Was bringt die Zeitstrafe?
Überwiegend Zustimmung

Fußball: Schiedsrichter und Klubverantwortliche sehen wiedereingeführte Zehn-Minuten-Zeitstrafe positiv

30.01.2023 | Stand 17.09.2023, 4:17 Uhr

Durchaus bewährt hat sich die Zehn-Minuten-Zeitstrafe auf den Plätzen der Region. In dieser Szene wendet sie Schiedsrichter Fabian Wildmoser in der Kreisklassen-Partie zwischen dem BC Uttenhofen (links Lukas Gremminger) und dem SV Zuchering (rechts Stefan Hoffmann ) an. Foto: Stolle

Ingolstadt – Als vor dieser Fußball-Saison im Amateurbereich die Zehn-Minuten-Zeitstrafe nach fast 30 Jahren ihr Comeback feierte, herrschte unter Trainern und Funktionären Skepsis. Braucht‘s das unbedingt? Sind Gelbe, Gelb-Rote und Rote Karte nicht ausreichend, um Spieler zu sanktionieren? Hat der Schiedsrichter mit der Spielleitung nicht ohnehin schon genug Aufgaben? – lauteten damals kritische Fragen. Nach dem nun etwas mehr als die Hälfte der Saison gespielt ist lässt sich festhalten: Ein Großteil begrüßt das neue Instrument, auch unter den Schiedsrichtern. „Es gibt zwar auch bei uns ein Für und Wider, die meisten sehen die Zeitstrafe aber positiv. Sie hilft uns schon“, sagt Hans Kroll. Der Schiedsrichter-Obmann der Gruppe Ingolstadt führt aus: „Es gibt Fouls, für die eine Gelbe Karte zu wenig ist, aber eine Rote zu viel, dafür ist die Zeitstrafe prädestiniert.“ Auch bei taktischen Vergehen in der Schlussphase einer umkämpften Partie sei diese Art der Sanktion eine gute Wahl: „Wenn ein Spieler kurz vor Schluss durch Trikotziehen einen aussichtsreichen Angriff des Gegners verhindert, dann sollte es dafür nicht Gelb, sondern direkt die Zeitstrafe geben. So wurde uns das vom Verband kommuniziert.“ Im Fußballkreis Donau/Isar werde das Mittel regelmäßig angewandt, wie Kroll meint. In den unteren Klassen beobachtet er indes eine Schwierigkeit: „Da hat der ein oder andere ein Problem, es korrekt umzusetzen. Bei zwei gelb-würdigen Fouls hintereinander gibt es beim zweiten oft nur die Zeitstrafe, obwohl Gelb-Rot die richtige Entscheidung wäre.“ Wir haben die Trainer der Region gefragt, welche Erfahrungen sie mit der Zeitstrafe bislang gemacht haben.

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Fabian Reichenberger (Trainer SV Manching, Bezirksliga): Sieben Zehn-Minuten-Strafen hat der SV Manching in den bisher 17 Spielen kassiert. „Prinzipiell ist die Zeitstrafe in Ordnung, weil sie ab und zu vor einem Platzverweis schützt und ein zusätzliches Mittel zur Deeskalation ist“, sagt Trainer Fabian Reichenberger. Allerdings findet der 34-Jährige auch, dass seine Spieler diese Strafe „manchmal zu früh“ erhalten haben, weil „die Schiedsrichter in der Phase dann einfach ein Zeichen setzen wollten.“ Die nach über 30 Jahren wieder eingeführte Regel macht den Fußball aus Sicht des SVM-Coaches nicht komplizierter – allenfalls ein klein wenig ungerechter, da sie nur für Meisterschaftsspiele von der C-Klasse bis hinauf zur Landesliga ausgesprochen werden kann. „Ab der Bayernliga aufwärts ist die Qualität natürlich höher. Im Grunde genommen ist es aber auch nur Fußball, und der sollte gleich sein – egal ob Bundesliga oder Amateurklasse. Ich finde es schade, dass es hier keine Einigkeit gibt.“

