Ingolstadt
Mit sofortiger Wirkung: Audi suspendiert Daniel Abt

26.05.2020 | Stand 23.09.2023, 12:08 Uhr
Hier saß er noch selbst an der Konsole: Daniel Abt bei der Race at Home Challenge. −Foto: Audi

Ingolstadt - Es war der 19. Mai 2018, als Daniel Abt den größten Triumph seiner Rennfahrerkarriere feierte. Ausgerechnet in seinem Heimrennen auf dem Flughafengelände des Berliner Tempelhofs eroberte der Audi-Pilot die Pole-Position in der Formel E, feierte einen souveränen Start-Ziel-Sieg und absolvierte zudem die schnellste Rennrunde. Mehr geht nicht im Rennsport.

Fast genau zwei Jahre später endete auf  der – virtuellen –  Rennstrecke des Flughafens Tempelhof wegen einer dummen Idee auf tragische Weise  seine  Partnerschaft mit Audi.  Am Dienstag  trennten sich die Ingolstädter mit sofortiger Wirkung von Abt nach  dessen Betrug bei der E-Sports-Serie.   Der 27-Jährige war das Rennen der „Race at Home Challenge“ am vergangenen Samstag nicht selbst gefahren, sondern hatte seinen  Boliden von einem E-Sport-Profi pilotieren lassen.

„Integrität, Transparenz und die konsequente Einhaltung geltender Regeln haben für Audi oberste Priorität – dies gilt ausnahmslos für alle Aktivitäten, an denen die Marke beteiligt ist“, teilte der  Autobauer mit.  „Aus diesem Grund hat Audi Sport entschieden, Daniel Abt mit sofortiger Wirkung zu suspendieren.“ Damit wird der 27-Jährige auch nicht wieder in sein reales Formel-E-Cockpit zurückkehren. Da die Saison seit dem  fünften Lauf in Marrakesch Ende Februar wegen der Corona-Krise pausiert, hatte die  Serie für die Zeit der Unterbrechung die virtuellen Rennen ins Leben gerufen – die sogenannte „Race at Home Challenge“. Am vergangenen Samstag rasten die Teilnehmer der  E-Sports-Serie    über die  Strecke in Berlin.  Auch Abt nahm teil, doch  der 27-Jährige saß dabei nicht selbst an der Konsole, sondern hatte das Steuer heimlich dem E-Sport-Profi Lorenz Hörzing überlassen – und der machte seinen Job (zu) gut.    

Der Österreicher lenkte das Auto   im Auftrag des Allgäuers, der  in den Läufen zuvor immer die Punkteränge verpasst hatte, auf den zweiten Startplatz  und  im Rennen auf Rang drei. Abt selbst hatte   bei einem Interview   seine Videokamera ausgeschaltet, später war das Gesicht des Piloten von einem Gegenstand verdeckt. So machten  auch Fahrerkollegen schnell eine Schummelei aus. Die Technikexperten der Formel E deckten den Schwindel schließlich  über die  IP-Adresse  auf. Abt wurde nachträglich disqualifiziert und verlor alle Meisterschaftspunkte der Challenge. Zudem musste er 10 000 Euro an eine gemeinnützige Organisation spenden. Einen Tag später sah er seinen Fehler ein und entschuldigte sich. „Ich habe es nicht so ernst genommen, wie ich es hätte tun sollen“, erklärte der 27-Jährige. „Ich bin mir bewusst, dass der Vorfall einen bitteren Nachgeschmack hat“, aber er habe  nie  eine  schlechte Absicht gehabt.

Richtig bitter für den Kemptener wurde es dann jedoch am Dienstagmittag, denn den Rauswurf konnte der Rennprofi  mit seiner Erklärung nicht mehr verhindern. Dabei ist Abt nicht nur  seit der ersten  Saison der elektrischen Rennserie im Jahr 2014 für Audi Sport beziehungsweise das Vorgängerteam Abt Schaeffler Audi Sport im Einsatz, sondern auch der Sohn des Rennstall-Mitbesitzers Hans-Jürgen Abt. Als einer von nur vier Piloten hat der Junior alle bisherigen 63 Rennen der Serie bestritten, holte dabei zwei  Siege, zwei Pole-Positions und zehn schnellste Runden.  Mit seinem Teamkollegen Lucas di Grassi,  mit dem er 2017/18 die Teammeisterschaft holte, konnte Abt aber nur selten mithalten.  In den bisherigen fünf Rennen  dieser Saison war er nur einmal  in die Punkte gefahren. Sein letztes Podium hatte er vor mehr als einem Jahr erobert.  Nach Informationen unserer Zeitung wollte Abt, dessen Vertrag bei Audi ausläuft,  nach dieser Saison seine Motorsportkarriere ohnehin beenden. 

Nun kam ihm Audi zuvor. Eine Entscheidung, wer das zweite Cockpit neben dem früheren Formel-E-Weltmeister Di Grassi  erhält,  sei noch nicht gefallen, teilte Audi mit.  Durch den  Rückzug der Ingolstädter aus der DTM zum Ende des Jahres werden  jedoch einige Werksfahrer Ende 2020 ohne Job dastehen – allen voran der zweifache DTM-Champion René Rast. Auch wenn Abt mit seiner Aktion dem Image der virtuellen Serie einen Bärendienst erwiesen hat, gehen die Meinungen über die harten Konsequenzen von Audi gegen den langjährigen Piloten auseinander. „Das ist ein Spiel, das natürlich ernst genommen werden sollte, dennoch ist es immer noch ein Spiel“, twitterte der zweifache Formel-E-Meister Jean-Éric Vergne vom Team DS Techeetah. „Was machen wir dann mit all den Fahrern, die absichtlich einen Unfall bauen – sollten  die dann in der Realität auch ihre Führerscheine abgeben müssen?“

Abt selbst meldete sich am Dienstagabend per Videobotschaft zu Wort und beteuerte,  dass es ihm bei der Teilnahme nie um Ergebnisse, sondern nur „um eine gute Show“ gegangen sei.„Ich kann es verstehen, dass wir mit dieser Idee zu weit gegangen sind“, sagte Abt. Er habe einen riesengroßen Fehler gemacht. Der Rauswurf sei „ein Schmerz, den ich in dieser Form noch nie in meinem Leben erfahren habe. Ich fühle mich gerade so, wie wenn ich tiefer nicht fallen kann.“ Doch die Reue kam zu spät. DK  

Julia Pickl