Reise-Reportage
Von Wein bis Kurenten: Jede Menge Superlative im slowenischen Ptuj

07.10.2023 |

Vom rechten Ufer der Drau aus haben Gäste einen schönen Blick auf Ptuj.

Im slowenischen Ptuj treffen Weinliebhaber auf Aktivurlauber und in der Faschingszeit zusätzlich auf zottelige Gestalten.

Es gibt eine Menge Superlative, die der slowenischen Stadt Ptuj, im Nordosten des Landes gelegen, zugeschrieben werden. Sie gilt als Sloweniens älteste Stadt, beheimatet den ältesten slowenischen Weinkeller, das Schloss von Ptuj ist eine der imposantesten Burgen Sloweniens, der Ptuj-See, der größte See Sloweniens, befindet sich nur wenige Kilometer vom Stadtzentrum entfernt. Und in der Faschingszeit spielt sich in der Stadt ein einmaliges Spektakel ab: Die Kurenten vertreiben den Winter.

Im Zentrum von Ptuj ist viel passiert in den vergangenen Jahren. Straßen und Fassaden wurden neu gemacht, und wer über die Herrengasse, die Prešernova ulica, schlendert, den befällt diese mediterrane Leichtigkeit, der nimmt den Puls der Stadt in sich auf und den trägt es – ein paar Mal abgebogen – fast unweigerlich zum Weinkeller von Ptuj.

Weinkeller im Zweiten Weltkrieg zugemauert

Ptuj hat eine lange Tradition im Weinbau, siedelten sich doch die Römer hier vor 2000 Jahren an und brachten die Weinstöcke mit. Ein Zeugnis dieser Tradition ist in jenem Keller zu finden. Womöglich gäbe es ihn heute nicht mehr, hätte sich nicht der damalige Bürgermeister, Weinbauer Josef Ornig, im Zweiten Weltkrieg für seinen Erhalt eingesetzt. Ornig ließ ihn mitsamt den dort gelagerten alten Tafelweinen zumauern und bewahrte ihn somit weitestgehend vor den Wirren des Krieges.

Unzählige Fässer reihen sich heute dort aneinander, das größte umfasst ein Volumen von 22000 Litern. Einen Raum weiter lagern 450000 Flaschen von Archivweinen aus der ganzen Region. Die älteste Flasche, Jahrgang 1917, beinhaltet einen „Goldenen Rebstock“ und gilt zugleich als der älteste erhaltene Wein Sloweniens.

Ptuj und der Wein, diese Symbiose ist auf den ersten Blick erkennbar. Die Weinberge, die die Stadt umrahmen, bieten eine malerische Kulisse. Zu der trägt auch die Drau bei, die entlang der alten Häuserfassaden fließt – und das Schloss hoch oben auf dem Hügel. Dank ausgebauter Fuß- und Radwege – Ptuj liegt am Drauradweg – lässt es sich in der Region gut radeln oder wandern; keine 30 Kilometer entfernt liegt Maribor.

Während viele Touristen das Jahr über Ptuj zum Ausgangsort für Reisen ins Umland wählen, kehrt sich das zur Faschingszeit um. Dann strömen die Besucher ins Ptujer Zentrum, denn zur Faschingszeit ziehen die Kurenten durch die Stadt. Es gibt Züge mit Tausenden Teilnehmern, die sich in zottelige Schafspelze hüllen. Daran befestigt sind lange, rote Bänder, die Zungen symbolisieren, und verzierte Hörner oder Federn. Diese Fabelwesen, so heißt es, sollen den Winter und das Böse vertreiben.

Beinahe jedoch wäre der Brauch nach dem Zweiten Weltkrieg ausgestorben. Mit dem Wunsch, ihn erneut aufleben zu lassen, organisierte man 1960 das erste Faschingsfest „Kurentovanja“ in Ptuj. Es war das erste Mal, dass traditionelle ländliche Faschingsmasken in der Stadt vorgestellt wurden, mittlerweile wird das Fest jeden Fasching mit Auftritten und Umzügen durch die Stadt begangen. Galten Anfangs noch strenge Regeln, wer in die Kostüme schlüpfen darf, darf heute jeder mitmachen. Eine Art Statussymbol und zugleich das inoffizielle Markenzeichen der Stadt.

Kurenten das ganze Jahr über

Zahlreiche Vereine rund um Ptuj bewahren die Tradition heute und haben unter anderem erreicht, dass der Brauch 2017 von der UNESCO als Kulturerbe anerkannt wurde. Dafür bekamen sie aber als Auflage, dafür zu sorgen, die Erinnerung an die Kurenten zu erhalten und den Brauch ganzjährig auszustellen. Sie gründeten ein Kurent-Haus inmitten des Ptujer Stadtzentrums, das im Frühjahr eröffnet wurde und vom Verband der Kurent-Gesellschaften betrieben wird. Viele Autoren haben das Wissen über den Kurent-Brauch zusammengetragen, für das Historische und die Sammlung von Filmsequenzen war die frühere Archivarin und Professorin Marija Hernja-Masten zuständig. „Wir stellen den Kurent und seine Mission dar“, sagt Hernja-Masten – übrigens im hervorragenden Deutsch, wie es einige Bürger von Ptuj, das ja einst zum Herzogtum Steiermark gehörte, sprechen. Hernja-Masten stellt heraus, dass es sich beim Kurent um einen guten Dämon handelt, der für alles Gute im Haus zuständig ist. Im neuen Museum werden Filme gezeigt, verschiedene Maskentypen dargestellt und auch der Kurent in der Kunst beleuchtet. Außerdem gibt es Angebote für Kinder und – natürlich – einen eigenen Kurent-Wein. Mit der Resonanz zeigt sich Marija Hernja-Masten zufrieden. „Wir hatten schon im ersten Monat viele Besucher.“


INFORMATIONEN

Die Stadt Ptuj (deutsch Pettau) gehörte einst zur Steiermark und liegt heute in der Region Podravska in Slowenien, idyllisch an der Drau und von Weinbergen umrahmt.

ANREISEN

Von Südostbayern aus ist Ptuj in wenigen Stunden mit dem Auto erreichbar. Auch Busreisen werden regelmäßig dorthin angeboten.

ÜBERNACHTEN

Im Hotel Primus, etwas außerhalb der Innenstadt gelegen, kann man Wellness mit Aktiv- und/oder Städteurlaub verbinden. Im Stadtzentrum bietet sich eine Übernachtung im Hotel Mitra an.

DER KURENT-BRAUCH

Mehr Wissenswertes zum Kurent-Haus gibt es unter http://zveza-kurentov.si/, allerdings nur in slowenischer und englischer Sprache.

www.slovenia.info


Redakteurin Johanna Richter reiste mit dem Städtepartnerschaftsverein Burghausen (Landkreis Altötting) nach Ptuj. Die beiden Städte unterhalten seit mehr als 20 Jahren eine lebendige Städtepartnerschaft.

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