Hilpoltstein
"Der Bann ist gebrochen"

Auch dank Hannes Hörmann feiern Hilpoltsteins Tischtennisasse ihren ersten Heimsieg gegen Dortmund

08.03.2020 | Stand 02.12.2020, 11:47 Uhr
Immer näher an das Niveau in der 2. Bundesliga heran kommt Hannes Hörmann. Das beweist das Top-Talent des TV Hilpoltstein gestern an der Seite von Alexander Flemming. Das Duo siegt im Doppel gegen die Dortmunder Fedor Kuzmin und Kirill Fadeev. −Foto: Tschapka

Hilpoltstein - Genie und Wahnsinn, Emotionen und Entgleisungen, dazu weltmeisterliche Akrobatik und eine schmerzhafte Verletzung: Die an Vorkommnissen reiche Zweitliga-Begegnung zwischen dem TV Hilpoltstein und dem BV Borussia Dortmund war aufgeladen wie selten ein Tischtennismatch.

 

Dass die Hilpoltsteiner am Ende mit 6:3 die Oberhand behielten und damit die Negativ-Heimserie gegen die Westfalen brachen, geriet dabei fast zur Nebensache.

Gestern Nachmittag standen sich zwei illustre Mannschaften gegenüber, die zunächst einmal eine Menge Gemeinsamkeiten haben. Ähnlich ist nicht nur die offizielle Trikotfarbe Gelb-Schwarz, sondern auch die Vereinsphilosophie. Beide achten auf Kontinuität und haben seit Jahr und Tag deutsche Spieler unter Vertrag. Bei Hilpoltstein sind das Dennis Dickhardt und Frontmann Alexander Flemming. In Dortmund ist Erik Bottroff längst zu einer Gallions- und spätestens seit gestern auch zur Reizfigur geworden.

Flemming und Bottroff kennen und schätzen sich aus gemeinsamen Döbelner Zeiten. Und seit vergangenem Jahr spielen sie auch ein erfolgreiches Doppel, das bei den deutschen Meisterschaften vor genau einer Woche bereits zum zweiten Male Bronze holte. Doch wenn sie aufeinandertreffen, ist Schluss mit lustig. Da hat meist Bottroff, der nicht nur aufgrund seiner stattliche Körpergröße von 2.04 Meter ein "Riesenspieler" ist, das bessere Ende.

Der Lange weiß auch mit Ball und Schläger vorzüglich umzugehen. Seine fast ansatzlos geschossene Rückhand ist ganz einfach eine Augenweide. Was Flemming auch probierte, meist hatte Bottoff, dessen Zauberschläge ein ums andere Mal ihr Ziel fanden, Vorteile. Und Flemming tat sich zwei Sätze lang schwer, das variantenreiche Spiel seines Gegenüber zu verhindern und den Borussen in Bewegung zu bringen.
Dann passierte das Malheur. Flemming fasste sich an die Schulter, die er sich bei einer heftigen Bewegung gezerrt hatte. Es folgte eine zehnminütige medizinische Auszeit. Danach lag er plötzlich mit 4:1 in Führung. Bottroff hatte den Faden und dann auch die Fassung verloren und gab einen lautstarken Kommentar zum Besten: "Bei mir zwickts jetzt auch. " Immerhin brachte er das Match noch nach Hause, doch seine Nerven lagen fortan blank.

Bei seinem zweiten Einzel gegen den blendend aufgelegten David Reitspies schweifte er mit seiner Aufmerksamkeit mehr zum Nachbartisch, wo sich ein heftiger Disput entspann, doch davon später mehr. Der Riese verlor seine spielerische Linie vollends und unterlag Hilpoltsteins Nummer eins sang- und klanglos mit 0:3.

Zu diesem Zeitpunkt hatte nicht nur er die Sympathien der rund 440 Besucher in der Stadthalle verspielt. Weitaus gravierender waren die Begleitumstände beim Duell der beiden Youngster Francisco Sanchi und Kirill Fadeev. Die Dortmunder Bank in Person von Fadeevs Vater Jevgenij hatte schon im Hinspiel Sanchis verdeckte Aufschläge heftig moniert. Sie seien nicht zu sehen, intervenierte der ehemalige russische Nationalspieler mehrfach. Dabei legte er sich mit dem Unparteischen Martin Herzog an. Es folgte ein heftiger verbaler Schlagabtausch, den die Zuschauer mit einem Pfeifkonzert quittierten. Spätestens jetzt war die Atmosphäre vergiftet. Wenigstens behielt Sanchi die Kontrolle und holte sich - im Gegensatz zu Vorrunde - das Spiel im fünften Satz. Es war die Entscheidung, nachdem zuvor Dennis Dickhardt (3:0 gegen Nagy) fast unter dem Radar ebenfalls gewonnen hatte.

"Der Bann ist gebrochen", verkündete nach über drei Stunden Spielzeit Team-Manager Bernd Beringer, der zuvor noch für eine Überraschung gesorgt hatte. Nach zuletzt eher überschaubaren Leistungen hatte er Nachwuchsspieler Hannes Hörmann im Doppel aufgestellt. Eine Maßnahme, die sich prompt auszahlte. Der Jugend-Nationalspieler harmoniert mit Alexander Flemming prächtig und gewann nach Leiselheim und Köln auch im dritten Einsatz. Da tut sich schon jetzt eine Alternative auf, an der die Hilpoltsteiner künftig noch viel Freude haben dürften.

Doch die Veranstaltung hatte nicht nur aufregendes, sondern auch anregendes zu bieten. In der Pause hieß es Bühne frei für Milena Slupina, zweifache Weltmeisterin im Kunstradfahren und Sportlerin des Jahres im Landkreis Roth. Die 24-jährige vom TSV Bernlohe zeigte Ausschnitte ihrer weltmeisterlichen Kür. Mit einem ausgeprägten Gefühl für das Gleichgewicht, dazu einer schier unglaublichen Körperbeherrschung ausgestattet, verzauberte sie das Publikum, drehte Pirouetten auf dem Kunstrad, zeigte einen Handstand, fuhr rückwärts, nahm das Rad hoch und balancierte auf einem Reifen. Ganz großes Kino!

HK