Ingolstadt
"Wir warten auf das Okay"

FCI-Sportdirektor Henke sieht die 3. Liga gewappnet und geht von baldiger Fortsetzung der Saison aus

04.05.2020 | Stand 23.09.2023, 11:54 Uhr
Gemeinsam an der Seitenlinie: FCI-Trainer Tomas Oral (rechts) und der jetzige Sportdirektor Michael Henke vor knapp einem Jahr in der Relegation gegen Wehen Wiesbaden. Beide warten sehnsüchtig auf eine Fortsetzung der Saison in der 3. Liga. −Foto: Bösl, Meyer

Ingolstadt - Der FC Ingolstadt blickt morgen gespannt nach Berlin, wenn in der Hauptstadt über weitere Lockerungen in der Corona-Krise entschieden wird. Sportdirektor Michael Henke hofft, dass die 1. und 2. Bundesliga für eine Fortsetzung der Saison mit Geisterspielen grünes Licht erhält und der Deutsche Fußball-Bund (DFB) im Anschluss daran auch das Startsignal für die 3. Liga sendet.

 

Herr Henke, zeigen die positiven Corona-Fälle beim 1. FC Köln, auf welch wackligen Beinen das Konzept der Deutschen Fußball-Liga (DFL) für die Fortsetzung der Bundesliga steht?

Michael Henke: Nein. Sie bedeuten genau das Gegenteil. Nämlich, dass das Konzept greift und sehr gut durchdacht ist. Jetzt hat es auch im Praxistest funktioniert.

Trotzdem haben einige Profis Bedenken geäußert oder zumindest ein mulmiges Gefühl, was eine Fortsetzung der Saison betrifft. Verstehen Sie das, und welche Rückmeldungen erhalten Sie beim FCI von den Spielern?

Henke: Dass es da generell unterschiedliche Meinungen gibt, halte ich für absolut legitim, weil es ja um die Gesundheit jedes einzelnen geht. Allerdings ist bei uns konkret noch kein Spieler mit Sorgen an uns herangetreten, obwohl das Trainerteam und ich dafür stets offen sind. Vielleicht hat das auch kein Spieler infrage gestellt, weil wir von vorneherein genau kommuniziert haben, was zu beachten ist. Wir haben auch zwischendurch immer wieder appelliert, an freien Tagen nicht leichtsinnig zu werden und gesagt: ,Denkt daran, dass es für euch persönlich die Chance ist, wieder Fußball spielen zu können. Dafür ist eine hohe Selbstdisziplin erforderlich. ' Unsere erfahrenen Spieler haben in dieser Hinsicht auch einen Top-Job gemacht, speziell Stefan Kutschke oder Marcel Gaus, die im Team darauf achten. Wir haben da keine Probleme.

Über den Fußball wird derzeit sehr kontrovers diskutiert. Insgesamt gibt es viel Zuspruch für das Konzept der DFL, aber ebenso viele Bedenken, sowohl in der Politik als auch in der Bevölkerung. Für wie wahrscheinlich halten Sie es, dass der Versuch, die Saison in der 1. und 2. Bundesliga fortzusetzen, noch gestartet wird?

Henke: Wenn man die Äußerungen der politischen Entscheidungsträger einordnet, denke ich, dass es eine große Wahrscheinlichkeit gibt, dass weitergespielt werden kann. Der Fußball hat gute Vorarbeit geleistet, sodass es den politischen Entscheidungsträgern leicht fallen sollte, die Dinge abzuwägen. Vielleicht ist es auch unser Glück, dass insgesamt über Lockerungen gesprochen wird, auch im Breitensport. Aufgrund der relativ guten Entwicklung bei den Neuinfiziertenzahlen, ist die Situation etwas entspannter. Aber man muss natürlich vorsichtig sein.

In der 3. Liga, die unter dem Dach des DFB organisiert ist, aber am Konzept der DFL hängt, hat sich aufgrund des Kostendrucks bei den Vereinen wegen fehlender Zuschauereinnahmen und geringer Fernsehgelder nur eine knappe Mehrheit der 20 Klubs für eine Fortführung der Saison mit Geisterspielen ausgesprochen. Glauben Sie, dass die Allianz hält?

Henke: Es gibt eine gute Mehrheit, weil sich zusätzlich zu den zehn Vereinen, die für die Fortsetzung gestimmt haben, auch noch zwei Vereine enthalten haben, die aber grundsätzlich weiterspielen wollen. Die Solidarität ist größer, als sie von verschiedenen Interessensgruppen nach außen transportiert wird. Für uns ist klar: Einen Schaden gibt es sowieso, der sich wirtschaftlich und auch bei der Entwicklung von Talenten auswirken wird. Aber nach allen Berechnungen wird der Schaden bei weitem größer sein, wenn wir die Saison abbrechen, als wenn wir weiterspielen.

