Berlin
Wöchentlich grüßt das Murmeltier

FC Ingolstadt tritt immer dominanter auf, scheitert aber an seiner Abschlussschwäche

10.03.2019 | Stand 23.09.2023, 6:11 Uhr

Setzt sich selbst unter Druck: "Ich habe erst zwei Tore erzielt. Das ist definitiv zu wenig", sagt FCI-Flügelflitzer Thomas Pledl. Gegen Ex-Klub Sandhausen will er seine Trefferquote verbessern. - Foto: Bösl

Berlin/Ingolstadt (DK) Die Analysen beim FC Ingolstadt ähneln sich Woche für Woche. Gut gespielt, beste Chancen erarbeitet und nicht verwertet, und schließlich durch einen Fehler oder eine umstrittene Schiedsrichterentscheidung verloren. So war es auch beim 0:2 bei Union Berlin - nur noch ein bisschen krasser.

Die Schanzer zeigten in der ersten Halbzeit ihre beste Saisonleistung, hatten durch Thomas Pledl und Dario Lezcano die Führung auf dem Fuß. Doch weil die Stürmer erneut nicht trafen und der Unparteiische Robert Kampka nach einer korrekten Rettungstat von Paulo Otávio auf den Elfmeterpunkt zeigte, gerieten die Ingolstädter wieder einmal auf die Verliererstraße. Mittlerweile zum dritten Mal in Folge.

"Der Elfmeter war ein Witz", zürnte Vereinsboss Peter Jackwerth. Vizekapitän Christian Träsch meinte, mit den Schiedsrichterentscheidungen sei es derzeit wie verhext, und auch Torwart Philipp Tschauner lamentierte. "Paulo macht aus dem Vollsprint eine Maximalgrätsche, spielt eindeutig den Ball und klärt die Situation zur Ecke. Da kann er sich danach nicht in Luft auflösen. Und wenn Kroos da den Kontakt sucht, fehlt mir vom Schiedsrichter das Gefühl für die Situation. Es fühlt sich leider so an, als hätten zwölf Mann gegen uns gespielt", meinte der fast beschäftigungslose und trotzdem zweimal geschlagene Keeper.

Dabei hatten die Schanzer so viel versucht, das Glück auf ihre Seite zu zwingen. Träsch hatte sich extra den Bart abrasiert und sich verjüngt. Der Verein hatte sich zudem dazu entschlossen, die Partie in einem Rutsch durchzuziehen und flog erst am Spieltag mit dem Team nach Berlin und zurück - doch es half alles nichts. Die Punkte blieben erneut beim Gegner.

Hinzu kamen noch die Platzverweise gegen Almog Cohen (Rot), der hinterher zudem in einem sozialen Netzwerk übel mit antisemitischen Äußerungen verbal attackiert wurde, und Robin Krauße (Gelb-Rot) sowie die fünfte Gelbe Karte für Otávio - alle drei fehlen somit am kommenden Sonntag (13.30 Uhr) im Spiel beim SC Paderborn. Die Schanzer sind derzeit wahrlich nicht vom Glück verfolgt.

Dennoch versanken die FCI-Profis nicht in Selbstmitleid, sondern suchten nach Lösungen. So fand Träsch, dass man die Abschlussschwäche nicht mehr weiter thematisieren sollte. "Ich glaube, wir dürfen da gar nicht mehr so viel darüber reden. Das ist so sehr in den Köpfen drin", meinte der 31-Jährige und forderte: "Wir müssen weitermachen und Woche für Woche Torabschlüsse üben, dann werden die Bälle irgendwann reingehen. Schlimm wäre es, wenn wir keine Chancen hätten, dann müssten wir etwas ändern."

Allerdings drängt die Zeit. Bei nur noch neun Spielen bis zum Saisonende in der 2. Fußball-Bundesliga brauchen die Schanzer dringend Punkte. "Wenn wir den Klassenerhalt noch irgendwie schaffen wollen, müssen wir sechsmal gewinnen", rechnete Jackwerth vor und stellte angesichts der schlechten Chancenverwertung fest: "Mittlerweile muss man die Qualität schon hinterfragen. Qualität ist, wenn ich vorne drin stehe und die Dinger reinmache."

Trainer Jens Keller wollte nicht zusätzlich auf seine Stürmer draufhauen. "Natürlich müssen wir ein Tor machen, aber wir brauchen auch mal glücklichere Schiedsrichterentscheidungen", meinte der 48-Jährige fast schon verzweifelt. "Obwohl wir 30 Minuten mit zehn Mann und 20 Minuten nur noch mit neun Mann gespielt haben, haben wir immer noch ausgeglichene Ballaktionen. Wenn man bei einem Aufstiegsanwärter so dominant auftritt wie wir, was soll ich der Mannschaft noch anders vermitteln?", fragte Keller.

