Ingolstadt
Beifall für den "Bomber"

Bewegender Hartmann-Abschied kaschiert peinliche 1:3-Heimpleite des FCI gegen Kaiserslautern

13.05.2018 | Stand 02.12.2020, 16:25 Uhr
Der "Bomber" Moritz Hartmann (Nr.9,FC Ingolstadt 04) wird verabschiedet, FC Ingolstadt 04 - 1. FC Kaiserslautern, 2. Bundesliga, Fussball, Spieltag 34, 13.05.2018, Foto: Oliver STRISCH / strisch.de −Foto: Oliver Strisch

Ingolstadt (DK) Das Ergebnis hatte Moritz Hartmann bei seinem Abschied vom FC Ingolstadt nicht verdient. Doch zum Glück für den „Bomber“ spielte das 1:3 (0:2) gegen Zweitliga-Schlusslicht 1. FC Kaiserslautern nur eine untergeordnete Rolle. Die Fans verabschiedeten den 31-jährigen Rekordtorjäger der Schanzer dennoch gebührend.

Als Hartmann kurz vor dem Schlusspfiff vom Feld ging, war es um ihn geschehen. Tränen liefen ihm über die Wangen, als er mit gesenktem Haupt vom Platz trottete, sich von Trainer Stefan Leitl umarmen ließ und dann schließlich von allen anderen Mitspielern, Trainern und Betreuern gedrückt wurde. Die Fans feierten ihren „Bomber“, der diesen Spitznamen einst in seiner ersten FCI-Saison von „Zecke“ Neuendorf verliehen bekam, mit Sprechchören und Plakaten („Danke Bomber für 9 Jahre Leidenschaft“).

„Es war schön, nach dem Spiel so von den Fans gefeiert zu werden“, sagte Hartmann nach dem Schlusspfiff und gestand: „Ich habe mir vorher viele Gedanken gemacht, wie es sein wird und war froh, als das Spiel losging und ich auf dem Platz stand. Da konnte ich das Drumherum vergessen.“

Hartmann führte das Team in seinem 220. Spiel im FCI-Trikot als Kapitän aufs Feld. Zuvor erhielt er von seiner künftigen Ehefrau Anna, die er am Freitag in Ingolstadt heiratet, und seiner 16 Monate alten Tochter Maja noch einige Bussis mit auf den Weg. Und auch die Ex-Schanzer Caiuby und Ramazan Özcan, die eigens zu Hartmanns Abschied gekommen waren, drückten auf der Tribüne die Daumen.

Geholfen hat es im Spiel selbst allerdings nichts. Zwar war der Mittelstürmer an den meisten Offensivaktionen beteiligt und setzte sich vor allem als mannschaftsdienlicher Vorbereiter in Szene, doch im Abschluss wollte es nicht klappen. Seine Schüsse in der 3. und 29. Minute waren zu harmlos. Das traf allerdings auf das gesamte FCI-Team zu, das vor 11 721 Zuschauern im Audi-Sportpark zunächst zu gemächlich auftrat und Sommerfußball bot. Für Stimmung sorgten immerhin die rund 2000 mitgereisten Anhänger der „Roten Teufel“, die den Traditionsklub 20 Jahre nach der Sensationsmeisterschaft auf dem bitteren Weg in die Drittklassigkeit begleiteten und lautstark feierten.

Zumal die bis dahin offensiv kaum in Erscheinung getretenen Pfälzer durch einen Doppelschlag kurz vor der Pause mit 2:0 in Führung gingen. Als Leon Guwara von Frederic Ananou kaum gestört über den halben Platz laufen konnte, stand Philipp Mwene nach einer verunglückten Abwehraktion von Marcel Gaus völlig frei vor FCI-Keeper Marco Knaller und schoss zum 0:1 ein (40.). Nur zwei Minuten später war Mwene nach einem schönen Spielzug über Mads Albaek und Sebastian Andersson erneut zur Stelle und vollendete zum 0:2.

„Ich hatte mir einen anderen Rahmen für Mo und die anderen Jungs gewünscht. Sie hatten mehr verdient, aber wir haben es verbockt wie schon die ganze Saison“, sagte Abwehrchef Marvin Matip hinterher und monierte die erneut zu einfachen Gegentore.

Nach der Pause köpfte Sebastian Andersson eine Mwene-Flanke sogar noch zum 0:3 ein (47.), ehe Gaus zwei Minuten später auf Vorlage von Thomas Pledl das 1:3 gelang. Das war’s dann aber, weil den Schanzern im Angriff einfach die Durchschlagskraft fehlte. Almog Cohen, der frei stehend an der Fünfmeterlinie über den Ball schlug (31.) und Tobias Schröck, der aus kurzer Distanz über das Tor köpfte, verpassten jeweils auf Vorarbeit von Sonny Kittel die besten FCI-Chancen vor dem Seitenwechsel. Danach rutschte Pledl an einer Hartmann-Flanke vorbei (59.).

