Ingolstadt
Der Fluch der guten Leistung

Nach Abgang von Top-Spielern: Ingolstadt Dukes hinken in der 1. Bundesliga den Erwartungen hinterher

30.07.2018 | Stand 02.12.2020, 15:58 Uhr
Hat noch eine Menge Arbeit vor sich: Nach nur zwei Siegen aus neun Spielen hat Dukes-Headcoach Eugen Haaf die Play-offs in der 1. Football-Bundesliga bereits abgehakt. −Foto: Foto: Lüger

Ingolstadt (DK) Nur zwei Siege aus den bisherigen neun Spielen der 1. Football-Bundesliga - eine Bilanz, mit der die Ingolstadt Dukes, die im Vorjahr als Aufsteiger noch für Furore gesorgt hatten, nicht zufrieden sein können.

Bevor es nach vierwöchiger Pause am kommenden Samstag mit einem Heimspiel gegen die Kirchdorf Wildcats weitergeht, ist es Zeit für eine Zwischenbilanz. Headcoach Eugen Haaf macht die hohe Erwartungshaltung, fehlende Führungsspieler und den Abgang etlicher Leistungsträger für die bisher recht bescheidene Saison verantwortlich - und kündigt an, dass sich die Mannschaft neu erfindet.

Herr Haaf, in der vergangenen Saison als Aufsteiger in die Play-offs, in diesem Jahr geht es inzwischen nur noch darum, die Klasse zu erhalten. Als Headcoach sind Sie damit sicherlich nicht zufrieden.
Eugen Haaf: Das sehe ich nicht so. Normalerweise ist das zweite Jahr immer das schwerste. Das haben wir jetzt auch erfahren müssen. Aber wir haben im Umfeld auch extremste Veränderungen hinnehmen müssen. Uns sind die wichtigsten Schlüsselspieler weggebrochen, wir sind gerade dabei, uns neu zu erfinden.

Das sah nach der zurückliegenden Saison aber noch ganz anders aus. Auch, weil wieder eine ganze Reihe von jungen, talentierten und hungrigen Spielern verpflichtet wurde.
Haaf: Wir Trainer haben uns schon nach den Play-offs zusammengesetzt und die neue Saison geplant. Mit Colton Korn haben wir einen verheißungsvollen Offense-Koordinator geholt, von dem wir uns viel versprochen haben. Er wollte unser System komplett umstellen und eine sogenannte RPO-Offense installieren, die einen Wechsel zwischen Lauf- und Passspiel vorsieht. Dazu holte er mit Nelson Hughes einen laufstarken Quarterback und mit Ritchie Sanders einen dazu passenden Receiver.

Warum war Korn dann schon nach wenigen Wochen nicht mehr da? Hatte es da intern Probleme gegeben?
Haaf: Nein, gar nicht. Aber er hat bald festgestellt, dass es ihm hier nicht gefällt. Es war kalt und hat viel geregnet, damit kam Korn, der aus dem sonnigen South Carolina kommt, gar nicht zurecht. Er hatte nur noch Heimweh und wollte zurück in die Staaten.

Dass Sanders auch bald wieder weg war, lag aber nicht am Wetter.
Haaf: Nein, bei ihm hat einfach die Chemie nicht gestimmt. Er hat sich nicht nur mit den Mitspielern, sondern auch mit den Trainern angelegt. Da mussten wir einfach einen Schlussstrich ziehen. Und damit waren wir an einem Punkt, wo wir entscheiden mussten, ob wir das neue, von Korn eingeführte System beibehalten oder wieder auf unser altes System, die Spread-Offense, zurückgreifen wollen.

Wobei Sie sich für die letztere Variante entschieden haben. Warum?
Haaf: Nun, so musste nur Quarterback Hughes sich umstellen, im anderen Fall hätten sich mindestens 25 Offense-Spieler neu orientieren müssen. Das Problem war nur, dass wir damit sechs bis acht Wochen umsonst gearbeitet hatten und wieder von vorne beginnen mussten.

