Hilpoltstein
Liebe bis zum Abpfiff

Tischtennis: Seit sieben Jahren ist Andreas Neste aus Nordrhein-Westfalen Anhänger des TV Hilpoltstein

08.01.2021 | Stand 06.03.2021, 3:34 Uhr
Bei Heimspielen der Zweitligisten - hier im Bild David Reitspies (links) und Dennis Dickhard bei der Partie gegen Leiselheim - ist Andreas Neste (Bild unten) aus Nordrhein-Westfalen mit dabei. −Foto: Tschapka (Archiv), Neste

Hilpoltstein/Castrop-Rauxel - Andreas Neste mag keine halben Sachen.

 

Ein richtiger Fan schenkt seine Gunst nur einer Mannschaft und das von der Wiege bis zur Bahre. Dort, wo er herkommt, weiß man das genau: Im Ruhrpott, dem gefühlten Epizentrum innigster Fankultur. Für Anhänger von Borussia Dortmund etwa stehen Särge in Vereinsfarben bereit: Wer die Feuerbestattung vorzieht, kann seine Asche im schwarz-gelben Fußball - einer Schraub-Urne, aufbewahren lassen. Das perfekte Rundum-Sorglospaket. So wird Treue auch nach dem Abpfiff belohnt. Doch so weit würde Andreas Neste aus Castrop-Rauxel weder für die Schwarz-Gelben Borussen noch für die "Gelb-Schwarzen" vom TV Hilpoltstein gehen, dabei sind dessen Tischtennis-Spieler längst Teil seiner DNA.

Was um alles in der Welt bringt einen Mensch aus Castrop-Rauxel dazu, trotz seiner Fußball-Gene sein Herz an einen fränkischen Tischtennis-Verein zu verschenken? Was ist da schief gelaufen? Normalerweise gibt es in Castrop-Rauxel in Sachen "Fußball oder Fußball" nur zwei Möglichkeiten. Entweder Schalke oder Dortmund. Bei Neste wurde es nichts von alledem. Erklärungsversuche: "Natürlich drehte sich in meiner Familie alles um König Fußball. Mein Vater war aktiver Fußballtrainer und eingefleischter Dortmund-Fan, doch das wurde mir irgendwann zu viel. Ich musste mir eine andere Sportart suchen und für Tischtennis hatte ich ein bisschen Talent. Das ist meine Leidenschaft", sagt der 56-Jährige.

Aktiv, aber auch passiv. Neste: "Ich habe mir schon immer gerne Spiele angeschaut. In Dortmund, Herne, Hagen, oder Düsseldorf. Doch bei bestenfalls 50 Zuschauern kam einfach keine Stimmung auf. " Neste war auch in den sozialen Medien unterwegs. Bei einem Tischtennis-Forum lernte er Paul Link Junior kennen. Und der ehemalige Hilpoltsteiner Trainer lockte den Mann aus dem Pott mit den eindringlichen Worten "Du musst einfach nach Hilpoltstein kommen", tatsächlich in die Burgstadt.

Neste ließ sich nicht lange bitten und fuhr zum ersten Male die 489 Kilometer von Castrop-Rauxel nach Hilpoltstein. Dort durchlief er innerhalb von zwei Tagen bei Bier, sauren Zipfel beziehungsweise Schäufele und Kloß mit Soß eine fränkische Sozialisation der deftigeren Art. Solchermaßen gestärkt erlebte er seine Hilpoltsteiner Punktspieltaufe: Das entscheidende Drittliga-Match gegen den Post SV Mühlhausen II. Vor rund 500 Zuschauern gewann Hilpoltstein mit 6:4 und schaffte den Aufstieg in die eingleisige zweite Liga. Neste war sofort "hin und weg". Vom Spiel und der Atmosphäre drumherum. Sieben Jahre ist das jetzt her.

 

Seitdem ist er Stammgast nicht nur in der Stadthalle, sondern auch bei den Auswärtsspielen. In den vergangenen zwei Jahren hat er kein einziges Match verpasst. Und mehr als das. Für den TVH verschenkt er sogar seine beiden Dauerkarten beim BVB ("die kriegt mein Bruder") - einen größeren Liebesbeweis gibt es nicht. "Man muss eben Prioritäten setzen", lächelt Neste.

Dabei unterstützt er "seinen TV Hilpoltstein" sogar vor dem Tischtennis-Match gegen Dortmund - logistisch und kulinarisch. Die Hilpoltsteiner dürfen an den Samstagen vor den Spielen in Dortmund in der Halle von Nestes Stammverein PSV Castrop-Rauxel trainieren. Und zur Stärkung gibt es in seinem Hause noch eine ordentliche Malzeit.

2017 dann der vorläufige Höhepunkt seiner Fanlaufbahn. Das Final Four in Neu-Ulm - das Turnier der vier besten Pokalmannschaften. Die "Gelbe Hilpoltsteiner Fan-Wand" vergleicht er sogar mit der Stimmung in der legendären Südkurve im Westfalenstadion. Das ultimative Familienheiligtum. Bei der Gelegenheit hat er sich das Hilpoltsteiner Pokaltrikot gesichert. Ach ja, bei der Clickball-WM in London waren Neste und seine Frau Lilo in den vergangenen beiden Jahren auch schon zweimal, um Alexander "the flash" Flemming anzufeuern.

So hat sich in all den Jahren hat ein sehr freundschaftliches Verhältnis zur Mannschaft, dem Umfeld und nicht zuletzt zu Bernd Beringer entwickelt. Letzterer hat diesen Tischtennis-Verrückten in sein Herz geschlossen. "Wir haben uns angefreundet und sind sogar öfter miteinander in Urlaub gefahren. Zum Beispiel nach Wien. Auch gemeinsame Radtouren haben wir schon unternommen. "

Und wie ist es in Corona-Zeiten? Nicht so einfach für Neste: "Ich habe mich um mein Haus gekümmert. Zum ersten Male in meinem Leben habe ich einen aufgeräumten Keller. " Der Mann mag halt keine halben Sachen.

HK