Fußball, A-Klasse Aichach
Sorgen um den FC Schrobenhausen: „Mir fehlt die Fantasie, wie es weitergehen soll“

Die Trainer hören auf, die Mannschaft steht vor der Abmeldung

16.11.2022 | Stand 19.09.2023, 5:21 Uhr

Extrem dunkle Wolken über dem Schrobenhausener Sportgelände: Die Gefahr, dass hier schon sehr bald überhaupt keine FCS-Herrenmannschaft mehr kicken wird, ist riesengroß. Foto: M. Schalk

Von Matthias Vogt

Fast 100 Jahre lang hat der FC Schrobenhausen Herren-Fußballmannschaften in den Spielbetrieb geschickt. Es gab glorreiche Zeiten, doch manchmal hatte sich der Traditionsverein recht nahe am Abgrund bewegt. Die nächsten Wochen und Monate könnten sportlich nun besonders schicksalhaft werden.



Nicht nur das Trainerteam hat seinen Rückzug angekündigt. auch der Mannschaft droht – wenn kein Fußballwunder passiert – erstmals die Abmeldung aus der Punktrunde.
Wenn Stephan Rausch derzeit in Verbindung mit Fußball auf positive Gedanken kommen möchte, dann widmet er sich den Kleinsten beim FCS. Insgesamt 35 Kinder sind inzwischen in der F- und E-Jugend beim Traditionsverein aktiv, die unter anderem vom Vorsitzenden selbst und von der derzeit verletzten türkischen Nationalspielerin Melike Pekel trainiert werden. Erfolgreiche Nachwuchsarbeit beim FCS: Das gibt es erst seit ein paar Jahren wieder. „Und das wird in Zukunft auch so weitergehen“, betont Rausch. Eine erste Herrenmannschaft wird es dagegen vielleicht bald nicht mehr geben.

Bei der nächsten Absage ist die Saison vorbei

Zweimal hat der FC Schrobenhausen in den vergangenen Wochen ein A-Klassen-Match absagen müssen. Passiert es am Sonntag (auswärts beim SV Echsheim/Reicherstein II) erneut, müsste die Mannschaft den Spielbetrieb verlassen und stünde als Absteiger fest. Acht Aktive habe man laut Rausch, Stand Mittwoch, beisammen. Der Vorsitzende wird für das letzte Spiel des Kalenderjahres mit aller Kraft versuchen, noch mehr von ihnen zusammenzutrommeln. Allerdings sagt er auch mit aller Offenheit: „Selbst wenn wir uns jetzt in die Winterpause retten sollten – mir fehlt ein bisschen die Fantasie, wie es danach weitergehen soll.“
Ein Gebilde, das sich zu einem Teil durch Spieler von außerhalb (früher aus dem Raum Augsburg, heute eher aus Neuburg und Ingolstadt) erhält, sei die FCS-Mannschaft schon länger gewesen. Doch wenn so vieles zusammenkomme wie aktuell – dauerverletzte Spieler; Spieler, die keine Zeit oder keine Lust mehr hätten – „dann zwingt uns dieser Mangel quasi dazu, keine Mannschaft mehr zu stellen“, klagt der Vorsitzende. Aus der Jugend kann sich der Klub (noch) nicht bedienen, Eigengewächse im Erwachsenenalter gibt es nicht viele. So waren es in den vergangenen Jahren auch die Trainer – von Zoran Petrovic über Daniel Wittmann, Oguzhan Halici, das Duo Benjamin Anikin/Niko Saridis bis zu David Kramek/Rahman Dzinic – die ein Team mit zusammenhielten. Doch Rausch sagt frustriert: „Wenn kein Training mehr stattfindet und nur noch acht Akteure für die Spiele zur Verfügung stehen – da kannst du den besten Trainer der Welt holen, und er kann ebenfalls nichts machen.“

