Hilpoltstein
Eine Tischtennis-Saison in Zeiten von Corona

Ohne Heim-Zuschauer und Doppel: Hilpoltsteins Zweitliga-Spieler vor dem Start in eine außergewöhnliche Spielzeit

04.09.2020 | Stand 23.09.2023, 13:55 Uhr
Gerüstet für die neue Saison: Die Hilpoltsteiner Spieler Dennis Dickhardt (von links), David Reitspies, Hermann Mühlbach, Hannes Hörmann und Alexander Flemming gehen trotz der außergewöhnlichen Umstände zuversichtlich in die neue Spielzeit der 2. Bundesliga. −Foto: Enzmann

Hilpoltstein - Keine Zuschauer bei Heimspielen, dafür ein neues Spielsystem ohne Doppel: Die Tischtennisspieler des TV Hilpoltstein befinden sich in den letzten Zügen der Vorbereitung auf eine Zweiliga-Saison, wie sie es so noch nie zuvor gegeben hat.

 

Vor allem weil mit dem Publikum der fünfte Mann fehlt und die 2. Bundesliga in diesem Jahr wohl so ausgeglichen sein wird wie selten, stellen sich die Hilpoltsteiner auf eine knallharte Saison ein.

Wie hart das Verbot von Zuschauern die Hilpoltsteiner trifft, machte Abteilungsleiter Robert Nachtrab den anwesenden Journalisten und Sponsoren am Freitagmittag zu Beginn der Auftakt-Pressekonferenz in der Pyraser Brauerei deutlich. "Für uns ist das im doppelten Sinne bitter. Bei fast 400 Zuschauern in jedem Heimspiel bricht uns damit ein wichtiger Eckpfeiler unserer Einnahmen weg. " Umso wichtiger seien in diesem Zusammenhang die Sponsoren. "Auch dank ihnen haben wir gute Rücklagen gebildet, trotzdem ist natürlich schon jetzt klar, dass wir die Saison mit einem dicken Minus abschließen werden", sagt Nachtrab. Und dann ist da natürlich die fehlende Unterstützung von den Rängen, die in Hilpoltstein so ausgeprägt ist, wie bei keinem anderen Zweitligisten. "Der Tischtennissport lebt bei uns von den Emotionen und der Begeisterung, dass Zuschauer nicht zugelassen sind, tut uns extrem weh. " Dennis Dickhardt, der mittlerweile seit 2011 fester Bestandteil der Hilpoltsteiner Mannschaft ist, fügt hinzu: "Das Publikum hat uns in den vergangenen Jahren definitiv stärker gemacht, nicht umsonst sprechen viele unserer Gegner immer wieder vom Hexenkessel Hilpoltstein. "

Was bei alldem noch dazu kommt: In keinem anderen Bundesland wie in Bayern sind die Vorgaben so streng. Wenn die Hilpoltsteiner also am kommenden Sonntag, 12. September, ihr Auftaktspiel bei Borussia Dortmund bestreiten, sind in der dortigen Sporthalle in Dortmund-Brackel voraussichtlich bis 300 Zuschauer zugelassen. "Ein klarer Nachteil für uns", sagt Nachtrab. Die Hoffnung, dass Publikum zumindest bei ein paar Heimspielen der Hilpoltsteiner noch zugelassen werden könnte, hat der TV-Abteilungsleiter indes noch nicht komplett aufgegeben. "Der Bayerische Fußball-Verband macht ja momentan Druck, ich hoffe, dass er damit Erfolg hat und dann alle Sportarten davon profitieren. "

Um die Tischtennisbegeisterten Hilpoltsteiner trotzdem an den Heimspielen teilhaben zu lassen, plant die Abteilungsführung einen Livestream, der auch den ein oder andere Euro in die Kasse spülen soll. "Es sind noch ein paar lizenzrechtliche Fragen zu klären, wir hoffen aber, diesen im ersten Heimspiel im Oktober anbieten zu können", sagt Ulrich Eckert.

