Zweimal ein Spiel des Jahres
Für den FC Ingolstadt und Gastgeber FV Illertissen geht es im Toto-Pokalfinale um viel

02.06.2023 | Stand 16.09.2023, 4:43 Uhr

FCI-Trainer Michael Köllner blickt mit großer Vorfreude dem Toto-Pokalendspiel gegen den FV Illertissen entgegen. Foto: Meyer

Das Toto-Pokalfinale an diesem Samstag (16.40 Uhr) ist für den FC Ingolstadt und Titelverteidiger FV Illertissen gleichermaßen das Spiel des Jahres.



Für die Gastgeber aus bayrisch Schwaben, weil sie als Regionalligist bereits zum dritten Mal in Folge im Finale stehen und sich sogar schon zum vierten Mal für den DFB-Pokal qualifizieren können. Für die Schanzer, weil sie eine verkorkste Saison noch mit der ersten Pokaltrophäe der Vereinsgeschichte zu einem guten Ende bringen und sich zudem mit einem Sieg die Zusatzeinnahmen in der ersten DFB-Pokalrunde sichern können. Überdies rückt der FCI bei seinem zweiten Endspiel nach 2005 (0:2 gegen Jahn Regensburg) auf die große Bühne, denn die Partie wird im Rahmen einer Konferenzschaltung in der ARD am „Finaltag der Amateure“ live im Fernsehen übertragen. Im BR kann man die Partie per Livestream verfolgen.

Köllner: „Wir sind heiß auf den Titel!“

„Es ist toll für uns, dass wir die Saison so abschließen können. Es gibt einen Titel zu holen, auf den sind wir heiß!“, meint FCI-Trainer Michael Köllner. Allerdings gibt es veränderte Vorzeichen zu bedenken. „Wir wissen, dass wir der Favorit in diesem Spiel sind. Wir mussten in der Liga darauf bedacht sein, dass wir etwas verhindern und nicht in die Regionalliga absteigen. Jetzt können wir etwas gewinnen, es ist eine Herausforderung, dass man so einen Titel einsackt, mit dem wir uns auch noch den DFB-Startplatz holen können. Ich bin sicher, dass wir die Qualität haben und auch die Einstellung, dass wir das Spiel in Illertissen in 90 Minuten für uns entscheiden können“, sagt Köllner.

Aber es gibt eine pikante Vorgeschichte: Köllner, der 2020 mit 1860 München den Wettbewerb gewonnen hatte, war in der laufenden Spielzeit noch mit den Löwen im Viertelfinale an Illertissen (0:1) gescheitert. „Das will ich nicht noch einmal erleben“, kündigte Köllner bereits nach dem Halbfinalsieg des FCI beim ATSV Erlangen (2:0) an. Jetzt hat der 53-Jährige die Chance auf eine persönliche Revanche.

Dennoch sollten die Ingolstädter auf der Hut sein. Denn der zwischen Ulm und Memmingen beheimatete Regionalligist hat eine beeindruckende Pokalhistorie. Nach 2021 (7:8 nach Elfmeterschießen gegen Türkgücü München) und 2022 (5:4 nach Elfmeterschießen gegen den TSV Aubstadt) steht Illertissen zum dritten Mal in Folge im Finale. Zudem hat der Verein bereits 2013 (0:2 gegen Eintracht Frankfurt) und 2014 (2:3 nach Verlängerung gegen Werder Bremen) unter dem im Oktober 2022 zurückgekehrten Erfolgstrainer Holger Bachthaler am DFB-Pokal teilgenommen. Und auch im Vorjahr ging der jetzige Bundesliga-Aufsteiger 1. FC Heidenheim in der ersten Runde erst am Ende als 2:0-Sieger hervor.

