"Wir sind die kleinen Gallier"

03.05.2017 | Stand 02.12.2020, 18:12 Uhr

Morgen startet die Auswahl des deutschen Eishockey-Bundes gegen die USA in die Heim-WM. Für Bundestrainer Marco Sturm ist das Turnier in Köln und Paris der Höhepunkt seiner bisherigen Amtszeit. Ziel ist wie 2016 das Viertelfinale.

Köln (dpa) Die Vorzeichen waren wohl noch nie so gut, jetzt muss die stark besetzte deutsche Eishockey-Auswahl bei der Heim-WM die hohen Erwartungen auch erfüllen. Sogar noch ohne den in dieser Saison zum NHL-Star aufgestiegenen Leon Draisaitl fühlt sich das Team von Bundestrainer Marco Sturm vor dem WM-Auftakt morgen in Köln gegen die USA (20.15 Uhr/Sport 1) zu allem bereit. "Alles ist möglich", sagte NHL-Routinier Dennis Seidenberg, und Stürmer Felix Schütz meinte: "Niemand erwartet, dass wir Weltmeister werden, aber es wäre schon toll."

Der 35 Jahre alte Seidenberg, Stanley-Cup-Sieger von 2011, ist einer von aktuell drei Profis aus der besten Liga der Welt im deutschen Aufgebot, zwei weitere - womöglich sogar Draisaitl - sollen noch folgen. "Die NHL-Spieler machen einen großen Unterschied. Wir sind gut besetzt", sagte Kapitän Christian Ehrhoff. Der beste Verteidiger der abgelaufenen DEL-Saison, Konrad Abeltshauser, meinte gar: "Der Kader ist wahnsinnig stark."

So stark, um den Coup der bislang letzten Heim-WM 2010 zu wiederholen? Damals wurde Deutschland sensationell Vierter und stand im Halbfinale beim 1:2 gegen scheinbar übermächtige Russen schon mit einem Bein im Finale. "Ja, das wäre nicht schlecht", sagte selbst Bundestrainer Sturm, der seit seiner überraschenden Amtsübernahme 2015 wieder für Begeisterung rund ums Nationalteam gesorgt hat. Seit der erst 38 Jahre alte deutsche NHL-Rekordspieler Bundestrainer ist, sind die Zeiten der zweistelligen Absagen für WM-Turnier vorbei. Selbst alle verfügbaren Überseespieler steigen sofort in den Flieger, wenn Sturm ruft. "Marco war schon immer ein Vorbild für mich. Man sieht ihn immer noch als Respektsperson", sagte etwa Seidenberg, der zum ersten Mal seit neun Jahren wieder an einer WM teilnimmt.

Mit der gestiegenen Qualität im Kader ging es zuletzt auch sportlich wieder aufwärts: Bei seiner ersten WM als Trainer führte Sturm die Auswahl des Deutschen Eishockey-Bundes (DEB) im vergangenen Jahr in Russland zum ersten Mal seit 2011 wieder in ein Viertelfinale. Im September folgte die ersehnte Rückkehr zu Olympia mit der besten deutschen Auswahl seit Jahrzehnten bei der Qualifikation in Lettland. Damals standen sogar sieben NHL-Cracks in Riga für Deutschland auf dem Eis.

"Meine Mannschaft hat mich verwöhnt mit der tollen WM in Russland und der Olympia-Quali. Das Ziel muss sein, daran anzuknüpfen und einen Schritt nach vorn zu gehen", sagte Sturm nun und schürt damit auch den Druck: "Wir sind noch lange nicht am Ende." Sein Kapitän Ehrhoff (Sturm: "Christian ist schon lange dabei, ich habe ja selbst mit ihm noch zusammengespielt und weiß, wie er sich neben dem Eis verhält") ist davon schon fast erschrocken. "Man muss realistisch sein. Der nächste Schritt wäre ein Halbfinale", warnte der 34-Jährige.

Doch Sturm weiß: Der Druck bei einer Heim-WM und mit diesem Kader kommt von ganz allein. "Das ist unsere Herausforderung, das zu kontrollieren. Motivieren muss ich keinen", meinte der Bundestrainer. Das Publikum in Köln soll sein Team ähnlich nach vorne pushen wie 2010. "Das sind Gefühle, die bekommt man nicht oft", sagte Sturm mit leuchtenden Augen. Die Begeisterung in der Öffentlichkeit erlebte er als Aktiver schon bei der WM 2001 in Köln.

Die Spieler konnten gestern den WM-Start kaum erwarten. "Die Euphorie, die sich entwickelt, gibt einem immer noch mal eine paar Prozentpunkte Extra-Kraft", gestand Ehrhoff, und DEL-Top-Torjäger Patrick Reimer befand: "Man muss das als positiven Druck ansehen. Es wird Zeit, dass es losgeht."

Im ersten Spiel gegen die USA muss das deutsche Team noch auf weitere NHL-Spieler verzichten. Zwei sollen aber nach der zweiten Play-off-Runde in Nordamerika noch kommen. Erwartet wird daher, dass Sturm bis morgen noch nicht die maximale Anzahl von 25 Spielern meldet. "Das kann schon sein, dass der eine oder andere Platz noch freigehalten wird", kündigte Sturm an.

Der Dingolfinger will sich ein Beispiel an den Maskottchen Asterix und Obelix nehmen. "Wir sind die kleinen Gallier und wollen die großen Römer ärgern. Leider haben wir keinen Zaubertrank", sagte der frühere NHL-Profi der "Sport Bild".