Reischach
„Dreht sich dein Kopf schon?“

Neuer FCI-Torwarttrainer Carsten Nulle fordert seine Keeper im Trainingslager

09.07.2018 | Stand 02.12.2020, 16:06 Uhr
Freundlich begrüßt wurden die FCI-Profis um Örjan Nyland (von links), Konstantin Kerschbaumer, Dario Lezcano und Stefan Kutschke im Trainingslager in Reischach. −Foto: Sterner

Reischach (DK) 20 Grad, bewölkt, und dennoch rinnt der Schweiß in Strömen. Gefühlt sind es auf dem Platz locker zehn Grad mehr. Von den Übungen, die das Torwarttrio Örjan Nyland, Marco Knaller und Fabijan Buntic absolvieren muss, ganz zu schweigen. Der neue Torwarttrainer Carsten Nulle verlangt den Keepern des FC Ingolstadt alles ab.

Die 90-Minuten-Einheit beginnt noch recht harmlos. Nulle legt sich vier Bälle zurecht, lässt jeden Keeper zwischen einigen Stangen tänzeln, wirft dann den Ball als Aufsetzer in die Ecke, und Nyland und Co. müssen die Kugel fangen oder fausten. Klingt einfach, aber die Wiederholungen machen es schwer. Und so schnell nimmt das auch kein Ende.

 



Es folgen Schüsse in den Winkel, der Torwart fliegt, hält im Idealfall, rollt sich ab und läuft hinter dem Tor herum sofort wieder in Position und erwartet den nächsten Ball. Dann folgen beid- und einbeinige Sprünge über ein ein Meter hohes Band, in den Stand auf einem Bein, später mit Abrollen, anschließendem Torschuss und einem gezielten Abschlag zum Mitspieler. 

 „Sprungkraft, Wille und Konzentration sind das Ziel der Übung“, erklärt Nulle und sagt mitleidslos: „Es könnte sein, dass es morgen ein bisschen wehtut, aber das ist dann halt so.“ Muskelkater bekommt man alleine schon vom Zusehen. Die Krönung nach einer guten Stunde sind dann eine Rolle vorwärts, ein Schuss, den es zu parieren gilt und erneut ein präziser Abschlag. „Dreht sich dein Kopf schon?“, fragt Nulle den jungen Buntic. „Dabei hast du doch nicht mal was getrunken“, flachst der 42-Jährige und spornt seine Jungs an. „Gut so, weiter nach vorne, zieh’ das durch, auch wenn’s dir schwindlig wird“, fordert er nach der dritten Wiederholung.

Bis vor vier Jahren stand Nulle noch selbst im Tor. 20 Jahre war der 1,90-Meter-Mann Profi bei zehn verschiedenen Vereinen, darunter die damaligen Zweitligisten Waldhof Mannheim, SC Freiburg und SC Paderborn. „Manche Station hätte ich mir sparen können, aber alle waren hilfreich als Lebenserfahrung. Und ich habe gelernt, dass es manchmal besser ist, seinen Mund zu halten“, sagt der gebürtige Hesse, der selbst ein emotionaler Torwart war und das nun auch von seinen Schützlingen fordert. „Emotionen auch auf dem Platz zu zeigen, ist für mich ein wichtiges Kriterium für einen Torwart“, sagt Nulle. Er selbst hat das vorgelebt, teilweise auch mit kuriosen Geschichten. Beispielsweise als er 2004 in einem Pokalspiel nach vorangegangener Pöbelei dem Uerdinger Maskottchen Grotifant androhte, ihm den Kopf abreißen zu wollen – ein Skandal entbrannte, mittlerweile Geschichte. Sportlich machte Nulle von sich reden, als er 2010 in der Schlussminute im Trikot von Carl Zeiss Jena gegen den VfL Osnabrück nach einer Ecke zum Ausgleich einköpfte. 

„Im Training habe ich als Übung häufiger die Bälle weggeköpft anstatt gefaustet. Von der Bewegung her ist das das Gleiche, darum konnte ich das ganz gut“, erzählt der Ex-Keeper. Nur mit den Folgen hatte er Probleme. „Ich konnte irgendwie nichts damit anfangen, dass ich plötzlich ein Tor geschossen hatte und habe die ganze Nacht nicht geschlafen“, erzählt Nulle und muss dabei lachen. Nicht deswegen, sondern weil er dort früh seine jetzige Lebensgefährtin Annett kennenlernte und mit ihr den gemeinsamen Sohn Johann hat (5), ist Nulle in Jena, wo er von 2008 bis 2011 spielte und auch zweimal auf den FCI mit Stefan Leitl traf, heimisch geworden. In Ingolstadt, seiner vierten Station als Torwarttrainer, fühlt er sich gut aufgenommen – die Jungs und er haben sich schon beschnuppert. „Jeder bringt etwas Neues mit. Ich habe ein gutes Gefühl“, sagt Nyland, die Nummer eins, die noch ein Jahr beim FCI unter Vertrag steht. Sein Ziel ist klar: „Wenn man zehnmal zu Null gespielt hat, sollte es in der neuen Saison nicht weniger oft sein. Außerdem will ich vorne mitspielen, ich hoffe, dass uns das gelingt.“
 
Anschieben will auch Buntic. „Ich bin froh, dass ich jetzt 52 Regionalliga-Spiele bestritten habe, aber ich will den nächsten Schritt machen“, sagt der 21-Jährige, der noch bis 2020 an die Schanzer gebunden ist. Ihm wird zugetraut, möglicherweise die Nachfolge des Norwegers im FCI-Tor anzutreten.