Eichstätt
Aus der C-Klasse in die Regionalliga

Die unglaubliche Erfolgsgeschichte des VfB Eichstätt

23.05.2017 | Stand 02.12.2020, 18:04 Uhr

Der Vater des Aufstieges: Trainer Markus Mattes mit Meister-Medallie und dem jüngsten Sohn Jannik. ‹ŒFotos (7): Traub

Eichstätt (EK) Mit einem fulminanten 8:2-Sieg über die Reserve des Türkisch SV Ingolstadt war der VfB Eichstätt im August 1998 in die Saison gestartet. Es sollte der Auftakt in ein neues Zeitalter werden. Nun, 19 Jahre und sieben Aufstiege später, spielen die Eichstätter in wenigen Wochen in der Regionalliga.

Die Bilanz auf dem Weg dorthin: 594 Pflichtspiele, 321 Siege, 122 Unentschieden, 151 Niederlagen und ein Torverhältnis von 1247 zu 753.

 

Ein Rückblick: Wir schreiben das Jahr 1998. Die Fußballabteilung des VfB ist am Boden. Die erste Herrenmannschaft spielt seit inzwischen acht Jahren in der niedrigsten Klasse, einzig die Jugend sorgt für Furore. Die späteren Stützen und Führungsspieler wie beispielsweise Jochen Regler oder Dominik Schmidramsl kicken zu dieser Zeit recht erfolgreich in der Jugend-Bezirksoberliga. Deren Trainer Sepp Schiebel und Jugendleiter Fred Pfaller erkennen dieses Potenzial und befürchten, dass diese ausgezeichneten Fußballer nicht zu halten sind, falls sie nicht höherklassig spielen können.

 

Schiebels Startschuss

 

Doch für das Bestreben, dem Nachwuchs Perspektiven im eigenen Verein aufzuzeigen, brauchte man schlagkräftige Argumente. Basis war eine Verstärkung um den Stamm der talentierten Jugendspieler. "Sepp Schiebel hat einen ganz großen Anteil daran, dass der VfB bis in die Regionalliga aufgestiegen ist. Ihn kann man getrost als den Vater des Erfolgs bezeichnen. Was er für den Verein geleistet hat und leistet, ist unglaublich", sagt Franz Schreiner, der seinerzeit als Spielertrainer verpflichtet wird.

 

Die Ära Schreiner

 

Mit Schreiner kommen Sepp Russer und Franz Dengler. Das Trio hat höherklassige Erfahrung - und von Anfang an marschieren die VfBler vorne weg. Manfred Lehner trägt 24 Tore, Franz Dengler 20 Treffer zur Meisterschaft bei.

Eine Saison später gelingt den Domstädtern gar der Durchmarsch in die Kreisliga. Youngster Regler sichert sich mit 20 Treffern die interne Torjägerkanone. "Plötzlich wollten uns Firmen von sich aus neue Trikots sponsern, nachdem wir vorher nicht einmal gescheite Stutzen hatten", erinnert sich der Ex-Unterhachinger-Fußballprofi Schreiner und nennt die Gründe für den Höhenflug: "Wir hatten eine super Truppe und Kameradschaft. Der Irmer Schorsch hat sogar extra einen Aufstiegssong getextet."

 

Die Ära Forster

 

Nach zwei Aufstiegen innerhalb von nur drei Jahren übergibt Schreiner die Trainerstelle an den aus Böhming stammenden Karl-Heinz Forster. Dieser sorgt gleich für den nächsten Paukenschlag und führt die erfolgshungrige Mannschaft im Jahr 2002 in die Bezirksliga Oberbayern Nord. Dabei hätte man die Meisterschaft fast noch verspielt. Am vorletzten Spieltag ist der TSV Reichertshofen zu Gast und ein Sieg ist Formsache. "Es war alles angerichtet für die Meister-Party, doch wir haben nur 1:1-Unentschieden gespielt", erinnert sich Forster. Gefeiert wird dann aber trotzdem: "Wir haben eine riesengroße Nicht-Aufstiegsfeier gemacht." Eine Woche später muss der VfB bei SpVgg Wolfsbuch/Zell "liefern" - und ausgerechnet tags zuvor hat Mitspieler Lenz Schmidt geheiratet. "Die Mannschaft blieb auf der Hochzeit abstinent und beim 1:0-Sieg hat sogar der Bräutigam mitgespielt", berichtet "Kalle" Forster.

 

Die Ära Hock

 

Im Sommer 2005 endet dann die Ära Forster und eine neue Epoche beginnt: "Sir" Erich Hock kommt. Unter dem heute 75-Jährigen soll alles noch einen Tick professioneller werden, Undiszipliniertheiten werden nicht geduldet. Doch ausgerechnet Hock erscheint zu spät zu seiner Vorstellung bei der Mannschaft. Sepp Schiebel erinnert sich noch genau, wie gespannt das Team im Nebenzimmer saß und wartete. "Und dann kommt der Erich herein und der erste Satz, den er sagt, war: €šWer denkt, dass er im Sommer in Urlaub fahren kann, mit dem plane ich nicht. Der kann sofort zu mir kommen und seinen Spielerpass abholen!" Mit 21 Siegen und vier Unentschieden bei nur fünf Niederlagen sowie einem beeindruckenden Torverhältnis von 92:28 steigt der VfB in die damals noch existierende Bezirksoberliga auf - und spielt auch dort vorne mit. Am Ende belegt Eichstätt - drei Zähler hinter dem Meister SV Raisting und einen Punkt hinter dem Vizemeister SB/DJK Rosenheim - Rang drei.

