Nach
Adieu Évian

06.07.2016 | Stand 02.12.2020, 19:35 Uhr

Nach viereinhalb Wochen tut der Abschied nicht weh. Im Gegensatz zu Oliver Bierhoff, der das Gefühl hatte, das Turnier habe erst angefangen, herrschte gestern bei den Kollegen eitel Freude, denn wir dürfen diesen Ort am letzten Zipfel Frankreichs verlassen.

Ja, Évian ist ein schönes französisches Dörfchen, aber wie das so ist: Das Beste an Évian ist die Straße nach Genf oder Montreux, wo gerade das Jazz-Festival läuft. Aber leider war uns das nur ein Tag vergönnt.

Apropos: Die Mär vom schönsten Job der Welt möchte ich gar nicht erst widerlegen, es würde mir tatsächlich niemand glauben. Insofern erspare ich mir die Klagen über geschlossene Kneipen, nicht vorhandene Unterhaltung, ein spartanisches französisches Fernsehprogramm und knarrende Dielen im Holzhaus mit acht Kollegen in vier Appartements, deren Schlafgewohnheiten ich ausführlich benennen könnte.

Was bleibt von Évian? Am Ende eine Delle im Kotflügel, der mir den vorletzten Tag ein wenig versaut hat. Der Wagen stand bei meiner Jogging-Route vor einem typischen französischen Bäckerladen mit Tischen vor der Tür, an dem zwei fröhliche Franzosen ihren Pastis am Nachmittag schlürften. Als ich die Beule sah, schauten die Herren demonstrativ in die andere Richtung. Nein, sie hatten nichts gesehen und gehört. Saublöd. Aber unter dem Scheibenwischer klemmte eine Visitenkarte. Ein Security-Angestellter aus dem Mannschaftshotel. Nach, sagen wir gefühlten zwei Stunden am Telefon, stand fest, dass die französische Überwachung funktioniert: der Kerl hatte den Crash gesehen, den Unfallfahrer fotografiert und den Fall zur Anzeige bei der Polizei gebracht. Besser geht es nicht.

Und auf der Glückswelle schwimmend, war mir auch eine Sicherheitsdame hold, die gestern Morgen tatsächlich meine Koffer im vollbepackten Wagen kontrollieren wollte. Am Pressezentrum, das eine Stunde später abgebaut wurde. No. Sie war unerbittlich. Als sie dann aber im Kofferraum ein Magnetschild mit der deutschen Flagge sah, leuchteten ihre Augen. Und das wiederum bringt mich zur Feststellung, dass sich die eine oder andere Sicherheitskontrolle in Frankreich leicht umgehen lässt. Ein Magnetschild mit der Deutschland-Flagge. Aber vielleicht war es nur mein Glückstag. Weil ich ja auch Évian verlassen darf. Es geht nach Marseille. 580 Kilometer auf der vorletzten Etappe meiner Tour de France. Vielleicht ist es aber auch die letzte.

 

Wolfgang Stephan berichtet in einem Tagebuch von der EM in Frankreich.