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Stefan Schaller (Sportlicher Leiter TSV Oberhaunstadt, Kreisliga 1 Donau/Isar): Insgesamt 40-mal wurde an den ersten 16 Spieltagen in der Kreisliga 1 eine Zehn-Minuten-Zeitstrafe ausgesprochen. Den TSV Oberhaunstadt erwischte es viermal – der zweithöchste Wert in der Liga. Dennoch findet der sportliche Leiter des TSVO, dass sein Team in der ersten Saisonhälfte noch nicht die großen Berührungspunkte mit der neuen Regelung hatte. „Das liegt vielleicht auch daran, dass es für alle Beteiligten immer noch neu ist und die Schiedsrichter noch mehr Erfahrung sammeln müssen, wann sie welche Strafe verwenden“, erklärt Stefan Schaller. Er selbst bleibt ein Befürworter der neuen Zehn-Minuten-Zeitstrafe. „Generell finde ich die Zeitstrafe in bestimmten Situationen besser als eine Gelbe Karte, da dann die gegnerische Mannschaft in Unterzahl weiterspielen muss ist“, sagt er. Als Beispiel führt er umkämpfte Schlussphasen an: Wenn dann eine Mannschaft taktische Fouls mache, um den Spielfluss zu unterbrechen oder Zeit von der Uhr zu nehmen, sei die Zehn-Minuten-Zeitstrafe das geeignetere Mittel. „Das tut der Mannschaft dann eher weh als eine Gelbe Karte“, sagt Schaller.

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„Ganz grundsätzlich finde ich, dass es in den vergangenen Jahren zu viele Regeländerungen im Fußball gab. Und das beziehe ich nicht nur auf den Amateursport, sondern auch auf die Profis und verschiedene Turniere. Allerdings muss ich sagen, dass die Zehn-Minuten-Strafe durchaus Sinn macht“, erklärt der Trainer des FC Gelbelsee, Florian Wolf. „Für den Schiedsrichter ist es wie eine Zwischenlösung, da in manchen Fällen eine Gelbe Karte nicht ausreicht, ein Platzverweis aber zu hart wäre.“ Im Spiel des FCG gegen Steinberg seien beispielsweise zwei Spieler aneinandergeraten. Statt beide Akteure des Feldes zu verweisen, hat der Unparteiische Zeitstrafen ausgesprochen und so die aufgeheizte Stimmung beruhigt. „Ich finde auch, dass die Schiedsrichter es gut einsetzen. Sie beweisen Fingerspitzengefühl.“ Ein klarer Vorteil sei die kurze Überzahl aber nicht immer: „Wir haben einmal mit nur zehn Mann getroffen, hatten in einem anderen Fall durch eine Strafe aber auch schon einen Bruch im Spiel. Die zehn Minuten verändern das Spiel aber auf jeden Fall.“

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„Ich war zu Saisonbeginn eher skeptisch mit der Einführung und die ersten Spiele haben meine Meinung leider auch bestätigt. Insbesondere die Auslegung der neuen Regel war anfangs willkürlich und häufig überhaupt nicht nachvollziehbar“, sagt Christian Springwald. Der Trainer des SV Haunwöhr hat aber eine Entwicklung beobachtet. „Ab Mitte der Vorrunde wurde es dann besser. Mittlerweile denke ich, die Zehn-Minuten-Strafe ist keine schlechte Neuerung. Allerdings muss die Auslegung klarer definiert werden.“

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Roble Braun (Trainer VfB Friedrichshofen, A-Klasse 2 Donau/Isar): „Ich persönlich bin da eher konservativ eingestellt und halte Gelbe, Gelb-Rote und Rote Karte als Sanktionsmittel für absolut ausreichend“, sagt Roble Braun. Dem Trainer des VfB Friedrichshofen fehlt bei den Unparteiischen ohnehin häufig das Fingerspitzengefühl im Umgang mit strafbaren Situationen. „Deswegen bin ich auch kein Fan von Zehn-Minuten-Strafen, weil damit nur eine Option geschaffen wird, mit der ein angemessener Einsatz der Karten umgangen werden kann.“ Ein zusätzliches Manko der Zeitstrafen sei aus seiner Sicht die zunehmende Verletzungsgefahr. „Der bestrafte Spieler geht raus, wird kalt und verliert den Spielrhythmus. Zerrungen, Bänderrisse oder Ähnliches sind da vorprogrammiert.“ Braun findet, dass auch die Trainer in kniffligen Situationen eingreifen können. „Wir haben die Möglichkeit, fünf Wechsel vorzunehmen, und können auch mit Rückwechsel auf das Spielgeschehen Einfluss nehmen und Situationen entschärfen.“

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