Insgesamt zeigten die Schanzer, bei denen Christian Träsch abermals nur auf der Bank saß und Max Christiansen bei seinem 45-Minuten-Einsatz keine Impulse geben konnte, aber viel zu wenig. „Wir müssen in der Sommerpause knallhart analysieren und mit einer ganz anderen Gier in der neuen Saison antreten. Das ist nicht der FCI, wie ich ihn kenne und wie ich ihn sehen will“, sagte Stammkapitän Matip, der zugab: „Ich habe mich noch nie so sehr auf die Pause gefreut wie dieses Mal.“

Nach der Partie überließen Matip und Co aber erstmal Hartmann die Bühne. Ganz alleine schritt er vor die Südtribüne und applaudierte den Fans, die ihn mit Sprechchören „Moritz Hartmann, Fußballgott“ feierten. Anschließend ging es hinter dem Stadion weiter, wo sich einige Hundert FCI-Anhänger noch Autogramme ihrer Idole holten und Selfies schossen. „Ich habe viel erlebt in neun Jahren und durfte alles mit einem Verein teilen. Es war eine geile Zeit“, verabschiedete sich Hartmann.

Auch Lex, dessen Lied von den Fans noch einmal gesungen wurde, und mit dem der Aufstiegsheld für sein Siegtor 2015 gegen RB Leipzig gewürdigt wurde, wandte sich noch mit persönlichen Worten an die Anhänger. „Es war grandios, wie ich unterstützt worden bin. Ich hab’s genossen. Schade, dass es so zu Ende geht“, sagte Lex. Und auch Alfredo Morales, der wie Patrick Ebert und Tobias Levels, der nicht im Stadion erschien, vor dem Anpfiff von den FCI-Vereinsvorsitzenden Peter Jackwerth und Martin Wagener verabschiedet worden war, bedankte sich bei den Schanzern. „Ich habe mich mit meiner Familie super wohlgefühlt in Ingolstadt. Ich werde immer ein Stück Bayern in meinem Berliner Herzen haben“, meinte Morales.

Bei einem Abschiedstrip nach Las Vegas werden die FCI-Jungs um den ebenfalls scheidenden Schatzmeister der Mannschaftskasse, Stefan Lex, nun ihren Frust bewältigen. Und dann heißt beim Trainingsstart am 26. Juni bereits wieder: Auf ein Neues!

Kommentar von Gottfried Sterner

Ein 1:3 gegen Kaiserslautern, 45 Punkte und am Ende Platz neun – die Schanzer schlossen ihre siebte Saison in der 2. Bundesliga zwar mit dem zweitbesten Resultat nach der überragenden Aufstiegssaison 2014/15 ab, aber ein versöhnlicher Abschluss war das nicht. Es bleibt vor allem ein bitterer Beigeschmack, weil nach dem Abstieg aus der Bundesliga mehr drin gewesen wäre.  Gewiss, man kann vom FCI nicht einen Durchmarsch á la VfB Stuttgart erwarten. Doch hatten die Schanzer gemessen an ihren finanziellen Möglichkeiten so gute Voraussetzungen wie nie, im Aufstiegsrennen mitzumischen. Dass es dem Team nicht ein einziges Mal gelang, einen Platz unter den Top drei zu erreichen, ist deshalb enttäuschend, zumal nach dem Fehlstart unter Trainer Maik Walpurgis seinem Nachfolger Stefan Leitl zunächst die Kurskorrektur gelang.  

Nach der Winterpause jedoch fehlten dem Bundesliga-Absteiger selbst die Konstanz und mentale Stärke, um die Schwächen ihrer Gegner auszunutzen. Dazu fand Leitl als Trainerneuling im Profigeschäft nicht den Schlüssel für einen erfolgsorientierten Ergebnisfußball, sondern verzettelte sich in dem Versuch, eine individuell gut besetzte, aber schlecht ausbalancierte Mannschaft, deren Zusammenhalt zudem zu wünschen übrig ließ, spielerisch zu entwickeln.  

Dass Leitl als ein im Verein verwurzelter und ausgebildeter Trainer eine zweite Chance erhält, ist fair und ehrenwert. Der 40-Jährige muss nun aber zusammen mit dem ebenfalls erst während der Saison hinzugekommenen Sportdirektor Angelo Vier einen Kader mit Perspektive gestalten und den FCI neu ausrichten. Das Risiko, dass Leitl und Vier nicht mehr viel Kredit bei den Anhängern genießen, falls in der neuen Saison kein Fortschritt erkennbar ist, ist den Verantwortlichen bewusst. Doch schienen die Erfolgsaussichten mit einer neuen sportlichen Leitung, die den Verein nicht kennt, zum jetzigen Zeitpunkt nicht größer, zumal mit dem 1. FC Köln und Hamburger SV zwei Schwergewichte in die Liga kommen. Ganz abgesehen davon, dass auch Hauptsponsor Audi derzeit andere Sorgen hat, als dem FCI finanziell noch mehr unter die Arme zu greifen.  

