Teestuben, Teakhäuser, Tausende bunte Lampions: Dem Flair von Hoi An an der alten Seidenstraße kann man sich kaum entziehen. Ein Streifzug durch die wohl charmanteste Stadt Vietnams.
Wenn es Nacht wird in Hoi An, schmelzen selbst hartgesottene Globetrotter dahin. Die Welt verwandelt sich in einen bunten Traum, in dem die Farben des Regenbogens zu einem Lichterspiel verschwimmen. Unzählige Lampions flackern an den Häuserfassaden, auf Balkonen, Brücken und den kleinen Booten, die langsam den Thu Bon River hinuntergleiten.
Das Wasser schimmert in Pastelltönen, Liebespaare turteln, kleine Weinbars laden zum Aperitif. Die Stadt an der zentralvietnamesischen Küste wirkt wie ein Realität gewordenes Klischee - fast zu schön, um wahr zu sein. Kein Wunder, dass Hoi An als charmantester Ort des südostasiatischen Landes gefeiert wird.
«Bei Dunkelheit scheint es, als habe sich der Ort ein neues, schimmerndes und fantasievolles Kleid übergestreift», sagt eine deutsche Touristin. Fast habe sie das Gefühl, nachts bleibe in Hoi An die Zeit stehen, schwärmt sie.
Auch tagsüber verzaubert das Städtchen mit einem Labyrinth aus engen Gässchen, in denen hübsche Holzhäuser, Tempel, Teestuben, Boutiquen und Märkte warten. Rikschafahrer laden zu Rundfahrten ein, während Lampion-Verkäufer ihre seidig-leuchtende Produktpalette anbieten.
Zeugnisse illustrer Geschichte
Im 4. Jahrhundert vom Volk der Cham gegründet, diente die Stadt später dem Champa-Königreich als Hafen und Handelszentrum. Danach verlor sie an Bedeutung, bis sich ab dem 16. Jahrhundert Händler aus China und Japan ansiedelten.
Hoi An avancierte zum wichtigsten Handelshafen des Landes und zu einem der Haupt-Umschlagsorte der legendären Seidenstraße. Später gründeten unter anderem Portugiesen, Holländer und Franzosen hier Handelsniederlassungen. Noch heute zeugen Bauwerke aus den verschiedenen Epochen von der illustren Stadtgeschichte.
Seit 1999 gehört Hoi An zum Unesco-Weltkulturerbe - wegen der noch originalen Holzkonstruktionen und des Straßenplans, die zusammen ein in der Region einzigartiges Stadtbild des 17. und 18. Jahrhunderts präsentieren, wie die UN-Kulturbehörde begründet.
Ein Schrein über dem Fluss
Eines der bedeutendsten Zeugnisse aus der Zeit als Handelsmetropole ist die «Japanische Brücke», das Wahrzeichen der Stadt. Chua Cau wird die überdachte Holzbrücke auch genannt, die einst das chinesische und das japanische Viertel verband. In ihrer heutigen Form existiert der Bau über einen Nebenfluss des Thu Bon Rivers seit 1763.
Innen duften Räucherstäbchen in einem kleinen Schrein, umrahmt von gelben Lampions. Das Tempelchen ist einer taoistischen Gottheit gewidmet, die über das Wetter wacht. Seeleute, Kaufmänner und Einheimische kamen - und kommen - hierher, um Unwetter und Naturkatastrophen abzuwehren.
Durch die von dicken Holzbalken getragene Überführung zu schlendern, ist wie ein Sprung in eine andere Zeit. Nur einige Ventilatoren, die die flirrend heiße Luft zirkulieren lassen, erinnern daran, dass die Tage der alten Seidenstraße längst gezählt sind.
Historisches Haus mit Instagram-Faktor
Auf der Straße reihen sich architektonische Schmuckstücke und idyllische Tempelanlagen aneinander. Da ist die «Ba Mu»-Tempelanlage mit ihrem markanten Eingangstor im klassisch-vietnamesischen Baustil, das sich in einem grün-glitzernden Teich spiegelt, aus dem sich Lotusblumen dem Sonnenlicht entgegenstrecken.
Eines der meistbesuchten Gebäude in Hoi An ist das Haus von Tan Ky. Hier bekommt man einen Eindruck davon, wie wohlhabende Händler im 18. Jahrhundert in Vietnam lebten. Die vier kleinen Räume sind prall gefüllt mit Antiquitäten. Die Architektur sei eine einzigartige Mischung aus chinesischen, japanischen und vietnamesischen Einflüssen, erzählt eine Führerin den Besuchern.
Wer das Haus durch den Hinterausgang verlässt, findet sich prompt vor einem beliebten Instagram-Motiv wieder. Mehrere Touristinnen posieren fröhlich vor der gelb gestrichenen Fassade.
Ein friedvoller Ort der Trauer
Ein weiteres Highlight ist die Versammlungshalle der Chinesen aus Fujian: Hoi Quan Phuoc Kien. Vor mehr als 300 Jahren errichtet, wird hier Thien Hau verehrt, Meeresgöttin und Beschützerin der Seefahrer. Die lichtdurchflutete Halle ist gefüllt mit Statuen und Tierfiguren aus China. Die Luft wird von aromatischen Schwaden durchzogen.
Denn von der Decke hängen riesige rote Räucherspiralen, an denen Zettel angebracht sind - auch von europäischen Touristen. Darauf sind Wünsche und Nachrichten verzeichnet, die über den Rauch an Verstorbene geleitet werden sollen.
Es ist ein schöner, ein friedvoller Ort, um zu trauern. Eine französische Familie schreibt: «Vielleicht lebst Du hier mit diesem brennenden Räucherstäbchen noch ein wenig weiter. Mit all unserer Liebe, Deine Kinder und Deine Ehefrau.» Es wird dauern, bis die enormen Spiralen abgebrannt sind, womöglich Wochen.
Die Dämmerung bricht herein und Hoi An läuft zu Hochform auf. Lampions trotzen der aufziehenden Dunkelheit. Menschen strömen zur «Bridge of Lights» (Cau An Hoi) über den Thu Bon River. Der Name ist Programm - von der Brücke der Lichter aus ist der Blick auf beide, im Schein der Laternen leuchtenden Uferseiten sehr eindrucksvoll.
Eine Performance entlang der Epochen
Wer mehr über die Historie des Ortes erfahren will, der kauft ein Ticket für die Show «Hoi An Memories». Das Spektakel in einem eigens angelegten Themenpark ist so aufwendig, dass manche es mit der Eröffnungsfeier von Olympischen Spielen vergleichen.
Vietnams größte Freiluftbühne liegt auf einer Insel im Thu Bon River. Hunderte Schauspieler und Tänzer treten hier hier jeden Abend auf und erzählen die Geschichte des Ortes von den Anfängen über die Seidenstraßen-Glanzzeiten bis hin zur Gegenwart - inklusive eines großen Handelsschiffs und rund 100 Frauen in Vietnams Nationaltracht Ao Dai, die über märchenhaft beleuchtete Wege im Wasser wandeln.
Im Hintergrund sind die typische Häuserfassaden nachgebaut. An jeder Pforte leuchten seidene Lampions. Ihr einzigartiges Lichterspiel ist - inmitten aller geschichtlichen Turbulenzen und wechselnden kulturellen Einflüsse - die Konstante von Hoi An.
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