Gelsenkirchen
Verkorkster Abschluss eines verkorksten Jahres

Bitteres Remis: Deutsche Fußball-Nationalelf gibt gegen die Niederlande eine 2:0-Führung noch her

19.11.2018 | Stand 02.12.2020, 15:12 Uhr
Leroy Sane (r) ist gegen Marten de Roon einen Schritt schneller am Ball. −Foto: Marius Becker (dpa)

Gelsenkirchen (DK)  Erneuter Nackenschlag für die deutsche Fußball-Nationalelf: Bis in die Schlussphase hinein sah sie am Montagabend  gegen die Niederlande wie der sichere Sieger aus, führte nach einem spielerisch starken Auftritt verdientermaßen mit 2:0 – und musste sich am Ende dann doch mit einem mageren 2:2-Remis begnügen.

Damit geht das Zittern für die  DFB-Auswahl weiter. Sie hat es nun immer noch nicht definitiv in den Topf 1 bei der EM-Qualifikationsgruppenauslosung für 2020 geschafft – die Polen könnten das deutsche Team mit einem Punktgewinn am Dienstagabend in Portugal wieder aus den Top Ten Europas hinausbefördern. Das Herschenken eines so sicher geglaubten Erfolges – es passte so recht zu einem schwarzrotgoldenen Kalenderjahr voller Pleiten, Pech und Pannen. Als amtierender Weltmeister ging es hinein, als angeschlagener Riese des Weltfußballs wird es jetzt verlassen – erst recht nach dem bitteren Unentschieden in der Arena Auf Schalke.

Es hätte so schön sein können, wenn am Montagabend der ewige Erzrivale geschlagen und ihm damit der erste Platz in der Nations-League-Gruppe A I (zugunsten von Frankreich) entrissen worden wäre. Lange Zeit sah es ja tatsächlich daran aus -  und das lag vorrangig wieder an den „jungen Wilden“. Man nehme nur Treffer Nummer eins in der neunten Minute: Der 23-jährige Serge Gnabry legte gedankenschnell vor, der 22-jährige Timo Werner vollendete mit einer blitzsauberen Volleyabnahme aus rund 18 Metern Torentfernung. Dieses 1:0 – irgendwie eben auch das Resultat eines neu gewonnenen Selbstvertrauens innerhalb des DFB-Teams. Der jüngste 3:0-Erfolg am Donnerstag gegen Russland in Leipzig hatte der deutschen Psyche definitiv gut getan. Der Glaube, doch noch kicken zu können – er ist zurück.

Ebenso wie etwas, das von Experten gerne als Spielglück bezeichnet wird. Natürlich nahm Leroy Sané das Zuspiel von Toni Kroos in der 19. Minute schön an, selbstverständlich war sein anschließender Schuss von der Strafraumgrenze aus technisch hochwertig – aber dass jener zum 2:0 im rechten Eck einschlug, lag eben auch daran, dass er von einem niederländischen Abwehrbein unhaltbar abgefälscht wurde.

Bundestrainer Löw jubelte, klatschte, ging nach den beiden Treffern richtiggehend aus dem Sattel. Erleichterung pur beim 58-Jährigen, sein endlich eingeleiteter Umbruch light trägt also Früchte – auch wenn der Schwarzwälder diesmal den am Donnerstag überragenden Kai Habertz doch wieder für den arrivierten Kroos in der Startelf opferte, auch wenn der in der Bundesliga zuletzt schwächelnde Mats Hummels doch wieder eine Bewährungschance von Anfang an erhielt.

Thomas Müller dagegen hat's aktuell schwer beim Bundes-Jogi. Kein feierlicher 100. Länderspieleinsatz von Anfang an – der 29-Jährige saß zunächst mit modischer Mütze in schwarzweiß nur draußen. Nun gut, ein paar Sprints an der Seitenlinie durfte er vor dem Pausenpfiff schon machen – allerdings eher unbemerkt von der breiten Öffentlichkeit. Die scheint sich längst andere Lieblinge gesucht zu haben.

Löws Taktik ging zu diesem Zeitpunkt noch hundertprozentig auf – nämlich die Niederländer kommen zu lassen, ihnen dann die Kugel abzuluchsen und anschließend blitzschnell nach vorne umzuschalten.  Die Gäste in Oranje hatten vor dem Pausenpfiff tatsächlich knapp 60 Prozent Ballbesitz - ohne hiermit für konkrete Gefahr sorgen zu können. Ihre beste Chance: ein Kopfballquerschläger von Niklas Süle auf das eigene Tornetz (34.). Ansonsten gewannen die DFB-Kicker alle wichtigen Defensivzweikämpfe, standen in der Abwehr felsenfest.

Zugegeben, nach dem Seitenwechsel wirkten die Holländer noch dominanter, attackierten das deutsche Team noch früher – bloß es sprang für sie weiterhin nichts Zählbares heraus. Da wirkten die jetzt nur mehr sporadischen Konter der DFB-Auswahl immer noch gefährlicher. Dumm nur für die Löw-Truppe, dass Werner die Kugel nach einem dieser blitzschnellen Gegenstöße freistehend am langen Eck vorbeisetzte (62.). Unmittelbar danach war für den Leipziger Schluss, und auch Gnabry musste in der 67. Minute vom Feld – eben für Müller, der damit doch noch an diesem 19. November 2018 in den erlauchten Hunderterklub der deutschen Fußball-Nationalmannschaft aufstieg.

Anschließend begann das große Warten auf eine fulminante Schlussoffensive der Niederländer, aber eine solche kam lange Zeit nicht. Der Anschlusstreffer, erzielt von Quincy Promes mit einem trockenen 18-Meterschuss ins rechte Eck – er fiel quasi aus dem Nichts (85.). Aber damit nicht genug: In der ersten Minute der Nachspielzeit segelte noch eine letzte Flanke in den deutschen Strafraum, Virgil van Dijk stand dort genau richtig und vollendete zum 2:2-Ausgleich. Nein, viel dümmer hätte diese Partie für das DFB-Team nicht enden können.

Deutschland: Neuer - Süle, Hummels, Rüdiger - Kehrer, Kimmich, Kroos, Schulz – Sané (80. Goretzka), Gnabry (67. Müller), Werner (63. Reus). 
Niederlande: Cillessen - Tete, de Ligt, van Dijk, Blind - de Roon, F. de Jong, Wijnaldum (60. Vilhena) - Promes, Depay, Babel (45. Dilrosun /67. L. De Jong). 
Tore: 1:0 Werner (9.), 2:0 Sane (19.), 2:1 Promes (85.), 2:2 van Dijk (90.+1). 
Schiedsrichter: Hategan (Rumänien).
Zuschauer: 42.186.