 

Die Ära Koc

 

Als Hocks Nachfolger soll Alois Reinhardt 2007 in die Domstadt kommen. Der Ex-Club-Profi bekommt jedoch kurzerhand ein Angebot als Cheftrainer der U 19 beim 1. FC Nürnberg. Als "Ersatz" wird Sabahattin Koc unter Vertrag genommen, der die Mannschaft ebenfalls auf Platz drei führt. Legendär ist Kocs Auftritt in Kirchanschöring, als er vom türkischen Schiedsrichter vom Platz gestellt wird und sich in der Landessprache bei ihm rechtfertigt. "Verstanden haben wir nichts, aber €šSaba €˜ wurde für drei Spiele als Trainer gesperrt und die Geldstrafe hat er selbst bezahlt", weiß Schiebel.

 

Zur Saison 2008/09 kehrt Hock ein zweites Mal nach Eichstätt zurück - und das, obwohl er einmal gesagt haben soll, dass er nie zwei Mal zum selben Verein wechseln würde. Mit ihm geht der Höhenflug des VfB ungebremst weiter. Nach der Meisterschaft in der Bezirksoberliga dominieren Markus Hörmann, Philipp Krieglmeier, Marco Schiebel & Co. auch die Landesliga Süd. Der Durchmarsch in die Bayernliga gelingt jedoch nicht, denn der VfB erlebt zu dieser Zeit die zwei bittersten Niederlagen der jüngeren Vereinsgeschichte: Zunächst wird das Entscheidungsspiel um die Meisterschaft gegen den SV Heimstetten mit 1:2 verloren, dann kassiert man auch noch eine späte 1:2-Pleite im Relegationsspiel gegen den FC Schweinfurt 05.

 

Das Missverständnis Andresen und die Ära Steib

 

Als ein Missverständnis entpuppt sich der neue Trainer Ralf Andresen; er wird nach nur acht Wochen entlassen. Co-Trainer Jürgen Steib rückt auf und wird bis zur Winterpause von Erich Hock als Sportlichem Leiter unterstützt. Mit Hängen und Würgen schafft man als Tabellen-14. mit einem Punkt Vorsprung auf den Abstiegsrelegationsplatz den direkten Klassenerhalt. Die Saison 2010/11 ist ohnehin von Turbulenzen geprägt: Mit Maximilian Zischler wird ein nicht-spielberechtigter Spieler eingesetzt. "Im Nachhinein können wir über den Sechs-Punkte-Abzug schmunzeln, weil wir die Klasse gehalten haben", sagt Steib. Für ihn ist der Ligaverbleib auch der Grundstock für den jetzigen Erfolg. Der 49-Jährige führt den VfB Eichstätt in der Saison 2011/12 auf Platz vier der Landesliga-Tabelle und aufgrund einer Ligen-Reform geht es erneut nach oben: Der VfB Eichstätt ist im Sommer 2012 in der Bayernliga angekommen.

Insgesamt ist Steib viereinhalb Jahre als Cheftrainer tätig. Dabei hat er viel erlebt und plaudert aus dem Nähkästchen. So habe man Viktor Stoll bei einer Pause auf dem Autobahnrasthof auf der Fahrt nach Landshut einmal vergessen - der Bus fuhr ohne den Abwehrspieler weiter. "Das war aber absehbar", lacht Steib, "denn der Viktor war immer zu spät dran". Eine weitere Anekdote, die in seine Amtszeit fällt, spielt sich beim Auswärtsspiel beim TSV Kottern ab. Die komplette Mannschaft sitzt in der Halbzeit in der Kabine, nur Torwart Christoph "Balu" Schöls fehlt. Keiner weiß, wo er ist. Auf einmal kommt der Keeper herein und erzählt freudestrahlend, dass er fremden Kindern ein Eis gekauft hat, weil er sich freue, dass der VfB mit 1:0 führt. Nach dem Schlusspfiff schenkt Schöls den Kindern sogar seine Torwarthandschuhe. Als "besten Spieler" seiner Amtszeit hebt Steib den Fußballer Benjamin Schmidramsl hervor: "Er ist der kompletteste Spieler von allen. Da passt einfach das Gesamtpaket."

 

Die Ära Mattes

 

Als es Steib im Winter 2015 zum TSV Rain am Lech zieht, übernimmt der Karlshulder Markus Mattes. Zweieinhalb Jahre sowie einen Aufstieg später heißt die Realität nun Regionalliga.