Den aktuellen Trainern fehlt eine echte Perspektive

Als solcher würde sich David Kramek (kleines Foto) nicht bezeichnen. Aber zumindest als einer, der – gemeinsam mit Rahman Dzinic – seit dem vergangenen Sommer vieles versucht hat. Unabhängig davon, ob die Mannschaft weiter im Spielbetrieb bleibt oder nicht, hat sich das Gespann bereits schweren Herzens dazu entschieden, im Winter aufzuhören – was es für den FCS natürlich nicht leichter macht. Der Grund: die fehlende Perspektive. „Wir hatten lange Geduld, haben gekämpft“, sagt Kramek. Doch es kam aus seiner (und Dzinic‘) Sicht zu wenig zurück. Nicht unbedingt, was die Leistungen betrifft (die ja anfangs recht gut waren) – sondern in der gesamten Außendarstellung, in Punkten wie Disziplin, Teamgeist oder eben Verlässlichkeit. „Wir wollten den Verein auf eine besondere Weise Spielern schmackhaft machen“, sagt Kramek. Die nüchterne Erkenntnis: Es hat wohl nicht geklappt.
Kramek nennt ein Beispiel: Ein paar potenzielle Neuzugänge, die sich für den FCS interessierten, habe er aufgetrieben. Dass sie zum Probetraining vorbeischauen, scheiterte alleine daran, dass über mehrere Wochen alle Einheiten abgesagt werden mussten – weil nur vier bis sechs Leute dabei gewesen wären. Er habe auch die Vertrauensfrage gestellt. Doch ihm sei bestätigt worden, dass es nicht an bestimmten Personen, sondern eher an der Grundeinstellung liege. „Das ist traurig“, sagt der Noch-Trainer, „denn wir hatten viel vor“. Und er sagt deutlich: „Manche sehen das eher wie eine Art Hobbykick. Nach dem Motto: Wenn ich da bin – gut. Wenn nicht, dann halt nicht.“ Für die eigenen Ansprüche sei das viel zu wenig.
Beiden, David Kramek und vor allem Stephan Rausch (der seine Trainer übrigens verstehen kann), ist es dabei sehr wichtig zu betonen, dass das nicht für alle beim FC Schrobenhausen gelte. Spieler, die sich über viele Jahre mit dem Verein identifizieren – Martin Höhler allen voran, auch Ali Ay und noch ein paar mehr – seien davon ausgenommen. Genauso wie viele treue Fans und Unterstützer im Umfeld. „Sepp Eam, Karl Schreier, Florian Schießl, Richard Rinn, Hans Frank oder Gerhard Noppenberger...“, beginnt Rausch mit seiner Aufzählung: „Mir tut es vor allem sie unendlich leid.“

Häme und Kritik werden wohl kommen

Dass auch er selbst dabei im Fokus steht – natürlich sieht Rausch das ein. Denn er sei nun mal der Vorsitzende, unter dem erstmals die Abmeldung einer ersten Mannschaft bevorsteht. „Ich stelle mich dieser Kritik, halte meinen Kopf hin“, sagt der 36-Jährige. Er könne für sich aber zumindest behaupten, seit dem plötzlichen Tod von Winfried Buchhart „alles versucht zu haben“, damit es beim FCS weitergeht. Gute Ratschläge gebe es dennoch von vielen Seiten – vor allem aus Sorge, dass ein solcher Traditionsverein untergeht. „Das ist alles auch sehr gut gemeint“, sagt Rausch: „Leider bringt mir Tradition aber keine Spieler.“
Auch, dass das alles eine gewisse Schadenfreude im Umfeld hervorrufen könnte, ist dem Schrobenhausener bewusst. Doch davor könne er nur warnen. Eine prekäre Situation wie jetzt beim FCS könne auch anderen Vereinen irgendwann bevorstehen. Unrecht hat Rausch damit wohl nicht: Im Vorjahr musste der SC Mühlried seine Mannschaft – wenn auch nur die Zweitverwertung – aus der A-Klasse abmelden. Andernorts gibt es immer mehr Spielgemeinschaften (zum Beispiel Holzheim/ Münster). „Ob uns jemand mag oder nicht – so etwas ist grundsätzlich keine gute Entwicklung für den Fußball“, meint der FCS-Vorsitzende.
Apropos, ob eine solche Spielgemeinschaft vielleicht auch in Schrobenhausen denkbar wäre, wo es ja in unmittelbarer Nähe noch einen Klub mit meist ähnlichen Problemen gibt? „Denkbar vielleicht“, sagt Rausch. „Aber da müssten ja sowohl der Klub XY als auch die Spieler überzeugt sein, dass das passt.“ Man müsse sich das schon genau überlegen: ob man so etwas versuche oder vorerst doch „nur“ die ganze Konzentration in die Nachwuchsarbeit stecke.

Wenn schon Abschied, dann mit Anstand

Denn mit Jugendfußball in Schrobenhausen soll es ja definitiv weitergehen. Und auch ansonsten möchte sich niemand der Verantwortlichen verkriechen oder sich – sollte es so kommen – möglichst leise sowie unbemerkt verabschieden. Kramek sagt: „Ich werde alles daran setzen, dass wir am Wochenende noch mal spielen.“ Rausch hat derweil noch ein anderes großes Ziel: „Ich möchte unbedingt am Wettbewerb um den S-Cup teilnehmen.“ Sich bei diesem Turnier noch einmal den eigenen Fans und auch in der Stadt zu präsentieren: „Das wäre zumindest ein Abschied mit Anstand“, sagt er. Und er schmunzelt: „Da reichen uns dann auch acht Spieler.“
Was natürlich nicht für alle Zeit gelten muss. Denn auch etwas anderes ist Rausch besonders wichtig: „Sollten sich hier – ob jetzt sofort oder in Zukunft – mal wieder 13, 14 Spieler finden, dann werden wir auch weitermachen oder mal wieder eine Mannschaft melden“, sagt er. Im Jahr 2024 wird der Verein schließlich 100 Jahre alt. Kaum vorstellbar, dass er dann ohne jegliches Herrenteam im Spielbetrieb dastehen wird. Rauschs Hoffnung ist gleichzeitig ein Versprechen: „Wer beim FC Schrobenhausen in Zukunft Fußball spielen möchte, der soll das auch können.“

SZ