Heideck
Einmal durch die "Hölle" und zurück

Der Heidecker Andreas Zwickel bewältigt ein Mountainbike-Rennen über 7100 Höhenmeter

20.07.2018 | Stand 23.09.2023, 4:09 Uhr
Stolz präsentiert Andreas Zwickel sein Finisher-Shirt. Die Strapazen haben sich für den 31-jährigen Heidecker gelohnt. −Foto: Foto: Regler

Heideck (HK) Die Salzkammergut Trophy ist ein Mountainbike-Rennen der Superlative; nicht nur was die Teilnehmerzahlen anbelangt, sondern vor allem aufgrund der sportlichen Anforderungen. Aus der Region haben sich mehrere Mountainbiker dieser besonderen Herausforderung in Österreich gestellt und die "Hölle" bezwungen. Einer davon war der Heidecker Andreas Zwickel.

Schon die nackten Zahlen des laut Veranstalterangaben größten MTB-Marathons in Österreich sind ehrfurchtgebietend: Auf der A-Strecke, der längsten der insgesamt sieben Varianten, haben die Athleten innerhalb von maximal 16 Stunden eine Distanz von 210 Kilometer sowie über 7100 Höhenmeter zu bewältigen. Darüber hinaus müssen fahrtechnisch knifflige Passagen überwunden werden, Schiebepassagen inklusive. Kein Wunder, dass die Organisatoren das Motto "Einmal Hölle und zurück" für ihr Event gewählt haben.

Einer der 719 Starter, der dieses extreme Radabenteuer gewagt hat, ist der Heidecker Andreas Zwickel. Eigentlich ist der 31-Jährige ja als Triathlet bei der TSG Roth aktiv, seine Bestzeit auf der Langdistanz hat er vergangenes Jahr mit 9:25 Stunden beim Challenge Roth aufgestellt. Probleme mit der Achillessehnenverletzung zwingen ihn heuer jedoch, beim Ausdauerdreikampf kürzer zu treten. Stattdessen sitzt er umso mehr auf dem Rennrad beziehungsweise Mountainbike. Durch seinen Vereinskollegen Georg Haas hatte er bereits vor einiger Zeit Wind von der berüchtigten Salzkammergut Trophy bekommen und so meldet er sich im Frühjahr für das Rennen rund um den Hallstätter See an. Die Suche nach Mitstreitern verläuft im Sande: "Die haben mich für bekloppt erklärt", erzählt er lachend. Die "Hölle" will sich keiner antun.

In der Folge investiert der Projektingenieur zwischen 15 und 20 Stunden respektive rund 300 Radkilometer pro Woche in die Vorbereitung. Die letzten zwei Monate stehen in der Regel vier Radeinheiten wöchentlich auf dem Programm, wobei er bewusst viele Höhenmeter in seine Ausfahrten einbaut. Dazu fährt er oft im Spalter Hügelland oder auch am Heidecker Hausberg, dem Schlossberg. Optimal ist das trotzdem nicht: "Was bei uns in der Gegend einfach fehlt, das sind lange Anstiege mit 1000 oder mehr Höhenmetern", sagt er. Doch gerade das wäre für ein Rennen wie im Salzkammergut wichtig, wo alleine der erste Anstieg kurz nach dem Start schon mit knapp 900 Meter Höhendifferenz aufwartet.

Am Freitag geht es dann nach Bad Goisern im Salzkammergut. Zelt aufbauen, Rad kontrollieren lassen, Zeitlimits aufs Höhenprofil kritzeln ("Mein Anspruch war eigentlich nur: diese Zeiten nicht reißen und überhaupt ankommen."), letzte Vorbereitungen für den kommenden Morgen treffen, essen; der Rest ist warten auf den Startschuss. Der fällt am nächsten Morgen schon um fünf Uhr. "Es war eine coole Stimmung am Start." Ein Teufel "jagt" die Sportler auf die Strecke, und auf dem Weg hinaus aus dem Ort brennen Feuer. Der erste lange Anstieg kommt unmittelbar danach, es geht hoch auf den Raschberg. Ab da geht es stetig auf und ab, meist auf Schotterpisten, aber auch Asphaltabschnitte und etliche - mal einfachere, mal technisch anspruchsvolle - Trails sind dabei. Kilometer um Kilometer, Höhenmeter um Höhenmeter, Stunde um Stunde kurbelt Zwickel so dem Ziel entgegen. Dabei passiert er immer wieder Teilnehmer, die mit einem Schaden am Rad kämpfen oder gestürzt sind - er bleibt von beidem verschont. Nach acht oder neun Stunden bekommt er jedoch massive Probleme mit dem Magen, muss sich zweimal übergeben. Aber der Heidecker fährt stur weiter.
Gut 60 Kilometer vor dem Ende wäre das Projekt dann beinahe doch noch abrupt zu Ende gewesen. Mit dem Salzberg wartet der Scharfrichter auf die Sportler. Rund 500 Höhenmeter am Stück, meistens auf einem Trail, und Steigungen von rund 30 Prozent sind zu überwinden. "Das war der Knackpunkt", meint Zwickel im Rückblick. "Der ist auch für die Profis richtig schwer." Als der 31-Jährige die Auffahrt beginnt, ist es kurz nach Mittag und sehr schwül. Irgendwann muss er absteigen und schieben, er bekommt Krämpfe und sehr schlecht Luft, ist kurz vorm Überhitzen. Gerade als ihm schwarz vor Augen wird, schüttet ihm einer der zahlreichen Zuschauer einen Schwall eiskalten Wassers ins Gesicht - und holt ihn so aus seinem Tief. Doch nach einer kurzen Abfahrt wartet schon der nächste Anstieg. Es geht noch einmal über 500 Meter hinauf zum höchsten Punkt der Runde. Doch auch das meistert Andreas Zwickel und nach exakt 13:00:58 Stunden rollt er in Bad Goisern über die Ziellinie, wo das heiß begehrte schwarze Finisher-Shirt für die Bezwinger der schwersten "Höllen"-Tour als Belohnung wartet.

Einen Tag nach dem Rennen lautet sein Fazit: "Geile Nummer!" Um andererseits festzustellen: "Nochmal muss ich das nicht wirklich haben." 13 Stunden Hochleistungssport, in denen man sich "ständig vollkommen konzentrieren und den Körper immer auf Spannung halten" muss, sind einfach kein Zuckerschlecken. Selbst für einen Langdistanztriathleten nicht. "Die Kombination aus physischer und mentaler Belastung" mache das Rennen tatsächlich irgendwann zur Hölle.
Neben Andreas Zwickel waren auch vier Athleten des Hilpoltsteiner MTB-Teams Wilier Force Germany in Bad Goisern am Start. Dabei deklassierte die Rotherin Rebecca Robisch auf der mit gut 1500 Höhenmetern gespickten 53-Kilometer-Runde das Damenfeld. Mit beeindruckenden 20 Minuten Vorsprung holte sie sich nach 2:38:25 Stunden den Sieg. Der Hilpoltsteiner Matthias Seitz nahm die laut Team-Pressemitteilung technisch anspruchsvolle All-Mountain-Distanz über 55 Kilometer und 1800 Höhenmeter unter die Räder und wurde in 3:02:48 Stunden 14. der Gesamtwertung und Sechster seiner Altersklasse.

Andreas Regler