Eichstätt
"Mit Instinkt, Logik und Bauchgefühl"

Mit großem Erfolg ist Ex-Spieler Dominik Schmidramsl beim VfB Eichstätt für das Scouting verantwortlich

17.04.2020 | Stand 02.12.2020, 11:31 Uhr
Aus unterklassigen Ligen gekommen, haben sich Fabian Eberle (von links), Atdhedon Lushi und Florian Lamprecht längst zu Leistungsträgern im Regionalliga-Team des VfB entwickelt. Dass es so gekommen ist, ist auch das Verdienst von Dominik Schmidramsl. −Foto: Traub (Archiv)

Eichstätt - Auf der Suche nach unerkannten Talenten und neuen Hoffnungsträgern für den Fußball-Regionalligisten VfB Eichstätt grast Dominik Schmidramsl (kleines Foto) im Umkreis von ungefähr 80 Kilometer den Markt ab.

 

Doch die Jagd nach Rohdiamanten ist mühselig. Nicht selten spielt im hart umkämpften Geschäft auch das Geld eine Rolle - und in diesem Bereich sind die Grünhemden wahrlich kein "Big Player".

Neben seiner Erfahrung als Fußballer mit über 400 Pflichtspielen für den MTV Ingolstadt und den TSV Rain am Lech sowie seinen Heimatverein setzt Schmidramsl bei den Spielertransfers hauptsächlich auf eine "Mischung aus Instinkt, Logik und Bauchgefühl", wie er sagt. Der Mittelschullehrer an der Schottenau in Eichstätt wirkt bereits seit dem Ende seiner aktiven Laufbahn im Sommer 2015 als Mann im Hintergrund, abseits von der öffentlichen Wahrnehmung, an der Kaderplanung mit. Vor wenigen Monaten ist er zum stellvertretenden Vorsitzenden gewählt worden und steht - so wie einst als Führungsspieler - nun zwangsläufig wieder mehr im Rampenlicht. Gemeinsam mit Abteilungsleiter Hans Benz sowie der Unterstützung von Ex-VfB-Spieler Marco Schiebel streckt Thomas Heins Mitstreiter an der VfB-Spitze seine Fühler nach potenziellen Neuverpflichtungen aus.

Unabdingbar ist dabei ein engmaschiges Netzwerk in der regionalen Fußballszene. "Denn", so erklärt der ehemalige Abwehrspieler, "das Scouting hat sich in den vergangenen Jahren sehr stark verändert". So ist er also nicht ständig zwischen Pfaffenhofen und Nürnberg oder Nördlingen und Ehekirchen auf irgendwelchen Fußballplätzen dieser Region unterwegs, um das nächste Talent zu entdecken. Vielmehr heißt das Zauberwort "Videosichtung". Hauptsächlich sind es aber die guten Kontakte. Und diese hat sich der 38-Jährige in den vergangenen fünf Jahren reichlich aufgebaut. "Ich kenne in jeder Liga mindestens fünf Trainer, von denen ich mir eine Expertenmeinung aus erster Hand einholen kann. Wünschenswert ist, dass wir einen Spieler aus unterklassigen Ligen finden, den wir groß machen können", sagt er.

Beispielhaft für eine gelungene Transferpolitik nennt er die Namen von Philipp Federl (Bezirksligist TSV Jetzendorf), Julian Kügel (Bezirksligist TV Aiglsbach) und Atdhedhon Lushi (Kreisligist FC Hepberg). Oder aber auch Florian Lamprecht (Bayernligist TSV Nördlingen), der Schmidramsl bei einem Testspiel des VfB aufgefallen war.

