Pfaffenhofener bei der Rallye Breslau
„Navigieren ist meine große Stärke“

Daniel Kühn wird mit seinem Quad bei der Rallye Breslau auf Anhieb Zwölfter

11.07.2022 | Stand 22.09.2023, 21:20 Uhr

Sicher unterwegs: Trotz der kurzen Vorbereitung navigiert Daniel Kühn sein Quad bei der Rallye Breslau in zum Teil sehr schwierigem Gelände sicher ins Ziel. Foto: RBI-Media

Von Erhard Wallenäffer

Breslau – Etwas Vergleichbares wie die Rallye Breslau Poland gibt es sonst in Europa nicht: Eine Woche lang Matsch, Staub, Dieselgeruch, jaulende Motoren und ratternde Druckluftschrauber. Als absolut harte Prüfung für Mensch und Material gilt das, auf was sich Daniel Kühn zum zweiten Mal eingelassen hat. Der Pfaffenhofener Rallye-Pilot navigierte noch vor drei Jahren einen LKW durch die Wildnis im Norden Polens. Damals war Kühn Co-Pilot, diesmal aber nahm er das Abenteuer alleine in Angriff – mit einem Quad.

Das Spektakel: Kühn ist Rennfahrer mit Leib und Seele, als Rallye-Pilot hat er schon Erfolge bei den Events des ADAC Rallye Masters gefeiert. Im Mai wurde er von anderen Rennfahrern gefragt, ob er denn „wahnsinnig“ sei? Gerade hatte sich der Pfaffenhofener ein Quad gekauft, um damit vier Wochen später bei der Rallye Breslau Poland mitzufahren. Zeit zur Vorbereitung gab es kaum – immer wieder ist Kühn den geschotterten Feldweg zwischen Vieth und Menzenpriel entlang gefahren, aber ein richtiges Training für die Europa-Variante der Dakar-Rallye konnte das gewiss nicht sein. Schon am 26. Juni sollte es in Nordpolen losgehen: 270 Teams aus 16 Nationen hatten für das Abenteuer gemeldet. „Mein Debüt 2019 hat mich gefesselt, der Reiz war gleich da, diese Herausforderung alleine in Angriff zu nehmen. Ohne Hilfe Zeiten auszurechnen, zu navigieren und am Limit zu fahren – das ist genau mein Ding“, erklärt Kühn.

Von einem knapp 60 PS starken V-Twin-Triebwerk befeuert und über 300 Kilogramm schwer – der Can-Am Renegade X XC von Kühn ist ein kompakter Kraftprotz auf vier Rädern. Speziell ist so einiges daran, etwa die Reifen, welche schon im Werk auf die Felgen verschraubt wurden. „Damit sich die Räder durch den tiefen Sand wühlen konnten, regelte ich den Reifendruck extrem herunter und ohne Verschraubung wären die Pneus heruntergerutscht“, erklärt Kühn die Besonderheit. Über einen GPS-Transponder erfolgte die Ortung: Mit dem Druck auf einem roten Schalter hätte Kühn jederzeit Hilfe anfordern können.

„Spielplätze“ für die vielen Teilnehmer waren zwei schier unendlich weite „Sandkästen“ – Europas größte Nato-Truppenübungsplätze bei den Rallye-Camps in Zagan und Kalisz Pomorskie. Verworrene Distrikte von 36000 Hektar, auf denen manchmal Baumgruppen und zerschossene Panzer als einzige Orientierungshilfe taugten, wie Kühn angibt. „In Polen spricht man von der eigenen Sahara. Solch einen feinen Sand gibt es sonst nur in der Wüste.“ Eine Spazierfahrt sieht ganz anders aus: In bis zu zwei Meter tiefen Bodenwellen verschwand Kühn schon mal mit seinem Quad und auf ruppigem Belag war der 34-Jährige fast immer unterwegs.

„Sie sind eine eingeschworene Gemeinde.“ So beschreibt Kühn seine Konkurrenten, die hauptsächlich Stammfahrer waren. Skeptisch sei er in den ersten Tagen beäugt worden, fügt er hinzu: „Ich war der neue, das Greenhorn. Erst nach und nach haben sie akzeptiert, dass ich gar nicht so schlecht mitfahre, dann sind sie mir gegenüber aufgetaut.“ Kühn lacht, wenn er darüber berichtet. Irgendwann hätte er sogar einem Werksfahrer technische Details entlocken können, von da ab habe er gewusst: „Ich gehöre dazu.“ Dann erzählt er von einer speziellen Begebenheit: „Ein gestrandeter Konkurrent hat mich aufgehalten und verzweifelt um Benzin angebettelt. Aber mein Tank war auch schon ziemlich leer, dann war er den Tränen nahe.“

„Wir fahren nach Roadbook mit Chinesenzeichen“, erklärt Kühn. Die unzähligen Symbole im Streckenbuch beschreiben immer nur die aktuelle Situation: An einer Kreuzung, einer Gabelung oder einer anderen markanten Stelle ist den eingetragenen Pfeilen zu folgen. Vor dem Start in eine Prüfung musste Kühn die Zeichen innerhalb kürzester Zeit entschlüsseln. „Du bekommst das Roadbook sehr knapp vorher, dann studierst du die Informationen im Schnelldurchgang und markierst die heiklen Stellen.“ Auf seinem Lenker war ein Mechanismus befestigt, in dem Kühn das Roadbook als Papierrolle einzog. Per Knopfdruck konnte er umblättern und auch zwei Wegstreckenzähler mit Kompass waren unverzichtbar.

„Wahnsinn!“ Nur dieses eine Wort kommt zunächst von Kühn, als man ihn auf sein Ergebnis nach 1040 Wertungskilometern anspricht. Zwölfter wurde er von 36 Quadfahrern und damit bester deutscher Teilnehmer – mit Abstand. Warum ihm das fast ohne Erfahrung gelungen ist, dafür hat der 34-Jährige eine Erklärung: „Navigieren ist meine große Stärke. Ich war wohl nicht so schnell wie meine Mitstreiter, wurde auch immer wieder überholt. Aber diejenigen, die an mir vorbeigefahren sind, haben sich dann oft verfahren.“ Viele Wegpunkte waren obendrein zu kreuzen – wurden diese ausgelassen, gab es Zeitstrafen. Kühn verpasste keine einzige. Abschließend sagt er: „Ich hätte nie gedacht, dass ich so schnell, so zügig und so sicher sein kann. Es wird definitiv weiter gehen: Ende September fahre ich meine nächste Raid-Rallye in Rumänien, im März geht es dann nach Tunesien und im Mai nach Griechenland.“

PK