Ingolstadt
Training, Terminhatz, Tokio

Der Pförringer Sebastian Seidl will bei der Judo-WM in Japan seine gute Saisonleistung bestätigen

21.08.2019 | Stand 23.09.2023, 8:16 Uhr
Voller Fokus auf Tokio: Vergangenes Jahr kam der Judoka Sebastian Seidl (links, hier gegen den Brasilianer Charles Chibana) vom TSV Abensberg bei der Weltmeisterschaft in Baku unter die Top 16. Dieses Jahr soll es zum Einzug ins Viertelfinale reichen. −Foto: Deutscher Judo-Bund

Ingolstadt (DK) Saisonhöhepunkt in Fernost: Nach einem guten Wettkampfjahr, das durch eine Verletzungspause etwas getrübt wurde, tritt der Pförringer Judoka Sebastian Seidl mit ambitionierten Zielen bei der Judo-Weltmeisterschaft in Tokio (25. August bis 1. September) an. Ein Platz unter den besten acht würde auch dem Fernziel Olympia 2020 dienen.

Erst ein gemeinsames Trainingslager mit den U21-Judokas in Berlin, dann vier Tage Vorbereitung in Ungarn und nach weniger als 72 Stunden in der Heimat geht es zum nächsten Trainingslager nach Kienbaum, südöstlich der Hauptstadt. Sebastian Seidl steckt nicht nur mitten in einer anstrengenden Vorbereitung auf die Judo-Weltmeisterschaft in Tokio, sondern auch in einer intensiven Terminhatz. Beschweren will sich der 29-Jährige aber nicht. "Es ist eine gute Zeit", sagt Seidl. "Man ist ist den ganzen Tag im Training, das ist natürlich sehr, sehr hart." Die vielen Trainingseinheiten, das häufige Reisen - und das alles nur für einen einzigen Tag.

Denn bei der WM wird in jeder Gewichtsklasse der Sieger an einem Wettkampftag ermittelt, das übliche Prozedere im Judo. "Wenn man gewinnt, kommt man eine Runde weiter. Wenn man verliert, ist der Tag gelaufen", erklärt Seidl. Schafft man es dagegen ins Viertelfinale, hat man bei einer Niederlage noch die Chance auf Bronze. Es kommt also auf Losglück und die Tagesform an, die Judoka um Männer-Bundestrainer Richard Trautmann versuchen in der Vorbereitung aber alles, um den Zufallsfaktor so gering wie möglich zu halten.

Dafür fuhren die deutschen WM-Teilnehmer sogar eine Woche vor Turnierbeginn ins Gastgeberland. "Wir kriegen da japanische Trainingspartner", sagt Seidl. "Das sind richtig gute Leute." Keine Nation habe so eine qualitativ starke Breite wie das Judo-verrückte Japan. Tokio bietet sich als Austragungsort für den Saisonhöhepunkt also an, zu den großen Wettkämpfen kommen hier schon mal 15000 Zuschauer in die Halle.

Seidl ist gerne in Japan, doch der Atmosphäre wegen kommt der Bundesliga-Judoka des TSV Abensberg natürlich nicht. Es geht darum, eine bislang erfolgreiche Saisonleistung beim wichtigsten Wettkampf des Jahres zu bestätigen. Beim Grand Slam im März in Marrakesch gewann der Pförringer Bronze, auch mit den Grand Slams in Paris Anfang Februar (Platz 7) und Düsseldorf (Platz 13) war er zufrieden. "Der einzige Wettkampf, der nicht so gelaufen ist, wie ich mir das vorgestellt habe, waren die European Games", sagt Seidl. Bei den Europameisterschaften Ende Juni in Minsk scheiterte er gleich in der ersten Runde.

Die Qualifikation für die Weltmeisterschaft in der Gewichtsklasse bis 66 Kilogramm geriet trotzdem nicht in Gefahr. Die Nominierungskriterien (Platz 1 bis 7 bei einem Grand Slam oder Platz 1 bis 5 bei einem Grand Prix) erfüllte der Abensberger Judoka - als einziger deutscher Athlet - locker. Anlass zur Sorge bereiteten schon eher eine Ellenbogenverletzung und ein Außenbandanriss. Sowohl den Grad Prix in Zagreb als auch in Montreal musste er wegen der Trainingsverletzung und vier Wochen Judo-Pause absagen.

Inzwischen trainiert Seidl aber wieder schmerzfrei, in Tokio will der 29-Jährige besser abschneiden als bei der WM 2018 in Baku. Dort erreichte er die Top 16, in der dritten Runde schied er gegen den Russen Mikhail Puliaev aus. Dieses Jahr hat sich Seidl das Ziel gesetzt, eine oder zwei Runden weiterzukommen. Die Top fünf "wären Wahnsinn", sagt er. "Ich kann 99 Prozent der Leute dort schlagen, ich habe vor keinem Gegner Angst."

Deswegen auch die intensive Vorbereitung. In Kienbaum werden Stil und Taktik potenzieller Gegner simuliert und in Videostudien analysiert. Der inhaltliche Schwerpunkt liegt darauf, offensiv und aggressiv zu kämpfen. Seidl, der ein eher defensiv und taktisch denkender Judoka ist, erhofft sich mehr Variabilität. "Da kann ich auf jeden Fall noch etwas dazulernen", sagt der Pförringer. Dazu kommt seine Stärke, Fehler des Gegners auszunutzen. Seidl fühlt sich "sehr gut vorbereitet" für Tokio. Und vielleicht darf er kommendes Jahr wieder nach Japan reisen.

Denn 2020 finden dort ja die Olympischen Spiele statt. Die Qualifikation ist Seidls klares Ziel. Auch dafür ist die WM wichtig, schließlich sammeln die Judoka ab zwei Jahren vor den Spielen bei den großen Wettkämpfen Punkte für die Olympia-Quali. "Aktuell sieht es ganz gut aus", sagt der 29-Jährige, der 2016 bei seiner ersten Olympia-Teilnahme in der ersten Runde ausschied. "Aber ich muss noch einige Turniere kämpfen." Deswegen geht es nach der WM und einem Amerika-Urlaub mit der Terminhatz direkt weiter: Osaka, Rio de Janeiro, Usbekistan - aber Seidl ist das häufige Reisen und das harte Training ja gewohnt.

Christian Missy