Im Gegensatz zur 1. und 2. Bundesliga, die noch neun Spieltage absolvieren müssen, sind es in der 3. Liga noch zwei Spiele mehr. Wie lange darf sich die Hängepartie vor einem Re-Start noch hinziehen, wenn die Saison bis zum 30. Juni abgeschlossen sein soll?

Henke: Der Zeitplan ist eng, aber es gibt keine unüberbrückbaren Gründe, warum nicht über den 30. Juni hinaus gespielt werden könnte. Die Statuten dafür sind schon vorbereitet worden. Beispielsweise könnte es eine Überlegung sein, die Relegationsspiele erst im Juli auszutragen.

Dennoch laufen am 30. Juni viele Spielerverträge aus. Sind die sportrechtlichen Fragen zwischen Vereinen und Spielern schon so weit geklärt, dass im Juli problemlos gespielt werden könnte?

Henke: Die Statuten sind dahingehend verändert worden, weil das natürlich auch Auswirkungen auf die Transferperiode hätte. Die Möglichkeit besteht also, aber jeder einzelne Verein hat natürlich seine eigene Situation und muss Regelungen finden. Derzeit ist eine Saisonverlängerung aber eine theoretische Variante. Im Moment läuft alles auf ein Saisonende zum 30. Juni hinaus.

Es gab mehrere Szenarien, um eine sportliche Entscheidung herbeiführen zu können, von einer Saison in Turnierform oder mit Play-offs. Gibt es ernsthafte Alternativpläne zur normalen Spielrunde.

Henke: Diese Gedanken sind höchstens andiskutiert worden. Die Idee mit Play-offs wäre durchaus legitim, aber in der 3. Liga macht sich ja selbst der Tabellenelfte KFC Uerdingen noch berechtigte Hoffnungen auf den Aufstieg. Da sind so viele Mannschaften beteiligt, dass man gleich die ganze Runde spielen kann. Auch beim Thema Abstieg scheiden sich die Geister. Da gibt es sportliche Aspekte, aber auch Vereinsinteressen. Wir gehen jedenfalls fest davon aus, dass wir die Runde regulär zu Ende spielen.

Ein Thema war zudem, dass man das Hygienekonzept nicht in allen Stadien umsetzen kann oder will, wie beispielsweise in Halle. Ist darüber gesprochen worden, die Runde nur in bestimmten Stadien zu Ende zu spielen?

Henke: Darüber ist nicht gesprochen worden. Wenn es möglich ist, das Konzept in Ingolstadt umzusetzen oder im Grünwalder Stadion oder in Darmstadt, dann kann ich mir nicht vorstellen, dass es ein Stadion gibt, wo das nicht möglich sein soll.

Im neuesten Hygienekonzept heißt es, dass die Mannschaften sieben Tage vor dem Re-Start in Quarantäne verbringen sollen.

Henke: Es macht sicher Sinn, dass man sich als Mannschaft vor einem Re-Start einige Tage abschottet und dann vorher auch testet. Darin sehe ich aber kein Problem. Wir gehen sonst ja auch vor Spielen ins Hotel. Das ist kein Grund, das Konzept scheitern zu lassen.

Sind beim FC Ingolstadt schon alle Spieler getestet worden?

Henke: Nein, das betrifft vorerst die Vereine in der 1. und 2. Bundesliga, weil sie ja schnellstmöglich ins Mannschaftstraining einsteigen wollen. Wir warten jetzt auf das Okay am Mittwoch seitens der Politik.

Läuft die Wiederaufnahme der Saison in der 3. Liga nach einem positiven Signal automatisch an oder gibt es nochmals eine Abstimmung?

Henke: Nein, wir stimmen nicht mehr ab. Das Meinungsbild ist klar, und auch nach den Statuten haben wir den Auftrag, die Liga zu Ende spielen. Wenn das politische Okay kommt, können wir mit den konkreten Vorbereitungen und dem Kontakttraining beginnen.

Für den 25. Mai ist der DFB-Bundestag einberufen, der über einen Abbruch der Saison entscheiden muss. Bis dahin muss der Start erfolgt sein, oder?

