Der Größte seiner Generation

27.01.2020 | Stand 23.09.2023, 10:13 Uhr
Kobe Bryant schaut auf. −Foto: Larry W. Smith/epa/dpa

Kobe Bryant war viel mehr als nur das Gesicht des Basketballs Anfang des Jahrtausends. Der ehemalige Superstar der Los Angeles Lakers war eine weltweite Sportikone. Am Sonntag ist er gestorben.

Oft sind es die kleinen Geschichten, die viel über einen Menschen sagen. Eine solche hat vor wenigen Wochen Luka Doncic erzählt. Der slowenische Basketball-Superstar berichtete von einer Szene während eines Spiels seiner Dallas Mavericks: "Ein Fan sprach mich auf Slowenisch an. Ich dachte, wer spricht meine Sprache?" Es war Kobe Bryant, er zollte Doncic Respekt. NBA-Legende, Ex-Superstar und Fan. Am Sonntag ist Bryant gestorben.

Die Geschichte wird im Sport immer von hinten erzählt. Und so war Bryants letztes Spiel die perfekte Pointe einer historischen Karriere. Der damals 37-Jährige spielte im April 2016 noch einmal groß auf und erzielte 60 Punkte. Natürlich im Staples Center von Los Angeles, das über Jahre hinweg sein Wohnzimmer war. Mit seiner Abschiedsgala versetzte Bryant alle in Staunen - darunter auch viele Promis, die alle eines waren: Kobe-Fans. Die größtmögliche Bühne für einen der größten Sportler aller Zeiten. Auch das passte. Bryant hatte, von Verletzungen geplagt, sein Karriereende frühzeitig und emotional offiziell gemacht. Kobe Bean Bryant ging also auf Abschiedstournee. Zu ihm passte das. Das Rampenlicht, die Show. Auch deshalb vergötterten ihn die US-Amerikaner. Der Kurzfilm "Dear Basketball", der auf Bryants Rücktrittserklärung basiert, brachte ihm 2017 sogar einen Oscar ein.

Bryant aber war eben nicht nur Show. Der Shooting Guard stand immer für harte Arbeit. Für seinen Eifer, seinen Willen, immer bestmöglichst vorbereitet zu sein. Bryant suchte die größtmögliche Herausforderung - darunter machte es der Junge aus Philadelphia nicht. Der Spitzname "Black Mamba" war verdient, Bryants Einstellung, die den passenden Namen Mamba Mentalität erhielt, legendär.

Der Weg in den Basketball schien vorbestimmt. Vater Joe war einst Spieler bei den Philadelphia 76ers in der NBA, Mutter Pamela Trainerin der Los Angeles Sparks in der WNBA, der Frauen-Profiliga. Mit 17 Jahren meldete sich Bryant beim NBA-Draft 1996 an, wurde an 13. Stelle von den Charlotte Hornets gezogen, die ihn an die Los Angeles Lakers weitergaben. Die Lakers gingen einen Trade ein, der sich auszahlen sollte. Bryant wurde bei einer der traditionsreichsten Franchise das Gesicht der kommenden zwei Jahrzehnte, zum seinerzeit besten Spieler der Welt.

Gemeinsam mit Shaquille O'Neal galt Bryant Anfang des neuen Jahrtausends praktisch als unbesiegbar, drei Meistertitel in Serie waren 2000 bis 2002 die Folge. Neben dem unüberwindbaren Center war Bryant der Shooter, der mit seiner Athletik vor keinem Duell zurückschreckte - und auch vor keinem Wurf. Kein Spieler in der NBA-Historie vergab mehr Würfe als Bryant, nur wenige trafen aber auch mehr: Mit 33643 Punkten steht Bryant auf Rang vier der erfolgreichsten Punktesammler - den dritten Platz musste er erst am vergangenen Samstag an LeBron James abgeben. O'Neal und Bryant waren wohl das beste Duo aller Zeiten, aber auch zwei verdammt große Egos. Bryant wollte der Star sein, das Gesicht, der Mann. Aber das war neben O'Neal schwierig, der Center wurde bei allen drei Titelgewinnen zum Finals-MVP gewählt. 2003 gab es erste Risse, 2004 den Bruch: Nach der sensationellen Finalniederlage gegen die Detroit Pistons verließ O'Neal die Lakers, Bryant blieb.