 

Dominik Schmidramsl verfolgt ein Spiel nämlich immer aus zwei Perspektiven. Dabei wird das eigene Team nur nebenbei beobachtet, die Konzentration liegt auf den Aktionen des Gegners: Wie bewegt sich ein Spieler, wie löst er brenzlige Situationen oder wie verhält er sich bei einem Konter. Auch Fabian Eberle hatte vorher bei der TSG Solnhofen ?nur' in der Bezirksliga gespielt. "Bei ihm habe ich vier Jahre gebraucht, bis ich ihn für einen Wechsel zu uns überzeugen konnte", blickt Schmidramsl zurück und verdeutlicht: "Die Trefferquote liegt geschätzt bei eins zu zwanzig. " Erstens, dass der Spieler überhaupt zum VfB will, und zweitens, dass er der Mannschaft dann auch sportlich weiterhilft.

Das Profil - zum Beispiel großgewachsener Innenverteidiger mit linkem Fuß oder pfeilschneller Stürmer auf der Außenbahn - gibt Trainer Mattes als sportlich Verantwortlicher vor. Schmidramsl erstellt dann mithilfe seines Netzwerkes und unter Einbeziehung öffentlich zugänglicher Statistik-Datenbanken eine Liste, die gemeinsam abgearbeitet wird. Schließlich wird der Wunschspieler kontaktiert und bei Interesse zu einem Probetraining eingeladen. "Nach zwei bis drei Einheiten fällt der Trainer sein Urteil, wobei man schon sagen muss, dass er einen sehr hohen Anspruch hat und viele durch das Raster fallen lässt", berichtet Schmidramsl. Die Schnelligkeit eines Spielers nimmt in der heutigen Zeit einen immer größeren Anteil am Gesamtpaket ein. Hinzu kommen Eigenschaften wie Zweikampf- und Kopfballstärke, Stellungsspiel, taktisches Vermögen, Lauffreudigkeit, in Bedrängnis Lösungen finden und Aggressivität.

Gibt Cheftrainer Mattes seine Zustimmung, dann werden weitere Verhandlungen geführt. In 80 Prozent der Fälle laufen die Vertragsdetails mittlerweile über einen Agenten. "Ich werde aber niemals einen Vertrag nur mit einem Spielerberater abschließen", sagt Schmidramsl und verweist auf die Bedeutung der zwischenmenschlichen Ebene bei den "Jungs". Kurzum: Der Charakter eines Fußballers steht noch immer über seinen sportlichen Fähigkeiten. Auch hier verlassen sich die VfB-Verantwortlichen vorwiegend auf Aussagen von Außenstehenden. Positive Attribute sind Bodenständigkeit, Vereinstreue oder aber auch das Verhalten außerhalb des Platzes. Die Social-Media-Plattformen der betroffenen Akteure durchstöbert Schmidramsl im Vorfeld nicht: "Da vertraue ich lieber auf meine Menschenkenntnis und den Empfehlungen meiner Kontakte. "

Die aktuellen Vertragsverhandlungen gestalten sich im Allgemeinen aufgrund der Corona-Krise schwierig. Den Vereinen fehlt einfach die Planungssicherheit, wie, wann und ob es überhaupt weitergeht. Neben den fehlenden Einnahmen aus den Heimspielen (Tickets und Bewirtung) sind auch eventuelle Regressansprüche von Sponsoren noch nicht ausgestanden. Nach dem Verlängern der Ausgangsbeschränkung geht Schmidramsl nicht von einer baldigen sportlichen Fortsetzung im Amateurbereich aus. "Ich glaube, dass Fußballspiele unter den Begriff der Großveranstaltung fallen und wir deshalb vor dem 1. September keine Spiele sehen werden. Unabhängig davon können wir mit der Situation relativ gut umgehen, weil wir heuer mit den Vertragsverlängerungen Gott sei Dank schon frühzeitig dran waren. "

Leistungsträger wie Jonas Fries, Julian Kügel, Sebastian Graßl, Dominik Wolfsteiner oder Fabian Eberle haben längst neue Kontrakte unterschrieben (wir berichteten). Weitere will der VfB in Kürze bekanntgeben. Und man darf gespannt sein, wer die neuen Federls, Lushis oder Lamprechts sind, die der VfB Eichstätt einmal mehr aus dem Hut zaubert.

EK