Um die Auflagen von der Bayerischen Staatsregierung zu erfüllen, geben sich die Hilpoltsteiner seit Monaten größte Mühe. "Und es geht nicht nur um das Rahmenkonzept der Regierung, sondern auch um die Richtlinien des Deutschen Tischtennis Bundes (DTTB). Wir haben aber unsere Hausgaben gemacht und sowohl für die Pokalvorrunde an diesem Sonntag als auch für die Heimspiele in der Liga ein Hygienekonzept ausgearbeitet. "

Besonders gravierend ist eine Änderung: Von der Bundesliga bis zur Regionalliga findet zumindest die Vorrunde der Saison ohne Doppel statt. "Für die 2. Bundesliga bedeutet das, dass wir insgesamt acht Einzel haben und alle werden auch komplett durchgespielt, ein Spiel kann also beispielsweise 8:0 ausgehen, in der Regionalliga werden es zwölf Einzel sein", erläutert Nachtrab. Ob dieses System für die Hilpoltsteiner zum Vor- oder Nachteil wird, wird sich zeigen. "Die Doppel liefen in der letzten Spielzeit eh nicht so, von daher können wir guten Mutes in die Saison gehen", sagt Kapitän Alexander Flemming. "Und natürlich ist es so, dass es Auswirkungen auf die Einzel hat, wenn du die Doppel zuvor verloren hast, jetzt können wir uns voll auf die Einzel konzentrieren. "

Doch Doppel hin oder her, die Hilpoltsteiner müssen sich auf ein "ganz, ganz hartes Jahr" einstellen, wie Ulrich Eckert prophezeit. "Als ich gesehen habe, wie die anderen Mannschaft trotz der Coronavirus-Pandemie in diesem Jahr aufgestellt sind, war ich fast ein bisschen entsetzt", sagt Eckert. "Die QTTR-Werte der einzelnen Mannschaften sind so stark wie nie, Kleinigkeiten können über Sieg und Niederlage entscheiden und so eine Kleinigkeit kann zum Beispiel die Unterstützung der Zuschauer sein. "

Der TV Hilpoltstein liegt in der anstehenden Saison, legt man die QTTR-Werte zu Grunde, auf dem achten Platz der zehn Zweitliga-Teams, weshalb es für die Burgstädter darum gehen wird, schnell die nötigen Punkte für den Klassenerhalt zu sammeln. "Wir wollen sofort punkten, um uns gleich ein Polster auf die hinteren Plätze zu verschaffen", sagt Alexander Flemming. Sein Teamkollege Dennis Dickhardt ist überzeugt, dass dies dem TV auch ohne die Unterstützung des Publikums gelingen kann. "Die mannschaftliche Geschlossenheit war in Hilpoltstein schon immer einzigartig, hier freut sich jeder über den Punkt des anderen. Das muss unser Trumpf für diese Saison sein. "

Zumal auch die Vorbereitung trotz Corona gar nicht so schlecht gelaufen ist. Zwar kann die Mannschaft erst seit vergangenem Sonntag gemeinsam in der Stadthalle trainieren, doch auch im Einzeltraining war das TV-Quintett fleißig. So nahm etwa Hilpoltsteins Nummer eins, David Reitspies, in den vergangenen Monaten an einem Turnier in Prag teil. Von Mitte März bis heute absolvierte er sage und schreibe 370 Spiele. Flemming, der auch heuer als Nummer zwei an den Start geht, trainierte Zuhause in Sachsen ebenfalls fleißig und auch die Nummer drei, Dennis Dickhardt steht dank intensiver Einheiten am hessischen Landes-Stützpunkt voll im Saft. Wie berichtet, wird er sich im hinteren Paarkreuz mit Neuzugang Hermann Mühlbach und Toptalent Hannes Hörmann abwechseln. Bei Mühlbach, der vom TTC GW Bad Hamm an die Burgstadt wechselte und schon lange mit Flemming und Dickhardt befreundet ist, sind es vor allem dessen Aufschläge, die seinen Teamkollegen Respekt abnötigen. "Die müsst ihr euch anschauen", schwärmt Flemming. "Er wirft den Ball dabei fast bis ans Hallendach und bringt dann so einen brachialen Schnitt hinein, dass mir die Bälle immer wieder um die Ohren fliegen. " Bei Hörmann hoffen die Hilpoltsteiner derweil auf den nächsten Entwicklungsschritt. "Er hatte letztes Jahr im Doppel mit einer 3:0-Bilanz eine bessere Statistik als wir alle und auch im Einzel hatte nicht mehr viel gefehlt", sagt Flemming. Im Spielrhythmus befindet sich der vierfache Sportler des Jahres im Landkreis Roth jedenfalls. "Ich habe diese Woche jeden Tag in Hilpoltstein trainiert und zuvor regelmäßig am bayerischen Landes-Stützpunkt, ich fühle mich top fit. "

Weil die Hilpoltsteiner nach dem Auftakt in Dortmund erst Mitte Oktober wieder im Einsatz sind, soll Hörmann zunächst auch viel Spielpraxis in der mit vier Toptalenten gespickten Regionalliga-Mannschaft sammeln, die anders als die erste Mannschaft von Beginn an ganz oben mitspielen möchte.

HK

 

 

Christoph Enzmann