Ingolstadt (DK) Wenn Henry Lipp über Lolium und Poa Protensis - zwei verschiedene Gräserarten - spricht, ist er in seinem Element. Der 51-jährige Greenkeeper kümmert sich seit 2013 um die Rasenpflege beim FC Ingolstadt und kämpft trotz der teils widrigen Wetterbedingungen für das perfekte Grün. Im Falle des Klassenerhalts der Schanzer in der 2. Fußball-Bundesliga will sich der gebürtige Hesse etwas Besonderes einfallen lassen.
Dass das Spielfeld eines Fußballklubs Schlagzeilen liefert, kommt nicht alle Tage vor. Die Ingolstädter schafften das mit ihrem Geläuf im Audi-Sportpark aber gleich zweimal. Zum 500-jährigen Bestehen des Reinheitsgebots schnitzten die Schanzer im Jahr 2016 ein Rautenmuster in den Mittelkreis, worauf Lipps Vorgänger Sepp Lindermayer dem Magazin "11 Freunde" sogar eine Geschichte wert war. Zudem sorgten die Greenkeeper in der Saison 2015/16 mit einem runden statt dem obligatorischen Quermuster für Aufsehen.
Lipp erinnert sich noch gut daran - und hofft, im Falle des Ligaverbleibs des FCI wieder kreativ werden zu können. "Wenn wir sportlich so dastehen, dass wir uns das erlauben können, machen wir das bestimmt noch mal", scherzt er. Ein Datum hat der Platzwart auch schon im Kopf: den 12. Mai. Dann empfängt die Mannschaft von Trainer Jens Keller im letzten Heimspiel der Saison den SV Darmstadt 98 - und Lipp liebäugelt damit, dass der Klassenerhalt dann bereits feststeht.
Doch dass es bis dahin für den Tabellen-16. noch ein weiter Weg ist, weiß auch der ehemalige Landwirt. Seit sechs Jahren arbeitet Lipp inzwischen für die Schanzer. Man könnte fast sagen, dass er jeden Grashalm im Stadion und auf den Trainingsplätzen kennt. Zufrieden ist der Rasenflüsterer aber aus Gewohnheit nie: "Wir wissen, dass wir besser sein können, aber es geht eben um Natur. Wir haben aber schon auf schlechteren Plätzen gespielt und wir bekommen den Rasen auch wieder dahin, wo wir hinwollen." Für Keller gibt es jedoch keinen Grund, irgendwas zu beanstanden. "Überragend" seien die Platzverhältnisse.
Damit der Rasen in einem perfekten Zustand ist, greifen Lipp und seine Kollegen auch zu kuriosen Hilfsmitteln. Dies ist im Herbst sowie Winter vor allem nachts und schon von weiter Ferne zu sehen, wenn über dem Sportpark eine orange Glocke zu hängen scheint. Mit speziellen Lampen "verlängern wir die natürliche Belichtungszeit, und sie sorgen für die nötige Temperatur", erklärt Lipp.
Damit dem Grün nicht kalt wird, dafür sorgt freilich auch die Rasenheizung. Diese ist rund 20 Zentimeter unter der Grasnabe verlegt und temperiert das Geläuf auf zehn bis zwölf Grad Celsius. "Unter neun Grad passiert im Boden gar nichts mehr", sagt Lipp und ergänzt: "Was für die Winterreifen gilt, trifft auch auf die Rasenheizung zu: Wir haben diese von Oktober bis Ostern durchgehend laufen."
Vom Mähen bis zum Linien ziehen: Die Zuschauer bekommen vom Großteil der Arbeit der Greenkeeper kaum etwas mit. Schon zwei bis drei Tage vor einem Heimspiel beginnen die Vorbereitungen, damit die Profis perfekte Bedingungen vorfinden. "Wir halten dann kurz vor dem Spiel auch noch mal Rücksprache mit dem Kapitän, ob wir beispielsweise noch bewässern sollen", erzählt Lipp, der den Rasen stets auf 25 Millimeter trimmt.
Bis auf eine Ausnahme: Damit das Geläuf schneller wird, ordnete Ex-Trainer Ralph Hasenhüttl in der Saison 2014/15 an, den Rasen auf 22 Millimeter zu stutzen. Der Gegner am vorletzten Spieltag lautete RB Leipzig, den die Schanzer mit 2:1 besiegten, damit am vorletzten Spieltag den Aufstieg perfekt machten und tausende Fans auf den Rasen stürmten. Vielleicht wiederholt sich die Geschichte ja, wenn die Anhänger am 12. Mai nach dem erreichten Klassenerhalt erneut das Feld fluten. Lipp hätte nichts dagegen: "Das nehmen wir gerne in Kauf", sagt er und grinst.
Julian Schultz