Er sollte für immer bleiben. Auch das rechnen ihm die Amerikaner hoch an. Bryant arbeitete hart für sein Lebenswerk. Mit seinen Lakers. Und mit Erfolg. Nach schwierigen Jahren führte er das Team 2009 und 2010 zu den nächsten Titeln. Sein vierter und fünfter, für die Lakers Nummer 15 und 16. Für Bryant wird das auch Genugtuung gewesen sein. Diesmal war er der Finals-MVP, er war das Gesicht, er war der Mann. Selbst in dieser berühmt-berüchtigten Franchise sticht Bryant heraus, Lakers-Legende Magic Johnson bezeichnet ihn als größten Laker der Geschichte.

Vor allem einzelne Geschichten und Momente bleiben in Erinnerung: sein letztes Spiel, seine vielen siegbringenden Würfe in den Schlussminuten und natürlich die 81 Punkte, die er 2006 gegen die Toronto Raptors erzielte - der zweithöchste Wert. Im US-Sport zählen Statistiken viel, Bryants Vermächtnis aber ist nicht das eines reinen Titelsammlers oder einer Werbeikone. Es ist weitaus größer: Für eine ganze Generation war er das Gesicht des Sports. Zu Recht wurde er oft als Michael Jordan seiner Generation bezeichnet. Für in den späten 1980er- oder den 90er-Jahren Geborene war Jordan ein Mythos. Einer, den man nur von alten Internetvideos oder Erzählungen kannte. Bryant dagegen konnte und durfte man selbst bestaunen. Die Lakers waren das Team, Bryant war es, der die Kids weltweit auf die Basketballplätze trieb. Jeder wollte dribbeln wie Kobe, werfen wie Kobe, sein wie Kobe. "Ich will nicht der nächste Michael Jordan sein, ich will Kobe Bryant sein", hat er selbst mal gesagt. Das hat er geschafft. In der müßigen Diskussion um den größten Spieler aller Zeiten wird neben James und Jordan auch immer sein Name genannt. Für seine Generation gibt es keine Zweifel.

Bryant selbst stand auch in der Kritik - nicht nur für sein womöglich divenhaftes Auftreten bei den Lakers Anfang des Jahrtausends, sondern auch privat: Wegen des Vorwurfs der Vergewaltigung stand er 2003 vor Gericht, das Verfahren wurde später eingestellt.

Es ist ein dunkles Kapitel einer Bilderbuchkarriere, derer sich Bryant selbst bewusst war: "Wie viele Kinder können sagen, dass sie für ihr Lieblingsteam spielen und ihre ganze Karriere dort verbringen durften?", sagte er nach seinem letzten Spiel. Seitdem war er stets ein Gast im Staples Center, wo seine Trikots natürlich unter dem Hallendach hängen; die Nummern 8 und 24 werden bei den Lakers nicht mehr vergeben. Auf der ganzen Welt werden sie weiter mit Stolz getragen werden. Für immer.

Am Sonntag ist Kobe Bryant im Alter von 41 Jahren gestorben - gemeinsam mit acht weiteren Passagieren bei einem Helikopterabsturz. Es ist das tragische Ende eines der größten Sportstars der Welt. Bryant hinterlässt eine Frau und drei Töchter. Seine vierte Tochter Gianna starb mit ihm. Bryant war auf dem Weg zu - natürlich - einem Basketballspiel seiner 13-jährigen Tochter. Kobe Bryant starb, wie er lebte: als Legende, als Vater, als Fan.

DK

Kevin Reichelt