Letztlich geht es aber um Ergebnisse - das wissen auch die Spieler. "Wir müssen uns an der eigenen Nase packen. Wir haben in jedem Spiel, zwei, drei hundertprozentige Torchancen und machen zu wenig draus. Das bricht uns das Genick", kritisiert Tschauner und fordert: "Wir müssen unsere Chancen kaltschnäuziger nutzen, wir brauchen den letzten Tick, denn sonst haben wir im Abstiegskampf schlechte Karten."

Träsch blickt schon voraus. "Wir müssen uns jetzt gut auf Paderborn vorbereiten. Es wird Woche für Woche enger, wenn wir unsere Punkte nicht holen. Dass wir zuletzt gegen drei Aufstiegskandidaten gut gespielt haben, ist ein kleiner Trost, darf aber keine Ausrede sein, weil wir alle drei Spiele hätten gewinnen können." Tschauner appelliert an die Einstellung seiner Teamkollegen. "Wir müssen vor dem Spiel gegen Paderborn alles tun, damit wir die Entschlossenheit haben, und wir müssen gegen jeden Widerstand ankämpfen."

Das heißt aber auch, diszipliniert aufzutreten. Zwei Rote und fünf Gelb-Rote Karten sowie und zehn Elfmeter gegen sich: Das sind - Fehlentscheidungen hin oder her - schlichtweg zu viele. Abwehrchef Mergim Mavraj hat sein eigenes Rezept, damit umzugehen. "Es ist einfacher, wenn man sich die positiven Dinge vor Augen führt. Wir brauchen für das nächste Wochenende wieder pure Leidenschaft und positive Energie. Darum dürfen wir nicht zurückschauen und unseren Chancen nachtrauern."
 

Weitermachen ohne Ausreden: Ein Kommentar zur aktuellen Lage beim FCI

Weiter, immer weiter. Oliver Kahns berühmten Motivationsspruch müssen sich die Schanzer derzeit zu Herzen nehmen wie selten zuvor. Wieder ein Spieltag, der komplett gegen den FC Ingolstadt lief, wieder unglückliche Schiedsrichterentscheidungen und wieder eine Chance vertan, im Abstiegskampf zu punkten. Die Lage wird immer prekärer. Doch jetzt zu hadern, über unglückliche Spielsituationen zu lamentieren und sich über mangelndes Fingerspitzengefühl der Unparteiischen zu ärgern, bringt nichts. Selbst die widerwärtigen Beleidigungen gegen Almog Cohen dürfen den FCI in seiner Konzentration nicht stören – diese Dinge zu verfolgen und zu ahnden, obliegt anderen Organen. Die Schanzer können jetzt nur eines tun: weitermachen und zusammenhalten.

Trainer Jens Keller hat sich für einen Weg entschieden, und der ist, was den Fußball angeht, absolut positiv. Die Abläufe passen, das Spiel wird sogar richtig attraktiv, und die Torchancen werden immer klarer. Aber der Erfolg bleibt aus, weil eben für diese Art Fußball eines unverzichtbar ist: ein Knipser. Bereits 19 Spieler haben in der 2. Bundesliga derzeit neun Tore und mehr erzielt  – einen Ingolstädter sucht man darunter vergeblich. Sonny Kittel ist mit sechs Treffen bester Schanzer, und er ist nicht einmal Stürmer.
Für die Fehler in der Transferpolitik kann Keller nichts. Er kann nur seinen Weg verfolgen, und den hat er klar gemacht: er hält an einer Stammformation fest. Wie lange das gutgeht, wenn der Erfolg ausbleibt, muss der Trainer wissen. Viel Zutrauen zu den Spielern aus der zweiten Reihe oder einem Talent wie Fatih Kaya scheint nicht vorhanden zu sein.

Fakt ist: Der Druck auf den FCI wird immer größer, zumal die personelle Situation mit den drei bereits bestehenden Sperren und noch drohenden (fünf Spieler sind mit vier Gelben Karten belastet) nicht besser wird. Aber egal wie, die Schanzer müssen jetzt weitermachen. Immerhin gibt es selbst nach diesem Spieltag noch einen schwachen Trost. Durch Magdeburgs Niederlage gegen Sandhausen sind immer noch drei Konkurrenten in unmittelbarer Reichweite. Das müssen die Schanzer nun aber auch nutzen, egal unter welchen Umständen und ohne Ausreden. Jetzt kommt die Partie in Paderborn,  danach folgen die beiden vorentscheidenden Duelle gegen Sandhausen und in Duisburg. Die Ausgangslage ist so klar wie einfach: Es helfen nur Siege, sonst ist der Gang in die 3. Liga nicht mehr abzuwenden.

Gottfried Sterner