Von der Zuchtbox auf's Feld
Vom Brummen und Bestäuben: Ein Besuch beim Hummelzüchter

16.11.2022 | Stand 16.11.2022, 13:52 Uhr

Hummel - Mit einer Pinzette hat Hummelzüchter Rüdiger Schwenk eine Hummel vorsichtig in die Hand genommen. - Foto: Boris Roessler/dpa

Hummeln sind mit ihrem flauschigen Pelz und ihrem ruhigen Wesen Sympathieträger. Aber die pummelige Verwandtschaft der Bienen kann mehr - sie ist ein Helfer in der Landwirtschaft. Ein Schmied aus dem Taunus züchtet die Insekten seit rund 30 Jahren.

Aus dem kleinen Karton in den Händen von Rüdiger Schwenk dringt ein dumpfes Brummen. Als der 68-Jährige vorsichtig den Deckel öffnet, sind im schummerigen Rotlicht rund 200 Hummeln zu sehen, die dicht an dicht in der Behausung herumwuseln.

Als für einen kurzen Moment helles Licht angeht, werden die Insekten sofort aktiver, einige können aus der Box in die nur wenige Quadratmeter große klimatisierte Kammer entwischen. «Jetzt muss man aufpassen, das man nicht gestochen wird», sagt Schwenk und setzt die Ausreißerinnen vorsichtig mit einer Pinzette zurück in die Zuchtbox.

Hummel ist meist friedlich und sticht selten

Der Ingenieur aus Aarbergen im Taunus arbeitet hauptsächlich als Schmied und Metall-Restaurator. Vor rund 30 Jahren entdeckte Schwenk seine Liebe zur Hummel, als er eine Behausung für die Insekten konstruieren sollte. Damals habe er von einem Bieneninstitut im westfälischen Münster 200 Jungköniginnen gekauft, erzählt er. «Es sind schöne Tiere.» Bei der Arbeit mit den Völkern umgebe ihn ein Duft von Pollen und Nektar. Außerdem sei die Hummel meist friedlich und steche eher selten. Wenn es einen erwischt, sei das allerdings schmerzhaft, sagt der nach eigenen Angaben einzige Hummelzüchter in Deutschland.

Schwenk liefert seine Völker der heimischen Erdhummel überwiegend an Obst- und Gemüsebauern, aber auch an Privatleute. Seine Kunden sitzen in Deutschland und im benachbarten Ausland. Rund 1500 Völker pro Jahr verlassen seinen Hof, eines kostet 79,50 Euro - plus sieben Prozent Mehrwertsteuer. Die Saison ging Ende Juli zu Ende, nun kümmert sich Schwenk noch um die Jungköniginnen für die Zucht im kommenden Jahr.

Die Hummel fliegt und bestäubt bereits bei rund neun Grad und ist dadurch - im Vergleich zur Biene - bereits früh im Jahr unterwegs. Das könne für Landwirte wichtig sein, beispielsweise zur Apfelblüte, sagt Schwenk. Er verschickt seine Völker ab März, bevor die Hummeln in der Natur aktiv werden.

Hummeln wichtig für Bestäubung von Wild- und Kulturpflanzen

Zu seinen Abnehmern zählen auch Betriebe mit Erbeer- oder Tomatenanbau, etwa in Gewächshäusern. Damit die pelzig-pummeligen Insekten an die Arbeit gehen können, wird ihre Behausung mit Flugloch an den Rand des Feldes gestellt. Im Herbst sterben die Arbeitstiere und die Königinnen verlassen die Box, um sich in einem Erdloch ein Winterquartier zu suchen.

«Hummeln leisten einen sehr wichtigen Beitrag für die Bestäubung von Wild- und Kulturpflanzen», erklärt auch Marina Meixner vom Landesbetrieb Landwirtschaft Hessen. Dies gelte vor allem für das frühe Frühjahr. «Allerdings sind die Hummelköniginnen zu dieser Zeit allein unterwegs, weil sie sich noch in der Nestgründungsphase befinden.» Hummelvölker blieben deutlich kleiner als Bienenvölker und gingen im Herbst zugrunde, während Honigbienen im Volksverband überwintern. Generell gelte, dass sich Honigbienen und Hummeln in ihrer Bestäubungsleistung ergänzten, erläutert Meixner.

In größeren gewerblichen Betrieben spielen gezüchtete Hummelvölker nach der Einschätzung der Expertin eine sehr wichtige Rolle, auch wenn es dazu keine Daten gibt. Kommerziell würden solche Völker in teils sehr großen Betrieben produziert und in großen Stückzahlen vertrieben. «Diese Praxis ist durchaus umstritten und in einigen Aspekten als fragwürdig zu bezeichnen», erklärt Meixner. Als Gründe nannte sie die Verschleppung von Krankheiten und Parasiten sowie die Freisetzung von nicht-heimischen Insekten. Im Hausgarten und Hobbybereich rät sie vom Einsatz gekaufter Hummelvölker ab.

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