Allersberg/Rednitzhembach
"Boxen schult den Charakter"

Alfred Hörauf ist als Kampfrichter auch schon beim traditionellen Kirchweihboxen in Allersberg in den Ring gestiegen

29.04.2021 | Stand 23.09.2023, 18:17 Uhr
Fliegende Fäuste im Allersberger Bierzelt: Viele Zuschauer verfolgen im Jahr 2012 den Kampf der Auswahl des 1. FC Nürnberg (Marten Arsumanjan im blauen Trikot) gegen den BC Regensburg. Auch hier war Alfred Hörauf immer wieder vertreten. −Foto: Sturm (Archiv), Hochreuther

Allersberg/Rednitzhembach - Im April 1995 fanden sich an einem Sonntagmorgen allerspätestens gegen 5 Uhr fast vier Millionen Deutsche vor dem Fernseher ein und fieberten dem Boxkampf zwischen Axel Schulz und George Foreman in Las Vegas entgegen.

Wer zu den Zuschauern gehörte, dürfte sich noch heute an den "Fight" erinnern. Weil völlig überraschend der junge Herausforderer aus Berlin den rund 20 Jahre älteren Schwergewichts-Weltmeister aus den USA nach Ansicht fast aller Fans (und Experten) besiegt hatte. Es gibt ein eindrucksvolles Bild nach dem finalen Gong, als "Big George" mit dem Kopf nach unten in seine Ecke schleicht, während Schulz die Arme zum Siegesjubel hochreißt. Aber: Die Punktrichter werteten den Kampf zugunsten von Foreman - und vier Millionen Zuschauer blieben verärgert und irritiert zurück.

Alfred Hörauf gehörte nicht zu diesen Menschen. "Profiboxen ist eine Geldsache, davon halte ich nicht viel, ich habe den Kampf damals gar nicht gesehen", sagt der gebürtige Schwabacher, der seit vielen Jahren in Rednitzhembach wohnt, achselzuckend. Denn das Metier des 67-Jährigen ist das Amateurboxen. Und zwar in all seinen Facetten, weshalb er die Regeln des Boxsports aus verschiedenen Perspektiven beleuchten kann. Sieben Jahre war "Atschi" Hörauf als Aktiver im Ring unterwegs, es folgte eine 25-jährige Trainerkarriere (in Schwabach und Stein), auf die er heute hörbar stolz ist. Er formuliert es bewusst überspitzt: "Ich habe aus Streunern und Lausbuben anständige Leute gemacht. " Denn Hörauf ist überzeugt: "Boxen schult den Charakter. " Weil die Einhaltung der Regeln im und neben dem Ring "sehr wichtig" ist.

Grundsätzlich geht es dabei immer um die Gesundheit der Sportler. "Ich würde mein Enkelkind ohne Weiteres zum Boxen schicken", sagt Alfred Hörauf, der im Bayerischen Amateur-Box-Verband (BABV) nach dem Ende seines Trainerdaseins inzwischen seit sieben Jahren als 2. Landessportwart fungiert. Und der in den vergangenen Jahren auch seine Scheine zum Kampfrichter gemacht hat, also als Ringrichter und Punktrichter eingesetzt wird. Was er eigentlich gar nicht angestrebt hatte. "Ich wollte mich nicht in einem Bierzelt von Betrunkenen beschimpfen lassen", sagt Hörauf mit Blick auf die - in Zeiten vor Corona - auch in der Region beliebten Box-Veranstaltungen mit lokalen Vereinen bei Kirchweihen. Zum Beispiel, wenn die FCN-Staffel beim traditionellen Kirchweihboxen im Allersberger Festzelt zu Gast war, wo freilich auch Hörauf immer wieder vertreten war.

