Ingolstadt
"Ich bin in der Form meines Lebens"

Triathlon-Weltmeister Patrick Lange spricht in Ingolstadt über seine Hawaii-Siege und den Erfolgsfaktor Demut

26.05.2019 | Stand 02.12.2020, 13:52 Uhr
Austausch unter Triathlon-Experten: Der zweifache Ironman-Weltmeister Patrick Lang (rechts) im Gespärch mit dem Ingolstädter Profi Sebastian Mahr. −Foto: Bösl

Ingolstadt (DK) Auch wenn er nicht gestartet ist, so war allein seine Anwesenheit "eine absolute Aufwertung für den Ingolstädter Triathlon".

Das Lob von Sebastian Mahr, am Sonntag Sieger auf der olympischen Distanz (siehe eigener Bericht) galt dem Doppelweltmeister Patrick Lange, der im Ziel die Sieger beglückwünschte, viele gut gelaunte Gespräche mit den Athleten führte und die Siegerehrung vornahm. Nachdem auch Sponsor Audi zu seinem Recht gekommen war (Lange erhielt einen Q8 als Dienstfahrzeug), verriet der zweifache Sieger des Ironman Hawaii (2017, 2018), was ihn mit Mahr verbindet und gab Einblick in seine Arbeitsweise und seine Ziele.


Herr Lange, Ihren größte Fan haben Sie gerade im Zielbereich getroffen. Der Ingolstädter Triathlon-Profi Sebastian Mahr hat Sie unmittelbar nach seinem Sieg auf der olympischen Distanz gefragt, ob Sie ihm ein Autogramm auf einer Wasserflasche geben würden.
Patrick Lange: (lacht) Ja, das war eine von sehr vielen wirklich schönen Begegnungen.

Mahr wartet seit 2017 auf diese Gelegenheit. Er hat Sie seinerzeit auf Hawaii angefeuert, und Sie haben ihm während des Laufes diese Flasche zugesteckt. Können Sie sich noch erinnern?
Lange: Nein, leider nicht. Dafür sind bei dem Rennen einfach zu viele Zuschauer. Aber ich weiß, dass er mich schon mal mit der Bitte um ein Autogramm angeschrieben hat. Und heute ist die Gelegenheit gekommen, das ist doch wunderbar.

Sie sind zum ersten Mal beim Ingolstädter Triathlon, dieses Mal als Ehrengast. Besteht die Chance, Sie auch mal als Aktiver hier zu erleben?
Lange: Für einen Start hier gehört natürlich immer dazu, dass es sich in den Wettkampfkalender fügen muss. Im konkreten Fall war ich erst vor zwei Wochen beim Mitteldistanz-Triathlon in Vietnam und bereite mich auf den Ironman in Frankfurt Ende Juni vor, sodass es leider nicht hinein gepasst hat. Aber die Chancen stehen gut, denn ich werde noch einige Jahre Leistungssport betreiben.

Mit dem Sieg in Vietnam sind Sie heuer zum ersten Mal in Asien in die Triathlon-Saison gestartet. Warum haben Sie Ihr Wettkampfprogramm umgestellt?
Lange: Ich brauchte einfach neuen Input für den Kopf. Deshalb gehe ich auch in andere Trainingslager. In den vergangenen drei Jahren war ich immer nur in Lanzarote. In diesem Jahr sind Gran Canaria und Thailand hinzugekommen.

Ihr Pensum - die Rede ist von 900 Kilometer Schwimmen, 16000 Kilometer Radfahren und 2700 Kilometer Laufen - bleibt dabei in etwa gleich?
Lange: Ja (lacht). Aber das sind nur die Kilometerzahlen. Es gibt schon Veränderungen, die finden aber im Detail statt, weil man sonst abstumpft. Wir scheinen da auf einem guten Weg zu sein. Der Wettkampf in Vietnam hat gezeigt, dass ich in der Form meines Lebens bin. In Bezug auf Frankfurt lässt das in jedem Fall hoffen.

