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Geliebter Feind

Beim Super Bowl treffen San Francisco und Baltimore mit den Brüdern Jim und John Harbaugh als Cheftrainer aufeinander

01.02.2013 | Stand 03.12.2020, 0:32 Uhr

Bruderduell: John (links) und Jim Harbaugh stehen sich als Trainer mit ihren Mannschaften im Super Bowl gegenüber. - Foto: Zuma Press/imago

New Orleans (DK) Berühmte Brüderpaare der Weltgeschichte gingen nicht immer brüderlich miteinander um. So weit wird es zwischen Jim und John Harbaugh freilich nicht kommen. Sie lassen in der Nacht zum Montag im Superdome von New Orleans lieber ihre Schützlinge aufeinander los, die in der 47. Auflage des Endspiels der National Football League (NFL), dem Super Bowl, für sie die Knochen hinhalten. Dann treffen die San Francisco 49ers mit Cheftrainer Jim Harbaugh auf die Baltimore Ravens mit Chefcoach John Harbaugh.

Erstmals in der Geschichte des Football-Finales stehen Brüder an den gegenüberliegenden Seitenlinien des Spielfelds. Dazu zwei, die „sich einst ein Kinderzimmer teilten, werden sich die größte NFL-Bühne teilen“, philosophierte das US-Blatt „Sports Illustrated“ passend. Es ist sogar die größte Bühne des US-Sports überhaupt. Knapp eine Milliarde Menschen schalten dafür weltweit den Fernseher ein. In Deutschland überträgt SAT1 ab 0.10 Uhr live. In den USA allein sind weit über 100 Millionen Zuschauer dabei. Ein paar vielleicht, weil Alicia Keys die Nationalhymne singt und Beyoncé die Halbzeitshow bestreitet.

Das Spiel steht aber auch darüber hinaus derart im Fokus der Öffentlichkeit, dass die Amerikaner schon vorab eine Rassismusdebatte über eine VW-Autowerbung führen, die während einer der Pausen erst gezeigt wird. Und dazu eine homophobe Debatte, weil sich 49ers-Cornerback Chris Culliver vor den Medien verplapperte: Er wolle keine homosexuellen Kollegen („Ich kann keine Süßen um mich haben“) in der Kabine. Das gefiel weder seinem Team aus der Schwulenhochburg San Francisco noch der Liga. Culliver entschuldigte sich schnell und überließ wieder den Trainern die Bühne.

Der einzige, der da noch vernünftig mithalten und den Harbaughs ihren „HarBowl“ – wie die US-Medien das Spiel phonetisch umtauften – annähernd streitig machen kann, ist Ravens-Verteidiger Ray Lewis. Der 37-jährige Kapitän beendet nach der Partie seine illustere Karriere. Seit er das angekündigt hat, wird jede seiner Bewegungen in Großaufnahme eingefangen. Wie er, der harte Kerl, sich mit verheulten Augen auf die Knie wirft, die Arme zum Himmel reckt und später Bibelverse ins Mikrofon predigt. Auch das nehmen die US-Medien gerne auf, werden der Bilder aber auch langsam überdrüssig, obwohl Lewis zu den 20 oder 30 Besten gehört, die jemals in der NFL spielten.

Er steht in Baltimore sinnbildlich für eine (nach dem Gewinn 2000) weitere und wohl letzte große Titelchance von ein paar alternden Haudegen, die zusammen eine furchterregende Verteidigung bilden.

Die Ravens sind Dauergast in den NFL-Play-offs seit John Harbaugh 2008 das Zepter übernommen hat. Sie spielen grundsolides, hartes Football und haben in Joe Flacco einen bisher eher belächelten Spielmacher, der aber gerade groß auftrumpft.

Dem stehen die leicht favorisierten 49ers quasi als das große Versprechen an die Zukunft gegenüber. Erst vor wenigen Jahren lag der fünfmalige Super-Bowl-Champion einstiger Legenden wie Spielmacher Joe Montana oder Passempfänger Jerry Rice mit der schlechtesten Bilanz aller NFL-Teams am Boden. Seit Jim Harbaugh vorletzte Saison übernommen hat, geht es endgültig steil nach oben. Wenn auch nicht mehr in dem Stil von früher, als Montana/Rice den Luftraum beherrschten.

John Harbaugh setzte im Saisonverlauf überraschend den unerfahrenen Colin Kaepernick als seinen Quarterback und verlängerten Arm auf dem Feld ein. Seitdem läuft das Spiel seines defensivstarken Teams auch im Angriff besser. Im wahrsten Sinne des Wortes. Der 25-Jährige besitzt einen gewaltigen Wurfarm und stand bereits auf dem Sprung in die Baseballprofiliga, er ist aber vor allem wieselflink. In der ersten Play-off-Runde gegen die Green Bay Packers rannte Kaepernick alleine zu 181 Yards Raumgewinn, so viel wie nie ein Spielmacher zuvor. Dieser Allzweckwaffe standen schon einige gegnerische Verteidigungsreihen recht ratlos entgegen.

Als Jim Harbaugh den Quarterback vor zwei Jahren im Draft aus den Nachwuchsspielern auswählte, dachte sein Vater Jack nur: „Ein weise Entscheidung.“ Das wiederholte der Senior (einst selbst erfolgreicher Trainer im Collegebereich) jetzt auf einer eigenen Presskonferenz mit Ehefrau Jackie Harbaugh. Beide werden am Sonntag mit zerrissenem Herzen auf der Tribüne sitzen. „Wir werden nachher beide unserer Jungs umarmen und sagen, wie stolz wir auf sie sind“, sagt die Mutter. Aber Jack weiß auch: „Einer wird der Sieger sein, der andere komplett enttäuscht. Mit dem sind dann unsere Gedanken.“