Ingolstadt
"Man überlegt jedes Jahr, ob man weitermacht"

Der Organisator des Altmühltaler Straßenpreises, Johannes Pfaff, über die Schwierigkeiten bei der Ausrichtung von Lizenz-Radrennen

09.05.2019 | Stand 02.12.2020, 14:01 Uhr
Johannes Pfaff. -Foto: privat −Foto: (Altmühltaler Straßenpreis / Johannes Pfaff)

Ingolstadt (DK) Der Altmühltaler Straßenpreis wird am 19. Mai zum sechsten Mal veranstaltet.

Das Rennen mit Start und Ziel in Attenzell (Gemeinde Kipfenberg) gilt als eines der bestorganisiertesten Rennen in Deutschland. Doch Organisator Johannes Pfaff weiß, dass dies nicht selbstverständlich ist und einen enormen Aufwand bedeutet - nicht nur finanziell. Deshalb kann Pfaff nachvollziehen, warum der Lizenzsport es immer schwerer in Deutschland hat. In unserem Interview sprach Pfaff über die gestiegenen Bedingungen, überhaupt ein Lizenzrennen ausrichten zu dürfen, und die Zukunft des Lizenzsports in Deutschland.

Herr Pfaff, können Sie die Organisatoren verstehen, die keine Lizenzrennen mehr veranstalten wollen?
Johannes Pfaff: Ja, natürlich.

Warum ist es mittlerweile so schwierig, ein Radrennen zu veranstalten?
Pfaff: Früher war es deutlich einfacher, eine solche Veranstaltung zu organisieren und aufzuziehen. Zum einen sind die Auflagen durch das Landratsamt deutlich gestiegen. Heute braucht man beispielsweise eine Vollsperrung der Strecke, was den Einsatz der Polizei und vieler weiterer ehrenamtlicher Helfer bedeutet. Die Umleitungen müssen ausgeschildert werden. Finanziell ist dies ein großer Posten, was rund ein Drittel der gesamten Kosten ausmacht. Dazu mangelt es teilweise an der Akzeptanz in der Bevölkerung. Weil die Radrennen auch durch Ortschaften führen, gibt es dort Menschen, die das nicht wollen und mit allen Mitteln dagegen vorgehen. Als Drittes kommen noch die Landesverbände oder der Dachverband, der BDR, hinzu, die auch Anforderungen und Vorgaben stellen. Von den Verbänden muss der Organisator auch Kosten, beispielsweise das Kampfgericht zahlen, es gibt Anforderungen an das Preisgeld, die Transponderzeitnahme usw. Das sind alles Hürden, die viele Veranstalter abschrecken, ein Radrennen zu organisieren. Und dabei sprechen wir nur von "normalen" Lizenzrennen. Je höher die Kategorie wird, desto höher werden die Anforderungen der Verbände. Bei einem Bundesligarennen braucht es noch einen Rennarzt, Begleitfahrzeuge usw. Das alles erhöht die Kosten zusätzlich noch deutlich.

Nimmt Ihnen das nicht die Lust an einer künftigen Ausrichtung?
Pfaff: Man überlegt jedes Jahr, ob man weitermacht, weil eben die Anforderungen immer weiter steigen. Und man fragt sich: Kann ich das Rennen auch im nächsten Jahr finanzieren und ist es den ganzen Aufwand wert?

Wieviel kostet denn ein normales Lizenzrennen?
Pfaff: Ein niedriger fünfstelliger Betrag braucht es in der Regel, um ein Lizenzrennen zu veranstalten. Da es keinen Eintritt für die Zuschauer kostet, finanzieren sich die Veranstalter über die Startgebühr der Teilnehmer, die allerdings sehr gering ist, und über Sponsoren. Aber wir Veranstalter gehen jedesmal ein hohes finanzielles Risiko ein.

Wenn es immer weniger Rennen gibt: Welche Auswirkungen hat das auf den Radsport?
Pfaff: Das ist ein Teufelskreis. Es gibt immer weniger Rennen, dadurch gibt es immer weniger Nachwuchs. Auch diese Fahrer haben einen deutlich höheren Aufwand, weil sie weitere Anfahrtswege auf sich nehmen müssen. Die Vereine haben dadurch weniger Fahrer. Dadurch sinkt wieder das Angebot usw. Momentan haben wir zwar noch eine junge und starke Generation an Profifahrern um Ackermann, Schachmann und Buchmann. Aber wenn der Nachwuchs fehlt, leidet künftig auch der Profisport darunter.

Wie hat sich das alles im Vergleich zu früher verändert?
Pfaff: Früher hatte beispielsweise der Bayerische Radsportverband (BRV) die Qual der Wahl bei der Vergabe der bayerischen Meisterschaft. Da wurde es so gehandhabt, dass jeder Regierungsbezirk nacheinander drankam mit der Ausrichtung. Somit war Oberbayern also nur alle sieben Jahre an der Reihe, eine bayerische Meisterschaft ausrichten zu dürfen. Heute ist der BRV froh, wenn sich überhaupt irgendjemand dafür bereit erklärt, ein Rennen um die "Bayerische" zu veranstalten.

Kurioserweise leidet der Lizenzsport, aber der Jedermannbereich boomt.
Pfaff: Das liegt an der allgemeinen Kommerzialisierung des Sports. Und auch daran, dass der Lizenzsport einen großen Nachteil hat: Im Lizenzsport fahren zwar immer weniger, aber die, die dort fahren sind extrem stark. Wenn ich nicht fit bin oder erst mit dem Sport beginne, habe ich dort keine Chance und bin nach wenigen Kilometern abgehängt. Das kann schnell demotivieren. Die Folge: Viele schauen sich deshalb gleich nach Alternativen um. Und im Jedermannbereich ist die Leistungsdichte nicht ganz so hoch und dort findet wirklich jeder seinen Platz, was sein Leistungsniveau angeht. Weil von schnellen Fahrern bis zu sehr langsamen Fahrern alles dabei ist. Da kann man nicht abgehängt werden.

Gäbe es noch eine Chance für den Lizenzsport?
Pfaff: Österreich könnte ein Vorbild sein. Da gibt es ebenfalls - wie seit diesem Jahr in Deutschland - zwei Lizenzklassen. Aber der Sportler kann frei wählen, wo er starten will (in Deutschland beginnt der Lizenzsport nur im Amateurbereich, zweimal pro Jahr erfolgt der Auf- und Abstieg in die Eliteklasse, d. Red. ). Bei den Elite-Amateuren fährt man gegen die österreichischen KT-Teams bei beispielsweise Bundesligarennen. Da ist das Niveau sehr hoch. Bei den Amateuren ist in Österreich das Level deutlich niedriger. Die Gefahr besteht in Österreich natürlich, dass die Elite-Fahrer dann bei den Amateuren starten. Aber die Erfahrung hat gezeigt, dass es für die Elite-Fahrer nicht attraktiv ist, weil die Amateure nicht das Leistungsniveau und den Stellenwert haben wie die Eliteklasse.

Das Gespräch führte Timo Schoch.