Judo
Lehrreiche Zeiten für einen alten Hasen

Für den Abensberger Otto Kneitinger ist das Intermezzo als Chef der europäischen Judoka beendet

23.06.2022 | Stand 22.09.2023, 22:00 Uhr

Judo-Funktionär Otto Kneitinger (rechts) im Gespräch mit Hiromi Miwa, dem früheren Trainer des TSV Abensberg Foto: Abeltshauser

Von Heinz Gläser

Abensberg – Otto Kneitinger hakt die vergangenen vier Monate als „wertvolle Erfahrung“ ab, als ebenso fordernde wie lehrreiche Zeit. Praktisch über Nacht war der Abensberger als Interimspräsident an die Spitze der Europäischen Judo-Union (EJU) gerückt, nachdem sein Freund und langjähriger Weggefährte, der Russe Sergey Soloveychik, diese Position vor dem Hintergrund des Ukraine-Kriegs geräumt hatte. Nun hat die EJU auf einem außerordentlichen Kongress in Wien die personellen Weichen neu gestellt. Der Niederbayer rückt auf eigenen Wunsch wieder ins zweite Glied, nimmt seine angestammte Funktion als Vizepräsident mit den Schwerpunkten Marketing und Sponsoring wahr.

„Der Wechsel ging reibungslos über die Bühne“, berichtet Kneitinger. Neuer EJU-Chef ist der Ungar Laszlo Toth. Er übernimmt einen Verband, der sich in dem aktuell äußerst angespannten politischen Umfeld dafür entschieden hat, russische und belarussische Athleten wieder bei internationalen Wettkämpfen starten zu lassen – unter neutraler Flagge.

Otto Kneitinger hält das für den richtigen Weg. „Sport kann verbinden, wenn man die Politik rauslässt. Der Pass darf nicht den Ausschlag geben. Wir haben das Projekt ,Judo for Peace‘, haben es im Weltverband sogar geschafft, dass Israelis und Iraner wieder gegeneinander antreten“, sagt der 67-Jährige, betont aber gleichzeitig: „Wer sich danebenbenimmt, wird sofort gesperrt.“

Der gelernte Konditor, Hotelier und Unternehmer aus Niederbayern ist ein alter Hase im Judo-Geschäft, hat den TSV Abensberg zum deutschen Rekordmeister und Europapokalsieger geformt. Dennoch stellte ihn die Funktion als EJU-Chef und „Vize“ im Weltverband vor neue Herausforderungen.

„Teilweise ist man schlicht und einfach fachlich überfordert, wenn es um bestimmte Regularien geht, weil die Erfahrung fehlt“, gibt Kneitinger zu. Als Beispiel nennt er den Wechsel eines Kämpfers zu einem anderen Nationalverband. So gebe es emigrierte ukrainische Judoka, die sich zu diesem Schritt entschlossen hätten.

Hinzu sei die zeitliche Belastung gekommen. Tausende von E-Mails seien eingetrudelt, bis tief in die Nacht hinein habe das Telefon geläutet. „Am Anfang war es holprig. Dann wurde es besser und hat zum Schluss sogar richtig Spaß gemacht“, blickt Kneitinger auf die vier Monate zurück, betont aber: „Ein Dauerzustand sollte das nicht werden.“

Auch menschlich sei die Zeit an der kontinentalen Verbandsspitze lehrreich gewesen. „Ich stelle mir stets im Leben die Frage, ob ich es mit einem ehrlichen Menschen zu tun habe oder nicht. Es ist unglaublich, wie unterschiedlich sich manche einem gegenüber verhalten, nur weil man ein höheres Pöstchen bekleidet“, sagt Kneitinger und fügt hinzu: „Ich verachte das. Ich bin ja dadurch nicht plötzlich ein anderer Mensch geworden.“

Als Marketingexperte der EJU hat Kneitinger für die Zeit bis zu den Olympischen Spielen 2024 in Paris bereits Verträge in Höhe von rund vier Millionen Euro abgeschlossen. Dann wird er 70 und will „definitiv einen Schlussstrich“ unter die Funktionärslaufbahn ziehen. Allerdings hatte er schon zuvor mehrfach seinen Rückzug angedeutet, aber nie ganz vollzogen. „Man muss aufpassen, dass man den richtigen Moment nicht verpasst“, merkt Kneitinger dazu an.

DK