Unfreiwillige Ehrenrunde vor dem Spiel

24.06.2008 | Stand 03.12.2020, 5:48 Uhr

Basel (DK) Eigentlich sollte nichts mehr schief gehen können. In Bestbesetzung startet die deutsche Nationalteam ins heutige EM-Halbfinale gegen die Türkei (20.45 Uhr) und wird nahezu von allen Experten als hoher Favorit gesehen. Trotzdem ist eine gewisse Unruhe im DFB-Lager unübersehbar.

Die erste kleine Panne gab es bereits bei der Anreise nach Basel am gestrigen Abend: Das Flugzeug der Deutschen musste über Basel eine zusätzliche Schleife drehen, ehe es mit viertelstündiger Verspätung endlich landen durfte. An der unfreiwilligen "Ehrenrunde" lag es allerdings nicht, dass die DFB-Kicker dann nicht mehr im St. Jakob-Park trainierten. Löw hatte schon von vornherein seinen Verzicht hierauf erklärt, er wollte mit seiner Truppe so lange wie möglich in Tenero bleiben – so lange wie möglich ungestört, so lange wie möglich unbeobachtet.

So wurde aus der der gestrigen Abschlusseinheit der DFB-Mannschaft am Lago Maggiore ein ganz geheimes Geheimtraining: Löw hatte hierfür eigens den Übungsplatz gewechselt, damit ja kein unerwünschter Spion irgendwelche Einblicke in die deutsche Taktik für den Mittwochabend gewinnen kann.

Ja, im schwarz-rot-goldenen Lager sind sie zurzeit extrem vorsichtig. Die Favoritenrolle, in die sie von allen Seiten gedrängt werden, passt den DFB-Verantwortlichen überhaupt nicht. "Ich kann es schön langsam nicht mehr hören, wie viele da bei den Türken verletzt beziehungsweise gesperrt sind. Wenn eine Mannschaft das EM-Halbfinale erreicht hat, ist sie stark genug, auch dort bestehen zu können", grantelte zum Beispiel Co-Trainer Hansi Flick gestern Mittag.

Also besteht keine Gefahr, dass die türkische Vertretung nun unterschätzt wird? "Diese Frage ist absolut fehl am Platz", fauchte Kapitän Michael Ballack zurück: "Wir alle erwarten einen schweren, sehr unangenehmen Gegner. Aber ich glaube auch, dass die Türken einen solchen ebenso in uns sehen."

"Wir können alle Spieler einsetzen, gehen dementsprechend selbstbewusst in die Partie", betonte Löw noch einmal am gestrigen Abend. Kurz zuvor war der Nationaltrainer jedoch nicht müde geworden, seinen Mannen "eine gewisse Bescheidenheit" nahezulegen: "Bodenhaftung war für uns in den vergangenen Tagen ein ganz wichtiges Thema." Also doch Angst davor, dass die Türken auf die leichte Schulter genommen werden könnten? "Sie haben bei dieser EURO bereits drei Spiele komplett umgebogen, das spricht Bände über ihre Stärke", so der 48-Jährige. Und er sagte das aus volle Überzeugung – und nicht, weil er es sagen musste.

Löw geriet anschließend sogar regelrecht ins Schwärmen: "Die Türken haben in den vergangenen zehn Jahren eine enorme Entwicklung hingelegt. Mit Spaß Fußball gespielt hatten sie ja schon immer, aber nach einem Rückstand waren sie früher sehr schnell demoralisiert gewesen. Das hat sich jetzt geändert, die türkischen Kicker glauben bis zum Ende an ihre Stärke."

Über den Kontrahenten redete der Bundestrainer gestern Abend sehr gerne, über die eigene Truppe verriet er hingegen so gut wie nichts. Beziehungsweise er durfte nicht. Ein großes Kompliment noch an Kapitän Ballack ("Er hat in seinen zwei Jahren in der englischen Premier League gerade in physischer Hinsicht eine enorme Entwicklung gemacht – das war’s bereits. Im Hintergrund wartete nämlich schon der türkische Chefcoach Fatih Terim, Löw musste für ihn auf der Bühne das Feld räumen. Terim gab anschließend alles: "Uns ist bereits gelungen, die Welt daran zu erinnern, dass es die Türkei gibt. Die Mannschaft und ich haben haben aber nicht das Gefühl, dass unsere Mission nun schon abgeschlossen ist." Die Antwort hierauf gibt es heute Abend.