannschaften, die in den vergangenen Jahren eher in der Kellerregion unterwegs waren, ein Spitzenspiel geliefert. Passau hat seine Mannschaft verjüngt. Neues Aushängeschild ist der der erste 17-jähre Russe Maksim Grebnev, der voll einschlug. Auf die "Luxuspersonalie" Sanil Shetty, der im Notfall auch noch zur Verfügung stünde, sind die Niederbayern daher gar nicht mal angewiesen.
Bei Hilpoltstein hat sich neben Francisco Sanchi auch "unser Clickball-Heroe Alexander Flemming" (Manager Bernd Beringer) nochmals gesteigert. Flemming bringt - Ping Pong sei dank - seine Vorhand häufiger ins Spiel, wodurch er aktiver, vor allem aber unberechenbarer agiert. Verdienter Lohn waren zwei tolle Einzelsiege, die Zähler drei und vier steuerten Francisco Sanchi und Dennis Dickhardt gegen den Kroaten Ivan Juzbasic bei.
Zu wenig für den erhofften Punktgewinn des TV Hilpoltstein, der dem 0:2-Rückstand aus den Doppeln vergebens hinterhergelaufen war. Für ganz oben in der 2. Liga wird es wohl nicht reichen. Für dramatische Spiele aber allemal.
HK
Wolfgang Winkel
