Judo - 2. Bundesliga
Teamgeist, Erfahrung und ein bisschen Schach

Taktische Umstellung bringt ESV Ingolstadt 8:6-Sieg gegen die Isarfighter – und Platz zwei in der 2. Liga

20.09.2022 | Stand 22.09.2023, 5:30 Uhr

„Coyoten“ im Glück: Die Judoka des ESV Ingolstadt jubeln im Kampf gegen die Isarfighter mit dem siegreichen Benedikt Morkus (vorne rechts). Foto: Roth

Von Norbert Roth

Ingolstadt – Für den größten Erfolg in der Abteilungsgeschichte darf ein Trainer auch schon mal in die Trickkiste greifen. Bei den Judoka des ESV Ingolstadt und ihrem Coach Sebastian Zimmermann passierte genau das im letzten Saisonkampf gegen die Isarfighter. Mit Erfolg, denn die Eisenbahner sicherten sich vor rund 200 begeisterten Zuschauern durch einen 8:6-Sieg erstmals Platz zwei in der 2. Bundesliga Süd.

„Die Jungs sagen immer: Sebi, du bist wie ein Schachspieler“, erzählt der gelöste 52-jährige Chefcoach nach dem Erfolg, grinst kurz, um dann doch seine Stirn in Falten zu legen. Man soll ruhig wissen, dass er sich seine Entscheidungen während des Wettkampfes nicht leicht gemacht hat. „Ich muss immer schauen, wie fit sind die Kämpfer, wie stark fühlen sie sich. Ich musste heute sehr schwierige Entscheidungen treffen und bin froh, dass die Jungs – auch die, die nur am Mattenrand dabei waren – das mitgetragen haben. Ich bin unheimlich stolz auf diese Mannschaft, auf diesen Teamgeist. Das war vielleicht der beste Kampf, seit ich Trainer bei den ,Coyoten bin“, sprudelte es aus Zimmermann heraus. Man muss wissen: Der gebürtige Rumäne ist mit seinem Bruder Catalin seit über 20 Jahren beim ESV.

Bereits vor diesem Duell gegen die Kampfgemeinschaft aus dem Süden von München (mit Athleten aus Lenggries, Holzkirchen, Großhadern) war klar, dass nur der Sieger noch auf Platz zwei wird kommen können. Und dann ging – zumindest aus ESV-Sicht – der Start gleich daneben. Christopher Vance (+100kg) musste nach einer Knieverletzung den ersten Kampf aufgeben, direkt danach verlor Valentin Larasser in der Kategorie bis 81kg völlig überraschend. „Valentin ist eigentlich ein Punktgarant für uns, da bin ich schon ein bisschen unruhig geworden“, erzählt Zimmermann. Lucas Kuttalek (-73kg) und Georgios Aslanidis (-100kg) glichen mit ihren Siegen zum 2:2 aus, doch Lucas Bornschein (-66kg) und Mike Schmal (-90kg) unterlagen im Anschluss. Benedikt Morkus landete in der Klasse -60kg noch einen Sieg, doch der ESV ging nach dem ersten Einzeldurchgang mit einem 3:4-Rückstand in die Pause. Jetzt war Zimmermann gefragt.

„Ich wusste, dass Matthias Werner ein erfahrener Kämpfer ist, deshalb habe ich ihn für Vance gebracht“, erklärte der Coach. Außerdem berief „Schachspieler“ Zimmermann Dimitrios Tsanidis (-66kg) und Nikos Moulatze (-90kg) in die Aufstellung – und sollte damit in zwei der drei Fälle Punktgewinne einwechseln. Das reichte am Ende. Denn Kuttalek, Aslanidis und Morkus gewannen neben Werner und Tsanidis ebenfalls ihre Kämpfe. Unterm Strich entschied der ESV die zweite Runde so mit 5:2 für sich, was in der Endabrechnung den umjubelten 8:6-Gesamtsieg brachte.

Dabei kam Werner gleich nach der Pause die vielleicht wichtigste Rolle zu. „Er hat im Plus einen sehr starken Gegner gehabt und es wirklich klasse gemacht. Als er gewonnen hatte – obwohl es erst 4:4 stand – wusste ich, dass dies eine Signalwirkung für die gesamte Mannschaft haben wird und wir noch gewinnen können“, freute sich Zimmermann, der in Runde zwei gleich fünf klare Ipon-Siege seiner hochmotivierten Judoka bejubeln konnte. Herausragend, in einer kämpferisch starken Mannschaft, war dabei die Leistung von Aslanidis, der zweimal weniger als eine Minute für seine Siege benötigte und in der gesamten Zweitliga-Saison ungeschlagen blieb.

„Dieser zweite Platz bedeutet uns sehr viel, weil er eine Bestätigung für unsere jahrelange Arbeit ist. Anders als der MTV vor vielen Jahren, der in der Bundesliga nur mit Ausländern gekämpft und in Audi einen großen Hauptsponsor hatte, haben wir das aus eigener Kraft geschafft. Das macht mich sehr stolz“, erklärte Zimmermann.

Und als wollten seine „Coyoten“ noch einen Beweis für den intakten Teamgeist beim ESV liefern, schnappten sie sich im Anschluss erst Co-Trainer Catalin Zimmermann, dann auch den Cheftrainer – und warfen beide im Mannschaftskreis unter lautem Jubel gleich mehrfach in die Höhe.

DK



10000 Euro fehlen für die Bundesliga

Ingolstadt – Trotz aller Freude über den spektakulären Sieg im letzten Saisonkampf gegen die Isarfighter wurde ESV-Trainer Sebastian Zimmermann beim Gespräch am Mattenrand dann auch noch einmal nachdenklich. Hintergrund ist ein möglicher Aufstieg seiner Judoka in die 1. Bundesliga. Den würde er aus sportlicher Sicht gerne wahrnehmen, aus finanzieller Sicht muss er ihn nach derzeitigem Stand aber ablehnen. „Wir sind im vergangen Jahr schon gefragt worden, ob wir hoch wollen und haben dieses Jahr sicher wieder eine gute Chance. Aber ohne Unterstützung durch einen Hauptsponsor geht es nicht“, beginnt Zimmermann und klagt: „Ich verstehe nicht, dass es in einer Stadt wie Ingolstadt keine Firma gibt, die bereit ist, 10000 Euro für einen Judo-Bundesligisten aufzubringen.“ Dieser Betrag (zusätzlich zum jährlichen Vereinszuschuss für die Abteilung von 13000 Euro) würde nach seiner Einschätzung schon ausreichen, um das Abenteuer Erstklassigkeit mit dem ESV angehen zu können. Mit zusätzlichen 30000 Euro könne (s)ein Team im Oberhaus sogar „eine gute Rolle spielen“.

Bis zum Jahresende ist noch Zeit, dann müssen sich die „Coyoten“ entscheiden. Dabei steht eines für Zimmermann bereits jetzt fest: „Wir gehen nicht hoch, nur um dabei zu sein – und lassen uns dann vorführen. Dann bleiben wir mit dieser tollen Mannschaft lieber in der 2. Bundesliga.“

nor