Corona-Krise
Das Heimat-Leben der Eishockey-Profis

20.04.2020 | Stand 23.09.2023, 11:42 Uhr
 Petri Liimatainen verbringt viel Zeit auf dem Golfplatz in Schweden. −Foto: Evy Ross/privat

USA - Mehr als 760.000 bestätigte Fälle und 40.000 Tote: Die Vereinigten Staaten sind das am stärksten vom Coronavirus betroffene Land der Welt. Obwohl man Europa hinterherhinke, habe die US-Regierung ihre Arbeit gut gemacht, findet Jared Ross, der von 2011 bis 2016 für den ERC Ingolstadt stürmte.

"Als klar wurde, wie ernst die Situation ist, war es zu spät. Es gab bereits zahlreiche Fälle auf der ganzen Welt. Jetzt müssen wir alle das Virus eindämmen", sagt der 37-Jährige, der mit seiner Familie im Bundesstaat Alabama lebt. Dort ist die nicht systemrelevante Wirtschaft heruntergefahren, es gelten ein Abstandsgebot, Maskenpflicht in der Öffentlichkeit und die Anweisung, daheim zu bleiben.

Ross, der im IT-Bereich für die Nasa arbeitet, ist im Gegensatz zu vielen anderen Angestellten nicht von Kurzarbeit oder gar Jobverlust betroffen: "Allerdings arbeite ich momentan von zu Hause." Danach widmet sich der Meisterpanther von 2014 den Söhnen Cameron und Abel sowie Tochter Rosie: "Wir spielen Hockey vorm Haus, Basketball und radeln", sagt Ross, der der Krise auch etwas Positives abgewinnen kann: "Anstatt der typisch amerikanischen Hektik haben viele Leute jetzt mehr Zeit für die Familie. Es ist alles entschleunigter, das erinnert mich an Deutschland. "

Für einen aktuellen Profi der Panther soll 2020 ein ganz besonderes Jahr werden: Am 27. Juni will Wayne Simpson seiner Verlobten Lindsey das Jawort geben. "Wir werden trotzdem heiraten, auch wenn wir vielleicht nicht so feiern können wie geplant", berichtet der Topscorer der Deutschen Eishockey-Liga. Trotz der weltweiten Pandemie bleibt der 30-Jährige aus dem Bundesstaat Massachusetts Optimist: "Es ist traurig, die Nachrichten zu verfolgen. Aber ich bin mir sicher, dass wir da wieder rauskommen. " Die Tage verbringt Simpson, abgesehen von Spaziergängen in der Natur, überwiegend in den eigenen vier Wänden: "Zum Glück habe ich einen Fitnessraum daheim. Ansonsten schauen wir Filme und telefonieren mit der Familie. Man muss das Beste draus machen."

Auf die Rückkehr nach Ingolstadt - wann auch immer die sein wird - freut sich Simpson schon jetzt: "Ich hoffe nur, dass dann auch die Fans wieder in die Halle dürfen. "SCHWEDENVernunft statt Vorschriften: Im Vergleich zu vielen anderen Ländern Europas hat Schweden das öffentliche Leben in deutlich geringerem Maße eingeschränkt. "Café, Restaurant, Kino, Fitnessstudio - alles ist erlaubt", berichtet Ex-Eishockey-Profi Petri Liimatainen, der in Falsterbo an der Südwestspitze Schwedens wohnt. Einzige Einschränkung: "Es dürfen nicht mehr als 50 Leute zusammen sein, alle sollen Abstand halten und Hände waschen. Wer sich krank fühlt, soll zu Hause bleiben", ergänzt der 50-Jährige, der 2014 als Co-Trainer neben Niklas Sundblad mit dem ERC Ingolstadt Deutscher Meister wurde. Seit Dezember 2019 ist das Duo für die Schwenninger Wild Wings tätig.

Zwei Drittel der Schweden, so Liimatainens Eindruck, seien mit dem Kurs der Regierung einverstanden, ein Drittel wünsche sich eher strengere Maßnahmen. "Ich persönlich finde, dass wir ein bisschen zu locker mit dem Virus umgehen. Bezogen auf die Einwohnerzahl von zehn Millionen haben wir viele Todesfälle. " Nach Angaben der Johns Hopkins Universität von gestern gab es in Schweden bislang knapp 15000 Corona-Erkrankungen und rund 1500 Tote. "Es wurde spät reagiert, und getestet wird erst, wenn jemand schlimm erkrankt ist", kritisiert Liimatainen. Die Ostertage hätten viele Schweden - trotz des Gebots, unnötige Reisen zu unterlassen - in ihren Sommerhäusern verbracht.

Kindergärten und Schulen bis zur neunten Klasse sind in Schweden weiterhin offen, Gymnasien und Hochschulen dagegen zu. "Meine Tochter Emma lernt von zu Hause aus", erzählt Liimatainen. Neben der Gartenarbeit dreht der Weltmeister von 1992 derzeit mindestens dreimal pro Woche eine Runde auf dem Golfplatz. "Um die Stange, die das Loch markiert, nicht zu berühren, haben sie die Löcher mit Schaum aufgefüllt, so dass der Ball nur halb hineinfällt", berichtet er. Der Fernseher bleibt derzeit meistens aus: "Ohne Sport ist es langweilig, und Fußball aus Weißrussland finde ich nicht so interessant", sagt er lachend. Liimatainen ist skeptisch, ob die neue Spielzeit in der Deutschen Eishockey-Liga wie geplant im September starten kann: "Vielleicht muss man die Saison um ein, zwei Monate verschieben." 

Alexander Petri