Aber so schlimm kann das doch nicht gewesen sein, die meisten Spieler kannten das System ja noch vom Vorjahr.
Haaf: Das schon, aber dann kam plötzlich erschwerend hinzu, dass etliche Stützen der Mannschaft gegangen sind. Wenn man bedenkt, dass mit Christopher Ezeala ein Mann ging, der inzwischen bei den Baltimore Ravens einen Vertrag in der NFL hat, dann weiß man, wie schwer uns das getroffen hat. Für uns ist so ein Mann, der ja sowohl Safety als auch Linebacker oder Running Back gespielt hat, absolut unersetzlich. Mit David Bada hatten wir im Jahr zuvor ebenfalls einen der besten deutschen Abwehrspieler an den Deutschen Meister Schwäbisch Hall verloren. Das sind Lücken, die kaum zu schließen sind.

Und das waren ja nicht die einzigen Abgänge. Auf Ihre Spieler sind nach der tollen Premieren-Saison in der GFL weitere Klubs aufmerksam geworden. Ist das der Fluch der guten Leistung?
Haaf: Das kann man so sagen. Die Dresden Monarchs zum Beispiel haben Robert Krejca geholt, zudem haben wir Spieler wie Daniel Posmik oder Johannes Zirngibl verloren, die ein Vollstipendium an einem US-College erhalten haben und deshalb nicht zu halten waren. Und nicht zu vergessen Jerome Morris, der aus privaten Gründen nach Braunschweig wechselte. Er war eine absolute Leitfigur, der die anderen immer wieder mitgezogen hat. Er fehlt an allen Ecken und Enden.

Findet sich denn niemand, der seine Rolle übernehmen kann? Gerade die US-Amerikaner wären doch aufgrund ihrer Erfahrung dafür geeignet.
Haaf: Da muss man aber sehen, dass sie alle noch sehr jung sind. Bisher hatten wir mit Rick Webster, Joshua Morgan oder Richard Samuel Importspieler im gesetzten Alter, die auch schon drei Jahre aufeinander eingespielt waren. Jetzt haben wir junge Burschen, die sich erst einmal in einem ihnen fremden Land zurecht finden müssen. Wir haben insgesamt die jüngste Mannschaft, die jemals für die Dukes gespielt hat. Wir haben sicher einige ganz große Talente in unseren Reihen, aber momentan sind sie noch mit ihrer Rolle überfordert.

Dennoch ist das Team doch mit einer anderen Zielsetzung als Klassenerhalt in die Saison gegangen.
Haaf: Unser größtes Problem war, dass die Erwartungshaltung nach den Erfolgen der vergangenen Jahre einfach zu hoch war. Man gibt uns nicht die Zeit, die wir brauchen, um uns neu aufzustellen. Ich habe mir das auch anders vorgestellt. Aber heuer war es aus den angeführten Gründen einfach extrem schwer, die Leistungsdichte des vergangenen Jahres wiederherzustellen.

Wie wollen Sie jetzt die Saison noch zu Ende bringen?
Haaf: Für uns geht es nur noch darum, wenigstens den Anschluss an das untere Mittelfeld herzustellen. Um nichts anderes geht es mehr. Auf keinen Fall wollen wir noch ganz runter, denn auf die Relegation habe ich keine Lust. Die Münchner haben vor dem Kirchdorf-Spiel (Anmerkung der Red: Die Wildcats haben gegen die Cowboys mit 13:12 gewonnen) noch von den Play-offs geredet, für mich ist das längst kein Thema mehr.

Ihre Mannschaft hat aber gerade gegen die starken Teams öfters gezeigt, dass auch die Play-offs möglich wären. Andererseits waren auch Spiele zum Vergessen dabei.

Haaf: Das einzig Positive ist, dass wir meist nur knapp verloren haben, da gaben oft nur Kleinigkeiten den Ausschlag. Es stimmt, dass wir gegen die Top-Teams meist besser ausgesehen haben. Irgendwie haben wir uns immer dem Niveau angepasst.

Wie wollen Sie das in der kommenden Saison wieder ändern, steht dann wieder ein Team auf dem Platz, das von der ersten bis zur letzten Minute alles gibt?
Haaf: Wir sind gerade dabei, uns neu zu erfinden. Das ist ein Puzzle mit unzähligen Teilen. Und wir haben noch nicht einmal die Hälfte aufgearbeitet. Wir können nur daran arbeiten, von Tag zu Tag besser zu werden. Und es müssen sich bald Führungsspieler herauskristallisieren. Die sind sicher schon da, aber sie brauchen noch etwas.

Das Interview
führte Elmer Ihm.