Ingolstadt
Aus und vorbei

Zweitliga-Schlusslicht FC Ingolstadt trennt sich mit sofortiger Wirkung von Geschäftsführer Harald Gärtner

27.03.2019 | Stand 23.09.2023, 6:24 Uhr
Nach zwölf Jahren beim FC Ingolstadt musste Harald Gärtner gestern gehen. Die Trennung sei in "beiderseitigem Einvernehmen" erfolgt, wie die Schanzer mitteilten. −Foto: Bösl

Ingolstadt (DK) Paukenschlag beim FC Ingolstadt: Vier Tage vor dem ersten "Endspiel" gegen den SV Sandhausen hat sich der Tabellenletzte der 2. Fußball-Bundesliga von Geschäftsführer Harald Gärtner getrennt. "Unterschiedliche Auffassungen" bei der künftigen Ausrichtung des abstiegsbedrohten Vereins führten zum Aus des 50-Jährigen. Ein Nachfolger steht noch nicht fest.

Um 15.39 Uhr war der Abschied von Gärtner perfekt. Mit einer 24-zeiligen Stellungnahme und einem ausführlichen Interview mit dem 50-Jährigen teilten die abstiegsbedrohten Schanzer auf ihrer Internetseite das Aus ihres dienstältesten Mitarbeiters mit. Nach zwölf Jahren habe man sich in beiderseitigem Einvernehmen getrennt, wie es in der Klubmitteilung hieß.

"Ich scheide mit einer gehörigen Portion Wehmut", sagt Gärtner. "Sicher hätte ich mir einen anderen Abschied nach einer intensiven und aus meiner Sicht auch erfolgreichen Tätigkeit (...) gewünscht. Das Wichtigste ist jedoch jetzt, dass wir den Klassenerhalt schaffen", so der geschasste Geschäftsführer weiter.

Gärtner kam im Frühjahr 2007 von den Sportfreunden Siegen zum FCI und wurde am 25. April als erster Sportdirektor des damaligen Regionalligisten vorgestellt. In die Ära des 50-Jährigen fallen die Aufstiege in die Bundesliga (2015) und 2. Liga (2008 und 2010) sowie der Abstieg in die 3. Liga (2009). Der Ex-Profi zeichnete sich zudem für die Ausgliederung der Profiabteilung, den Stadionbau und die Gründung des Nachwuchsleistungszentrums verantwortlich. Ab 2011 arbeitete der gebürtige Gießener als Geschäftsführer Sport und Kommunikation. Nach der Entlassung von Angelo Vier im Oktober 2018 fungierte Gärtner zudem als Interims-Sportdirektor.

"Er hat in den zwölf Jahren Unglaubliches geleistet und sich immer zu einhundert Prozent für den Klub eingebracht", würdigte Klubboss Peter Jackwerth seinen langjährigen Wegbegleiter, dessen Vertrag noch bis 2020 lief. "Der heutige Tag ist eine Zäsur. Aber es wird weitergehen und wir müssen nun mit dem bestehenden Personal noch enger zusammenrücken, um die 2. Bundesliga zu halten", ergänzte der 61-Jährige. Nach ersten Gesprächen in den vergangenen Tagen seien beide zu dem Entschluss gekommen, dass eine "Neuausrichtung mit neuen Leuten" erfolgen müsse, so Jackwerth. "Es ist deshalb auch keine Floskel, dass die Trennung in beiderseitigem Einvernehmen stattfand", stellte der Vorstandschef klar.

Trotz seiner Verdienste um die Professionalisierung des nach wie vor jungen Klubs, machte sich Gärtner in den vergangenen Jahren mit einigen sportlichen Fehlentscheidungen angreifbar - wenngleich diese laut Jackwerth nicht zur Trennung geführt hätten. Doch Gärtner hat die aktuelle, desaströse Saison maßgeblich mitzuverantworten. Sein größter Fehler war, dem unerfahrenen Vier als Sportdirektor völlig freie Hand zu lassen.

So konnte der gebürtige Berliner zusammen mit Ex-Trainer Stefan Leitl eine Mannschaft zusammenstellen, die den Ansprüchen in der 2. Liga nicht genügte. Zudem durfte Vier im September 2018 mit Alexander Nouri einen alten Bekannten als Nachfolger von Leitl engagieren. Das trostlose Kapitel war aber schon wieder nach zwei Monaten und acht sieglosen Spielen beendet.

Nach der überfälligen Entlassung von Vier im Oktober 2018 sprang Gärtner als Sportdirektor ein und bekam einen Monat später Thomas Linke als Berater zur Seite gestellt. Zusammen mit dem Ex-Sportdirektor verpflichtete Gärtner mit Jens Keller seinen einstigen Wunschkandidaten als Trainer. In der Winterpause krempelte das Trio dann den Kader um und versuchte die Versäumnisse aus dem Sommer zu beheben. Mit Torwart Philipp Tschauner und den Abwehrspielern Mergim Mavraj und Björn Paulsen gelang dies zumindest in Ansätzen im Defensivbereich. In der Offensive wird ein Torjäger allerdings weiter schmerzlich vermisst.

"Sicher habe ich auch Fehler gemacht, dass wir nach dem Bundesliga-Abstieg nicht die Erwartungen erfüllen konnten und derzeit in kräftigen Turbulenzen stecken", meinte Gärtner, der sich zuletzt rar machte und einen erschöpften Eindruck erweckte. "Ich weiß heute sehr genau, was vorübergehend an dem einen oder anderen Punkt schief gelaufen ist, aber im Nachhinein darüber zu sprechen ist nicht zielführend und darum soll es auch nicht mehr gehen", ergänzte er.

Der Tabellenletzte taumelt mit 19 Punkten nach 26 Spieltagen - der schlechtesten Ausbeute der Vereinsgeschichte - dem Abstieg entgegen. Lediglich aufgrund der schwächelnden Konkurrenz aus Sandhausen, Magdeburg und Duisburg dürfen die Ingolstädter vor ihren acht "Endspielen" noch auf den Klassenerhalt hoffen. Die Unruhe durch die Trennung von Gärtner ist dem Abstiegskampf aber sicherlich nicht zuträglich.

Trotz seiner Freistellung spricht der 50-Jährige weiter von "Wir" und rechnet nach wie vor mit der Rettung. "Ich bin optimistisch, dass wir den Klassenerhalt schaffen. Denn ich bin vom Charakter und der Mentalität all unserer Spieler überzeugt", stellte Gärtner fest, dessen Aufgaben bis auf Weiteres von Finanz-Geschäftsführer Franz Spitzauer, Prokurist Florian Günzler und Cheftrainer Keller übernommen werden sollen.

"Wir suchen jetzt ligaunabhängig einen Geschäftsführer Sport - und der muss entscheiden, ob er einen Sportdirektor braucht", erklärte Jackwerth auf Nachfrage. Bislang haben allerdings noch keine Gespräche mit möglichen Kandidaten stattgefunden. Ganz anders stellt sich die Situation bei Keller dar. Nach Informationen unserer Zeitung ist dem 48-Jährigen in den vergangenen Tagen ein mündliches Angebot zur Verlängerung seines zum Saisonende auslaufenden Vertrags unterbreitet worden.

 

Julian Schultz