"Ich muss vorneweg gehen"

05.11.2018 | Stand 02.12.2020, 15:18 Uhr
Harald Gärtner ist optimistisch für den Abstiegskampf in der 2. Fußball-Bundesliga. −Foto: Bösl

Geschäftsführer und Interims-Sportdirektor Harald Gärtner über die Krise bei Zweitliga-Schlusslicht FC Ingolstadt, die Arbeit von Trainer Alexander Nouri und die Suche nach einem Nachfolger für den entlassenen Angelo Vier.

Die Krise beim FC Ingolstadt macht Harald Gärtner zu schaffen. Nach der Entlassung von Angelo Vier fungiert der 49-Jährige nicht nur als Geschäftsführer Sport, sondern hat beim Tabellenletzten der 2. Fußball-Bundesliga auch die Aufgaben als Interims-Sportdirektor übernommen - und musste sich von seiner Ehefrau Melanie schon den Spruch gefallen lassen, ob er angesichts seiner zahlreichen Pflichten auch mal wieder zu Hause sei. Bevor der Workaholic gestern zu einer turnusmäßigen Sitzung der Deutschen Fußball-Liga (DFL) nach Frankfurt reiste, sprachen wir mit Gärtner über...

...den knapp verpassten Sieg bei Holstein Kiel: "Wir haben es gut gemacht und sehr viel investiert. Man hat in den beiden vergangenen Spielen gesehen, dass wir eine höhere Intensität hatten. Wir sind in Kiel fast 122 Kilometer gelaufen. Das ist die Basis, die du in der 2. Liga brauchst. Dass der eine oder andere Pass noch nicht ankommt, ist auch klar. Wir mussten ja erst mal diesen Negativlauf beenden. Aber: Zum Schluss haben wir uns in Kiel leider nicht mit drei Punkten belohnt. Wenn man da einen Punkt holt, ist das einerseits gut für die Entwicklung. Andererseits wäre ein Sieg nach der Zwei-Tore-Führung natürlich besser gewesen."

...den kleinen Aufwärtstrend, nachdem die Schanzer zuletzt immerhin zweimal in Folge ein Unentschieden holten: "Wir haben uns stabilisiert und müssen auf diesem Weg weitermachen. Die Mechanismen greifen besser. Die Mannschaft will und die Mannschaft arbeitet hart daran, dass wir punkten. Mit einem Sieg gegen Bielefeld (am kommenden Sonntag, d. Red.) können wir im Optimalfall an den anderen Teams, die knapp vor uns liegen, vorbeiziehen - das ist wichtig für den Kopf. Die Aufgabe für die kommenden Wochen muss sein, konstant zu punkten. Wir müssen alles reinhauen und zeigen, was in uns steckt. Für den Aufwand, den wir mittlerweile betreiben, müssen wir uns als Mannschaft mit zählbaren Ergebnissen belohnen."

...die Arbeit von Trainer Alexander Nouri, der auch nach sechs Partien auf seinen ersten Sieg wartet: "Er arbeitet sehr akribisch, ist kommunikativ, analysiert gut und versetzt sich in die Spieler rein. Er ist noch aktiver an der Seitenlinie geworden. Er macht alles mit seinem Trainerteam, dass wir die Wende schaffen. Durch das Fantreffen vor zwei Wochen hat er auch noch mal gemerkt, wie die Region und die Fans ticken. Das war ein wichtiger Schritt, um gemeinsam diese schwierige Phase zu meistern."

...mögliche Gedankenspiele über einen erneuten Trainerwechsel im Fall einer Niederlage gegen den MSV Duisburg oder einer weiteren Pleite am kommenden Sonntag gegen Arminia Bielefeld: "Das ist unnötiger Druck, den lassen wir uns im Moment nicht aufzwängen. Natürlich hat er (Alexander Nouri, d. Red.) zu Beginn vier Spiele verloren. Das Köln-Spiel nehme ich mal raus, da er nur einen Tag da war. Auf der anderen Seite war mit Sandhausen ein ganz schlechtes Spiel dabei. Ich will das auf keinen Fall nur von den Ergebnissen abhängig machen. Wir müssen schauen, wie die Mannschaft auftritt und was sie umsetzt. Dass das im Moment eine ganz schwierige Situation für den Verein ist, ist uns allen bewusst. Wir müssen uns wieder neu ausrichten und die Mannschaft stark machen gegen Bielefeld. Das ist insbesondere seine Aufgabe als Cheftrainer, dabei unterstützen wir ihn bestmöglich."