Sind 300 Zuschauer im Zelt, kennen 100 davon die Regel, schätzt "Atschi" Hörauf. "Box-Publikum", nennt er das. Der Rest? Kann an einem Frühschoppen-Sonntag schon mal schimpfen über Entscheidungen des Kampfgerichts, das neben dem Ringrichter aus drei (oder fünf) Punktrichtern besteht. Wobei, "heute ist es besser geworden, früher war das schlimmer, da waren viele noch vom Vortag da", erinnert sich Hörauf schmunzelnd. Und fügt ernst hinzu: "Vor jedem Jungen oder Mädel, das vor 100 oder mehr Zuschauern in einem Festzelt in den Ring steigt, ziehe ich den Hut. " Und so hat sich auch der langjährige Trainer und BABV-Funktionär Alfred Hörauf ein Herz gefasst und seine Scheine zum Kampfrichter gemacht. Das sind zumeist ehemalige Boxer, die mit den Gegebenheiten im und am Ring vertraut sind.

Die Grundregeln sind dabei nachvollziehbar - und haben es vielleicht deshalb auch in den allgemeinen Sprachgebrauch geschafft. Wer kann mit Begriffen wie "Schläge unter die Gürtellinie" oder "das Handtuch schmeißen" nichts anfangen? Letzteres steht dem Betreuer eines Boxers als Möglichkeit zum sofortigen Abbruch des Kampfes zu, den ansonsten das Kampfgericht auf Anraten des Ringarztes - ohne den im Boxen überhaupt nichts geht - vornehmen kann. Ersteres ist genauso verboten wie Schläge gegen die Nieren oder auf den Hinterkopf, mit der Innenhand oder der Rückhand. Bud-Spencer-Fans wissen sofort Bescheid, wenn "Atschi" Hörauf die untersagten Hammerschläge erwähnt. Zu prüfen vor den Kämpfen sind auch die richtig gewickelten Bandagen um die Hände, die passende Polsterung der Handschuhe (Unzenzahl) sowie das korrekte Tragen des Kopfschutzes (bis zur Vollendung des 18. Lebensjahrs) und des Zahnschutzes. Ausgelegt sind alle Regeln laut Hörauf genau drauf, dass "die Athleten fit und gesund bleiben". Vor allem im Nachwuchsbereich, der Hörauf besonders wichtig ist. Zum Beispiel auch jene ungeschriebene Regel, "dass ich einen Boxer mit der Erfahrung von drei Kämpfen nicht gegen einen mit 20 antreten lasse; das müsste schon ein Supertalent sein", sagt Hörauf.

Gewertet werden die Amateurkämpfe - wenn kein K. o. oder Abbruch durch das Kampfgericht vorausgeht - nach drei Runden. Nach jeder Runde nehmen die Punktrichter unabhängig voneinander eine Wertung nach Punkten (bis zehn) zugunsten eines Boxers vor, am Ende wird addiert und ein Punktsieger steht fest. Nun können die Punktrichter schon zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen. Weil beispielsweise einer einen Treffer nicht richtig mitbekommen hat, da ihm die Sicht durch einen der Boxer versperrt war. Was übrigens auch der Ringrichter immer buchstäblich im Hinterkopf haben muss. "Ein Ringrichter muss sich mit den Boxern bewegen und sollte sich dabei nicht im Blickfeld der Punktrichter aufhalten", sagt Hörauf. Einen Videobeweis gibt es schließlich nicht. Eine schweißtreibende Angelegenheit, weshalb sich die Kampfrichter bei längeren Box-Veranstaltungen auch abwechseln.

Und was auch passieren kann: "Wenn es ganz knapp zugeht, was ja übrigens der Wunsch von fast allen Beteiligten ist, dann ist es für einen Punktrichter auch mal Ansichtssache und kommt auf das Verhalten des Boxers an. Wer hat zum Beispiel die Initiative im Kampf übernommen, wer war der aktivere Boxer? "

Am 22. April 1995 war das eigentlich alles klar - und dennoch hieß der Sieger George Foreman, und nicht Axel Schulz. "Im Amateurboxen würde so etwas nicht passieren", versichert Alfred "Atschi" Hörauf. Weil es nicht um den schnöden Mammon geht. Und weil es klare Regeln gibt.

HK

Mathias Hochreuther