Illertissen ohne Gegentor ins Finale

Bemerkenswert ist ebenfalls der aktuelle Weg des FCI-Gegners ins Finale, der ohne Gegentor gelang. Den Startschuss für die bisher makellose Serie legte der Regionalligist mit einem fulminanten 9:0-Sieg gegen den Kreisligisten SV Memmingerberg (Kreissieger Allgäu), dem nicht minder beeindruckende Auftritte gegen den Bayernligisten TSV Landsberg (4:0) und den Regionalligisten TSV Buchbach (3:0) folgten. Das Halbfinalticket löste der Titelverteidiger dann eben durch das 1:0 gegen Köllners damalige Löwen und schließlich machte der FV mit einem 2:0-Erfolg beim Regionalliga-Rivalen FC Würzburger Kickers das dritte „Finale dahoam“ perfekt. Topscorer bei Illertissen ist Linksaußen Yannick Glessing (19 Treffer, 6 Vorlagen) vor Mittelstürmer Hannes Pöschl (11/2). Der Kader weist ein Durchschnittsalter von 23,7 auf – noch kein einziger Akteur hat die 30 geknackt.

FCI-Trainer Michael Köllner will daher im Endspiel keine Experimente eingehen und kündigt den Kader vom letzten Punktspiel gegen Drittliga-Meister SV Elversberg (1:2) an. Möglicherweise kehrt Kapitän Tobias Schröck, der seine Adduktorenprobleme überwunden hat, anstelle von Donald Nduka in die Innenverteidigung zurück. Torjäger Tobias Bech sollte nach Erkältung rechtzeitig fit sein. „Wir nehmen das Spiel sehr ernst und haben uns sehr gut über den Gegner informiert“, meint Köllner. „Aber wir haben in den vergangenen Wochen Stärken entwickelt, schießen viele Tore bei Standards und können zügig kombinieren. Wir werden alles brauchen und müssen von der ersten Minute an griffig sein“, sagt Köllner. Auch er weiß: Nach 90 Minuten gibt es sofort Elfmeterschießen – und diese Lotterie möchte Köllner gerne vermeiden.

Köllners Kindheitstrauma wird zum Traum

5. August 1978, der größte Tag in der Geschichte der SG Fuchsmühl: Der damalige Bezirksligist gastiert in der ersten Runde des DFB-Pokals beim Zweitligisten Eintracht Trier. Viele Anhänger der Oberpfälzer sind dabei, aber einer nicht: Michael Köllner. „Ich war damals neun Jahre alt, mein Vater hat mir nicht erlaubt mitzufahren“, erzählt Köllner vor dem Toto-Pokalfinale des FCI in Illertissen eine Anekdote und erinnert sich an sein Kindheitstrauma, das letztlich zum Traum wurde.

„Damals hatte der klassentiefere Verein noch kein Heimrecht. Also fuhren Fans und Mannschaft für zwei Tage nach Trier. Die Fans waren sternhagelvoll, weil sie auf einer Weinprobe waren, die Spieler waren nüchtern, verloren aber nach großem Kampf mit 1:3“, berichtet Köllner, als sei er doch selbst dabeigewesen.

Sein Onkel half ihm, diese Erinnerungen aufzufrischen. „Er hat bei sich im Keller einen Zeitungsartikel rausgekramt. Da hieß es: ,Dorf qualifiziert sich für die große Bühne des Fußballs’“, erzählt Köllner mit Stolz für seinen Heimatverein aus der oberpfälzischen 1800-Seelen-Gemeinde. „Das hat mich animiert, dem Fußball mein Herz zu schenken.“

Nur eines kann Köllner bis heute nicht verstehen: Fuchsmühls bester Mann war bei diesem Jahrhundertspiel nicht dabei. „Der Spielertrainer, der gleichzeitig auch der Torschützenkönig war, fuhr mit seiner Frau in den Urlaub, weil er ihr das versprochen hatte. Für mich ist das unvorstellbar. Ich wäre jetzt eigentlich auch im Urlaub, aber den haben meine Frau und ich um eine Woche verschoben.“

DK