Es heißt, gerade den Ironman auf Hawaii, kann man nicht durchplanen, weil dort immer etwas Unvorhergesehenes passiert. Sie gehen dreimal an den Start und werden Dritter, Erster und nochmal Erster. Warum gelingt Ihnen dort praktisch alles?
Lange: (lacht). Der größte Erfolgsfaktor ist wohl diese Demut, die ich immer noch habe. Ich habe einen unfassbaren Respekt vor dieser Insel und bin im Rennen jemand, der gerne immer noch einen Pfeil im Köcher hat. So bin ich in der Lage, mein Tempo auch zum Ende hin konstant zu halten, was gerade beim Marathon unbezahlbar ist.

Sie haben bei Ihrem letzten Sieg die Sticheleien von Konkurrent Sebastian Kienle weggesteckt und während des Marathons beschlossen, Ihrer Frau im Ziel einen Heiratsantrag zu machen. Sind Sie besonders gut darin, positive Gedanken zu entwickeln?
Lange: Ja, ich glaube schon. Ich habe in 20 Jahren Leistungssport gelernt, was ich ausblenden kann und was nicht. Sie sprechen diese Sticheleien an, die für den Favoriten und den Gejagten vielleicht irgendwo dazu gehören. Im Rennen aber habe ich nicht einen Gedanken daran verschwendet.

Arbeiten Sie mit einem Sportpsychologen zusammen?
Lange: Nein, einen Mentalcoach habe ich nicht. Mein Leben läuft ohnehin schon sehr geplant ab, sodass ich nicht noch eine weitere Person brauche, die Pläne mit mir macht. Ich setze eher auf Leute in meinem Umfeld, die positive Energie ausstrahlen und bin wohl auch ganz gut darin, diese auszuwählen. Meine Trainer Faris Al-Sultan und Wolfgang Schweim sind in diesem Zusammenhang aber natürlich auch Riesenfaktoren.
Stimmt es, dass Sie im Rennen innerhalb von zwei Minuten einen Platten reparieren können?
Lange: Man trainiert natürlich auch das, damit die Handgriffe sitzen, sollte man sie mal brauchen. Ich schraube seit 20 Jahren selbst an meinen Rad, deshalb sollte es kein Problem sein auch wenn es nicht ganz so schnell geht. Zum Glück habe ich das im Wettkampf noch nicht gebraucht.

Zum Radfahren: Bei Ihrem Erfolg 2018 waren Sie enorme 13 Minuten schneller als im Jahr zuvor. Warum?
Lange: Das war sehr stark der Witterung geschuldet, weil man auf der Strecke fast gar keinen Wind hatte. Das war ein gesegnetes Jahr mit Bedingungen, die exorbitant gut waren.

Sehen Sie auf irgendeinem anderen Gebiet noch ein ähnlich großes Verbesserungspotential?
Lange: Sicher. Das ist auch der Grund, warum ich meinem Sponsor in den Windkanal gehe und zum Beispiel an neuen Helmen und Anzügen feile. Im kommenden Jahr wird es für mich ein neues Fahrrad geben, das noch ein Stück schneller ist.

Beim Laufen halten Sie auf Hawaii mit 2:39,45 Stunden schon den Rekord. Ihr Fokus gilt somit eher dem Schwimmen und dem Radfahren, oder?
Lange: Absolut. Wobei ich glaube, dass wir auch beim Laufen noch nicht am Limit sind. Ich bin der Meinung, dass man auch beim Ironman einen Marathon unter 2:30 Stunden laufen kann. Vielleicht nicht auf Hawaii, aber das ist menschenmöglich.

Mit Ihrem ersten Sieg auf Hawaii haben Sie sich Ihren Kindheitstraum erfüllt, im Vorjahr sind Sie als Erster unter der Acht-Stunden-Marke geblieben. Als nächstes Ziel bleibt Ihnen wohl nur noch, irgendwann die sechs Siege der Rekordhalter Mark Allen und Dave Scott zu übertrumpfen?
Lange: Es ist ja schon mal nett, dass Sie mich das so fragen (lacht). Das ist natürlich der Traum, wobei man da ehrfürchtig bleiben muss. Jetzt möchte ich erst einmal den dritten Hawaii-Sieg hinzufügen, damit wäre ich schon mal alleiniger deutscher Rekordhalter. Und ich weiß, dass ich noch Verbesserungspotenzial in mir habe. So lange, wie ich das verspüre, gebe ich weiter Gas.

Das Gespräch führte
Norbert Roth.