Henke: Ich bin jedenfalls guter Dinge, dass wir bis dahin schon wieder spielen. Das halte ich nicht für ausgeschlossen. Ich kann mir vorstellen, dass beim Bundestag darüber beraten und entschieden wird, was passiert, wenn die laufende Saison nochmals unterbrochen werden müsste, welche Regularien für solche Fälle getroffen und festgelegt werden. Aber nicht, ob die Liga nochmals spielt oder nicht.

Liegen Ihnen bereits Anträge vor, die auf dem Bundestag zur Abstimmung gestellt werden? Beispielsweise über die Wertung bei Saisonabbruch oder Spielausfällen oder für die Szenarien von Auf- und Abstieg?

Henke: Nein. Uns liegt nichts vor, worüber abgestimmt werden soll.

Der Bundestag setzt sich aus 262 Delegierten zusammen, die sich aus dem DFB-Vorstand, der DFL und mehrheitlich den Landesverbänden zusammensetzen. 21 Vertreter kommen aus Bayern, das heißt, dass die bisher einheitlich auftretenden fünf bayerischen Drittligisten Allianzen schmieden müssen, um ihre Interessen zu wahren. Ist auch der FCI mit einem Delegierten vertreten?

Henke: Das weiß ich aktuell noch nicht. Grundsätzlich sind sich die Drittligisten in Bayern einig, aber wir werden uns im Vorfeld des Bundestags ansehen müssen, welche Einstellung in den anderen Landesverbänden herrscht. Noch ist es aber nicht an der Zeit, über gemeinsame Interessenslagen zu philosophieren, weil man nicht weiß, worüber abgestimmt wird.

Fest steht zumindest, dass die Saison, wenn überhaupt, mit Geisterspielen weitergeht. Sie haben ein solches am 11. März 2012 als Assistent von Tomas Oral schon einmal beim 0:0 gegen Dynamo Dresden erlebt. Wie kann man sich auf diese besondere Atmosphäre vorbereiten?

Henke: Die Atmosphäre im Stadion ist natürlich eine ganz andere ohne Fans. Aber keine Mannschaft hat da einen Vor- oder Nachteil. Man kann so ein Geisterspiel durch ein Stadiontraining vor leeren Rängen schon simulieren. Trotzdem wird es für jeden Spieler im Liga-Betrieb überraschend sein, weil man jedes Wort versteht. Und es kann sich keiner rausreden, er hätte den Trainer nicht gehört.

Tomas Oral wartet seit seiner Amtsübernahme immer noch auf sein erstes Spiel. Wie erleben Sie ihn im Training?

Henke: Er brennt natürlich. Er ist ein sehr emotionaler Trainer, für den es besonders schmerzhaft ist, dass seine Mannschaft nicht spielen kann. Die Atmosphäre im Training ist trotzdem gut. Das spricht dafür, dass das Trainerteam einen super Job macht und sich permanent frische Inhalte überlegt, um im Rahmen der Möglichkeiten optimal zu trainieren. Ich empfinde die Stimmung positiv, obwohl teilweise sehr hart trainiert wird. Das ist schon eine Kunst, weil wir bereits einige Wochen im Home- und in Kleingruppentraining hinter uns haben. Wie das Team die Vorgaben später umsetzen kann, wenn es kaum Mannschaftstraining gegeben hat, muss man sehen. Das ist schließlich für alle Neuland.

Sind Sie guter Dinge, dass die Saison noch zu Ende gebracht wird und der Aufstieg gelingt?

Henke: Ich bin optimistisch, dass die Liga zu Ende gespielt wird, ohne die Situation zu unterschätzen. Und ich bin auch zuversichtlich, was unsere Arbeit anbelangt. Wir sind gut vorbereitet.

Was würde ein Saisonabbruch für den Fortbestand der 3. Liga bedeuten?

Henke: In irgendeiner Art wird die Liga Bestand haben. Der deutsche Fußball kann auf eine gute 3. Liga nicht verzichten. Das wissen die Verantwortlichen im DFB und auch in der DFL. Man kann aber schon Bedenken haben, wie stark diese 3. Liga als Unterbau der 1. und 2. Bundesliga seine Funktion als Talentausbildung noch haben kann, wenn man vorzeitig abbrechen müsste.

Und welche Folgen hätte es für den FCI, wenn es mit dem Aufstieg nicht klappen sollte?

Henke: Dann müssten wir sehen, wie die Vorgaben sind und uns dann neu orientieren. Aber wir haben den Vorteil, dass fast alle Spieler für die neue Saison unter Vertrag stehen und wir keinen Neuaufbau wie im Vorjahr angehen müssten.

Das Interview führte

Gottfried Sterner