Zur Einordnung der immer noch positiven Gesamtentwicklung der Schanzer hilft ein Blick ans Tabellenende der 2. Bundesliga. Mit Kaiserslautern und Braunschweig steigen zwei Traditionsklubs und ehemalige Deutsche Meister ab. Das mag über die nun vergangene Saison hinwegtrösten und zugleich aber auch Warnung für die Zukunft sein.

Die Leistung der FCI-Spieler in der Einzelkritik 

MARCO KNALLER

Der Österreicher wurde bei seinem Pflichtspieldebüt von seinen Vorderleuten im Stich gelassen. War bei den Toren machtlos und konnte sich kaum auszeichnen. Note 3,5

FREDERIC ANANOU

Der 21-Jährige konnte nicht an seine gute Leistung von Braunschweig anknüpfen. Der Rechtsverteidiger agierte wesentlich zurückhaltender und verlor etliche Zweikämpfe. Wagte sich auch nicht in die Offensive. Note: 4,5

MARVIN MATIP

Der Kapitän hatte Mühe, seine Abwehr zusammenzuhalten. Selbst in den Zweikämpfen tadellos, leistete er sich etliche Fehler im Spielaufbau. Bei seinem Kopfball in der ersten Halbzeit im Pech. Note 3,5

PHIL NEUMANN

Der Weg des 20-Jährigen beim FCI steht unter keinem glücklichen Stern. Der Innenverteidiger hatte Mühe, sich gegen die Lauterer Sturmspitzen zu behaupten. Zudem schied er in der 77. Minute nach einem Zusammenprall mit einem Nasenbeinbruch aus. Note 4,5

MARCEL GAUS

Der Linksverteidiger erzielte zwar seinen zweiten Saisontreffer für die Ingolstädter, doch leistete er sich davor die obligatorischen Aussetzer, die sein wachsamer Gegenspieler eiskalt nutzte. Note 5

TOBIAS SCHRÖCK

Der Verteidiger übernahm erneut die Position im defensiven Mittelfeld anstelle von Christian Träsch. Lieferte die gewohnt kämpferische Leistung, ohne dem Spiel nach vorne entscheidende Impulse geben zu können. Note 4

ALMOG COHEN

Der Israeli wirkte ausgelaugt. Von dem sonst so giftigen Zweikämpfer, der vor dem Seitenwechsel die beste FCI-Chance verpasste, war wenig zu sehen. Seine Auswechslung zur Halbzeit war nur folgerichtig. Note 4,5

THOMAS PLEDL

Der Rechtsaußen war noch an den meisten Offensivaktionen beteiligt, scheiterte jedoch stets im Abschluss. Auch ihm fehlten Leichtigkeit, Frische und Entschlossenheit. Note: 4

SONNY KITTEL

Der Spielmacher verriet nur in wenigen Situationen seine Extraklasse, ansonsten schaffte auch er es nicht, die Mannschaft mitzureißen. Seine guten Anspiele konnten seine Mitspieler jedoch nicht in Zählbares ummünzen. Note 3,5

ROBERT LEIPERTZ

Der Linksaußen ist mehr Torjäger als Laufwunder. Für ein dominantes Offensivspiel hat er zu wenig Anteil an den Aktionen. Zum Abschluss kam er in der ohnehin schwachen ersten Halbzeit nicht. Note 4,5

MORITZ HARTMANN

Der 31-Jährige führte das Team bei seinem Abschiedsspiel als Kapitän an. Versuchte noch einmal alles trotz der emotionalen Anspannung. Als Ballverteiler und Teamplayer bewies er wieder einmal seinen Wert, im Abschluss hatte er jedoch nicht mehr mit die nötige Durchschlagskraft. Note 3,5

MAX CHRISTIANSEN

Der Mittelfeldmann kam nach der Pause anstelle von Cohen. Den Beweis, dass er in der neuen Saison eine tragende Rolle einnehmen könnte, blieb der 21-Jährige allerdings schuldig. Die Zeichen bei ihm stehen auf Abschied. Note: 4,5

STEFAN KUTSCHKE

Der Dresdner sollte den „Bomber“ in der Sturmspitze unterstützen. Allzu viel Wirkung erzielte der 29-Jährige allerdings nicht. Die Partie lief an ihm vorbei. Note: 4,5

HAUKE WAHL

Kam in der 77. Minute für den verletzten Neumann. Zu diesem Zeitpunkt war aber die Luft aus dem Spiel weitgehend raus. Note: - /gst