...die lange Saison im Abstiegskampf: "Ich schaue erst wieder am letzten Spieltag vor der Winterpause auf die Tabelle. Bis dahin wollen wir konstant punkten und dürfen den Glauben nicht verlieren, dass wir diese schwere Phase meistern und im Abstiegskampf bestehen können."

...seine ersten Tage als Interims-Sportdirektor: "Ich habe bei den Spielern und im Umfeld eine starke Verunsicherung festgestellt, aber die ist von Tag zu Tag gewichen. Es ist inzwischen eine etwas andere Stimmung im Mannschaft. Das ist für mich einer der ersten Schritte."

...die Suche nach einem Nachfolger für den entlassenen Angelo Vier: "Es gibt eine klare Absprache mit dem Aufsichtsrat, dass ich in die Bresche springe und die zusätzlichen Aufgaben übernehme - und der Verantwortung stelle ich mich im Sinne der Sache. Diese Entscheidung ist wohl überlegt und wir haben sie so getroffen, um nur noch wenige Ansprechpartner für das Team zu haben. Es ist wichtig, dass wir das ganze Gebilde stabil bekommen. Dann kann man in den nächsten Wochen mit Ruhe und ohne Druck auf die Suche nach einem neuen Sportdirektor gehen."

...seine gestiegene Verantwortung durch die Doppelfunktion als Geschäftsführer und Interims-Sportdirektor: "Den Druck habe ich immer und mache ich mir von meinem Selbstverständnis her auch selbst. Ich muss vorneweg gehen, das verlangt man auch von mir - mehr denn je. Ich werde alles in meiner Macht stehende tun, dass uns das gemeinsam gelingt und wir den Klassenerhalt schaffen."

...Verstärkungen zur Winterpause: "Wir schauen genau hin, wer in unserem Kader dem aktuellen Druck standhält, diesen steinigen Weg mitgeht und nicht sich, sondern die Mannschaft in den Vordergrund stellt. Dann können wir analysieren, ob wir im Winter die eine oder andere Korrektur vornehmen."

...den zuletzt zweimal nicht berücksichtigten Dario Lezcano: "Wir haben schon eine bestimmte Erwartungshaltung an Dario, die er grundsätzlich auch an sich selbst hat. Dem Trainerteam gefällt der eine oder andere Spiel- und Trainingsauftritt nicht so - aber daran arbeitet Dario. Wenn er das abruft, was er kann, ist er für uns ein enorm wichtiger Spieler. Das muss er dem Trainerteam auch jeden Tag zeigen. Gibt er weiter so Gas wie in den vergangenen Tagen, dann wird er auch wieder seine Chance erhalten."
 Football leaks: Appell an GlaubwürdigkeitKaum ein Tag vergeht derzeit ohne neue Enthüllungen über die dunklen Machenschaften im Fußball. Die von einem internationalen Rechercheverbund ausgewerteten „Football Leaks“ bestimmen die Schlagzeilen. „Das ist ja nichts Neues, dass darüber spekuliert wird“, sagt Harald Gärtner, Geschäftsführer und Interims-Sportdirektor beim FC Ingolstadt, über eine mögliche Einführung der sogenannten Super League.   „Wir sollten uns auf das Wesentliche konzentrieren – und das ist der deutsche Fußball. Im Moment mache ich mir über eine mögliche Super League weniger Gedanken, sondern beschäftige mich ausschließlich mit dem FC Ingolstadt“, ergänzt der 49-Jährige. Zu den  Vorwürfen gegen den heutigen Fifa-Präsidenten Gianni  Infantino hielt sich  Gärtner ebenfalls bedeckt. Infantino soll  als Uefa-Generalsekretär  2014 während der Ermittlungen gegen Paris Saint-Germain und Manchester City wegen Verstößen gegen das Financial Fairplay bislang unbekannte Absprachen mit den Klubs getroffen haben. Gärtner fordert  deshalb vor allem eines: „Wir müssen die Glaubwürdigkeit im Fußball  wiederherstellen.“