Regensburg
Auf dem Weg nach oben

Der Durchmarsch des SSV Jahn von der Regionalliga in die 2. Fußball-Bundesliga ist zum Greifen nah

20.04.2017 | Stand 02.12.2020, 18:16 Uhr

Derzeit läuft es: Der SSV Jahn Regensburg holte zuletzt drei Siege am Stück. Bei noch ausstehenden fünf Partien haben die Oberpfälzer als aktueller Tabellenzweiter gute Chancen, in die 2. Bundesliga aufzusteigen. Darüber reden möchte bei den Regensburgern derzeit aber niemand. - Fotos: Schroedter/Imago

Regensburg (DK) Der SSV Jahn Regensburg war der Sieger des 33. Spieltags in der 3. Liga und hat als neuer Tabellenzweiter den Aufstieg in die 2. Bundesliga nun in eigener Hand. Das Team um Trainer Heiko Herrlich müht sich jedoch um Bescheidenheit - das Wort "Aufstieg" nimmt noch keiner in den Mund.

Christian Keller blickt auf seine Hände, dann formt er mit diesen eine Schale. "Die Fähigkeit, als Mannschaft aufzutreten, ist wie ein Schatz", sagt der Geschäftsführer Profifußball. "Den muss man ganz fest in seinen Händen halten, denn er kann einem auch jeden Tag aus den Händen gleiten. Deshalb muss man jeden Tag aufs Neue daran arbeiten, dass die Mannschaft geschlossen agiert und die Spieler füreinander da sind."

Der SSV Jahn Regensburg hält derzeit so fest zusammen wie selten zuvor in seiner oft turbulenten Vereinsgeschichte. Die Oberpfälzer sind seit Ostersamstag Tabellenzweiter mit 53 Punkten hinter Spitzenreiter MSV Duisburg (58). Holstein Kiel und der 1. FC Magdeburg folgen mit einem Punkt Abstand. Fünf Spiele vor Ende der Saison hat der Jahn gute Chancen, in die 2. Fußball-Bundesliga aufzusteigen und innerhalb von zwei Spielzeiten von der Regionalliga in die Zweite Liga durchzumarschieren. Während alle drei Konkurrenten am vergangenen Wochenende jeweils nur 1:1 spielten, holte der SSV mit einem 3:1-Heimsieg gegen den SV Werder Bremen II den dritten Sieg am Stück. Am Samstag (14 Uhr) geht es zum Tabellen-15. SV Wehen Wiesbaden, eine Woche später treffen die Regensburger auf Konkurrent Kiel. Selbst Gästetrainer Florian Kohfeldt schwärmte nach dem Heimsieg des Jahn gegen Bremen über die Leistung des SSV: "Das ist wirklich schöner Fußball, den man hier spielt."

Es wäre der dritte Aufstieg des Jahn in die 2. Bundesliga nach 2003 und 2012. Bisher ging es nach nur einer Saison gleich wieder hinunter. Doch dieses Mal könnten sich die Regensburger dank eines professionellen Umfelds in Liga zwei etablieren. Lang genug ist der Jahn von Krise zu Krise geschlittert, von der gerade noch abgewendeten Insolvenz 2005 über den Absturz in die damals viertklassige Bayernliga ein Jahr danach und die Posse mit Großsponsor Rewag, der dem SSV 2009 sogar den Strom abstellte, bis zum Juni 2015, als die glanzvolle Eröffnung der neuen Continental-Arena und der bittere Abstieg in die Regionalliga fast auf den Tag genau zusammentrafen.

"Das, was wir in der Abstiegssaison und auch schon im Jahr davor angestoßen haben, trägt jetzt langsam Früchte", sagt Keller. "Wir haben natürlich auch ein paar Dinge falsch gemacht, gerade in der Abstiegssaison. Aber die wesentlichen Entwicklungen haben wir schon damals eingeleitet. Und als das neue Stadion da war, wurden viele dieser Dinge auch nach außen sichtbar beziehungsweise wahrnehmbar."

Durch die neue Arena im Süden der Stadt konnte der Verein vor allem höhere Sponsorengelder akquirieren. Im Schnitt kommen 5700 Zuschauer in das Stadion. Der SSV habe eine Markenidentität konzipiert und eine klare Organisationsstruktur geschaffen, erklärt Keller. Der Klub soll drei Attribute erfüllen: Ambition, Bodenständigkeit und Glaubwürdigkeit.

Scheinbar sitzen nun auch die richtigen Leute auf den entscheidenden Posten - und das kontinuierlich. Eine der besten Personalentscheidungen war es dabei, Heiko Herrlich in die Domstadt zu holen. Der Ex-Nationalspieler, der mit Borussia Dortmund Deutscher Meister wurde und die Champions League gewann, setzt vor allem auf Teamfähigkeit und hat aus der Mannschaft jene eingeschworene Gemeinschaft geformt, die nun auf dem Sprung in die zweite Liga ist. "Ich messe meine Spieler an zwei Dingen: Teamfähigkeit und Siegermentalität", erklärte der 45-Jährige gestern nach dem Training. "Das muss vorgelebt werden, man muss versuchen, die Leute damit anzustecken." Kritisch beäugt er seine Spieler - auf dem Trainingsplatz wie in den Liga-Spielen. Es gebe nichts, was man nicht noch verbessern könne. "Es gibt vier Leistungsfaktoren: Technik, Taktik, Athletik, Persönlichkeit. Keiner unserer Spie-ler kommt bei diesen vier Faktoren in die Nähe von 100 Prozent."

Herrlich habe einen entscheidenden Beitrag zur positiven Entwicklung des Vereins geleistet, findet Keller. "Seit er zu uns gekommen ist, lebt er unseren Spielern jeden Tag vor, für was der SSV Jahn stehen will." Aber auch die Spieler selbst hätten sich weiterentwickelt. "Wir hatten im vergangenen Jahr eine schwierige Regionalliga-Saison, in der wir uns mit Ach und Krach über die Ziellinie gerettet haben. Aber auch da hat die Mannschaft schon gezeigt, dass sie in den entscheidenden Situationen zusammenhält. Diesbezüglich hat sie sich in dieser Saison noch einmal einen Schritt weiterentwickelt."

Das Wort "Aufstieg" nimmt in Regensburg aber noch niemand in den Mund. Die Bescheidenheit ist überall zu spüren. "Ich weiß, wie eng alles in der Liga ist. Es waren schon viele Mannschaften, die jetzt zwischen Platz zwei und Platz zwölf stehen, Aufstiegsaspiranten", sagt Herrlich. Deshalb wolle er stets nur auf das nächste Spiel schauen. "Ich glaube nicht, dass uns eine der nächsten fünf Mannschaften nur einen Punkt oder eine Aktion schenken wird."

Abseits des Platzes ist der SSV auf jeden Fall bereit für den Sprung in Liga zwei: "Wenn der Fall eintreten sollte, wären wir vorbereitet", sagt Keller. "Wir sind mit Sicherheit sehr ordentlich aufgestellt."