Hilpoltstein
Alexander Flemming gewinnt Ping-Pong-Masters

Turnier in England: Dem Hilpoltsteiner gelingt die Revanche im Finale gegen den vierfachen Weltmeister Andrew Baggaley

25.01.2021 | Stand 24.03.2021, 3:34 Uhr
Jubel und Erleichterung: Alexander Flemming gewinnt im Finale gegen Andrew Baggaley. −Foto: Matchroom Sports

Coventry/Hilpoltstein - Alexander "The Flash" Flemming hat am späten Sonntagabend Sportgeschichte geschrieben: Der Kapitän des Tischtennis-Zweitligisten TV Hilpoltstein darf sich nach einem aufregenden Wochenende bei der Premiere der "Matchroom Launch World Ping Pong Masters" mit dem Titel schmücken und 25000 US-Dollar mit nach Hause nehmen.

Moment mal, eigentlich sollte an diesem Wochenende die zehnte Auflage der "World Championships of Ping Pong" im Alexandra Palace stattfinden. Doch die strengen Hygienestandards waren an diesem Schauplatz nicht umzusetzen. Und nicht nur das. Nach den Absagen der meisten Teilnehmer aus Übersee und nicht zuletzt der chinesischen Mannschaft wären die Europäer unter sich gewesen, so dass von einer "Weltmeisterschaft" im eigentlichen Sinne des Wortes keine Rede mehr sein konnte.

Was also tun? Den Termin komplett ausfallen zu lassen, war keine Option, zu kostbar war schließlich der etablierte Sendeplatz. So machte der Veranstalter "Matchroom Sport" aus der Not eine Tugend, setzte ein lange gehegtes Projekt um und installierte die "Masters". Das neue, etwas kleinere Format soll neben der Weltmeisterschaft und dem Weltcup, der in China ausgetragen wird, als dritter Baustein fester Bestandteil des Turinerplans werden. Ein weiterer Schritt, den Ping-Pong-Sport, der in Deutschland auch Clickball genannt wird, zu etablieren.

Fehlte nur noch der geeignete Ort, um eine "Sportlerblase", fernab von den Verlockungen und den Ansteckungsrisiken der Themse-Metropole, zu bilden. Nach einer intensiven Suche wurde in Coventry, einer überschaubaren Industriestadt 153 Kilometer nordwestlich von London, ein neues Domizil gefunden. Nicht so glitzernd wie die Hauptstadt, eher beschaulich, aber wohl genau das Richtige in diesen Pandemie-Zeiten. Bei den Aktiven kam das gut an, was nicht zuletzt der Dotierung geschuldet war. Allein die Teilnahme wurde schon mit 1500 US-Dollar honoriert.

Entsprechend motiviert gingen die 32 Teilnehmer - unter ihnen neben Alexander Flemming noch zwei weitere Deutsche - an den Start. Genia "Goldfinger" Milchin vom Drittligisten SC Buschhausen und Sabine Winter, die eine Wild Card erhielt und am Samstagabend für Furore sorgte.

Die 28-jährige deutsche Nationalspielerin vom Tischtennis-Bundesligisten TSV Schwabhausen machte nämlich ihrem Kampfnamen "Miss Blizzard" alle Ehre. Nach einem Freilos in der Vorrunde stürmte sie mit einem hart umkämpften Fünf-Satz-Sieg gegen den Franzosen Bryan Aiglemont in das Viertelfinale. Nach dem sensationellen Auftritt strahlten Winter und Alexander Flemming, der ihr im Vorfeld des Turniers das Ping Pong-Einmaleins beigebracht hatte, um die Wette.

Am Sonntag war dann gegen Andrew Baggaley Endstation für Winter. Und auch wenn der vierfache Weltmeister eine Nummer zu groß war, durfte die einzige Frau des Turniers mit ihrem Abschneiden in Coventry rundherum zufrieden sein: "Es war eine sehr interessante Erfahrung", sagte sie im Anschluss. Die 4000 US-Dollar "Schmerzensgeld" hatte sie sich redlich verdient. Und nicht nur das. Winters hartes und kompromissloses Spiel scheint für Ping Pong geradezu prädestiniert. "Miss Blizzard" könnte das weibliche Pendant zu "The Flash" werden.

Womit wir beim Blitz aus Hilpoltstein sind, dessen Weg zum Titel durchaus holprig war. Der Start ins Turnier verlief für den an Nummer zwei gesetzten Flemming noch unerwartet glatt. Das erste Spiel eines Wettbewerbs ist bekanntlich immer etwas Besonderes: "Ich wusste nach all den Wochen und dem Fehlen eines ernsthaften Wettkampfvergleichs nicht, wo ich stehe. " Nun, nach dem klaren 3:0 über den Rumänen Lucian Filimon kurz nach Mitternacht wusste er es. Die Form stimmte schon einmal.

Doch die großen Hürden sollten erst noch kommen. Am Sonntag hatte Flemming Schwerstarbeit zu verrichten und musste beim Viertel- und Halbfinale gleich zweimal über die volle Distanz von fünf Sätzen gehen. Beeindruckend war vor allem, wie er das Halbfinale gegen den Engländer Chris Doran nach einem 0:2-Rückstand noch drehte. Damit war der Weg ins Finale frei.

Dort traf er auf einen guten, alten Bekannten. Gegen Andrew Baggaley, "King of Ping" genannt, der ihn vor einem Jahr in einem spannenden WM-Finale mit 3:2 geschlagen hatte. Doch am Sonntag ließ "The Flash" nichts anbrennen und nahm mit einem in der Höhe kaum für möglich gehaltenen 3:0 Revanche. Als es vollbracht war, stieß Flemming einen Schrei unter die Kuppel der Ricoh-Arena on Coventry aus. Wenig später hielt er den glänzenden trapezförmigen Siegerpokal in die Höhe. "Mir tut alles weh. Ich bin müde, aber überglücklich, diesen großartigen Gegner bezwungen zu haben", sagte der 33-Jährige nach dem Finale ins Mikrofon. Denn nur wenige Minuten Pause trennten die lange Fünf-Satz-Schlacht vom Finale. "Es war möglicherweise mein bisher bestes Match. "

Zugleich war es sein erster großer Sieg auf englischem Boden. Das lässt für die Weltmeisterschaften, die zwar verschoben, aber keineswegs aufgehoben sind, einiges hoffen. Dann nämlich kann "The Flash" erneut Sportgeschichte schreiben.

HK