Costa Rica ist ein Naturparadies mit enormer Artenvielfalt. Damit das so bleibt, setzt das Land in Mittelamerika konsequent auf Klima- und Naturschutz.
Die kaum zu fassende Schönheit der Natur zeigt sich hier in all ihren Facetten. Ein Stirnlappenbasilisk glänzt am Ufer grün in der Sonne, hoch oben turnen Brüllaffen durch die Kakaobäume des Regenwaldes, beinahe majestätisch sitzt ein Schlangenhalsvogelmännchen mit seinen eisblauen Augen auf einem aus dem Wasser ragenden Stein und lässt seine ausgebreiteten Flügel von der Sonne trocknen. In der Ferne ist ein Eisvogel an seinem blauen und orangefarbenen Gefieder zu erkennen, und während eine Flussspinne einen Baum entlang klettert und die Sonnenstrahlen auf der Wasseroberfläche funkeln, schlängeln sich bunte Kajaks wie Farbtupfer durch den malerischen Caño Palma des Tortuguero Nationalparks.
Costa Rica, das tropische Paradies zwischen zwei Ozeanen, besticht durch seine unvergleichliche Artenvielfalt: Das Land umfasst nur 0,03 Prozent der Landoberfläche der Erde, beheimatet aber fünf Prozent des weltweiten Artenreichtums. In den Lagunen und Kanälen von Tortuguero an der Karibikküste lässt sich die Tier- und Pflanzenwelt von Booten, Kanus oder Kajaks aus betrachten. 400 Baum- und etwa 2200 andere Pflanzenarten gibt es in dem Wildgebiet, mehr als 400 Vogel-, 60 Amphibien- und 30 Süßwasserfischarten wurden bisher nachgewiesen.
„Pura Vida“ als Lebenseinstellung
Der Strand der gleichnamigen Halbinsel ist von Juli bis Oktober der bedeutendste Eiablageplatz der Grünen Meeresschildkröte in der Karibik. Auf dem Weg dorthin geht es durch pittoreske Gässchen des nur 400 Meter breiten Ortes vorbei an Souvenirlädchen und Cafés in all ihren lebendigen Farben. Auf dem Wasser tanzt ein Surfer über die Wellen des Karibischen Meeres, ein Einwohner kappt gekonnt eine Kokosnuss und reicht sie den durstigen Touristen in der heißen Nachmittagssonne, daneben sitzen vier Männer und spielen eine Partie Domino. Straßen gibt es hier nicht, Autos sind verboten. An der Bootsanlegestelle tummeln sich riesige braungraue Leguane, auf einem Ast eines Mandelbaums döst ein Zweifingerfaultier, nicht weit davon beobachtet ein Tukan die geschäftige Szenerie. Kaum an einem anderen Ort Costa Ricas ist „Pura Vida“ („reines Leben“), dieser besondere Lebensstil im Einklang mit der Natur, so greifbar. Überall und immer wieder hört man diese beiden Worte, die ausdrücken wollen, den Moment zu genießen und die Sorgen hinter sich zu lassen, und die die Costa Ricaner sogar als Begrüßungsformel verwenden. „,Pura Vida’ ist nicht nur ein Slogan, es ist eine Lebenseinstellung“, sagt Tourismusexperte Daniel Chavarría.
60000 Leguane für die Freiheit gezüchtet
Die Artenvielfalt hat Tortuguero seinen klimatischen Bedingungen zu verdanken: Mit einer jährlichen Niederschlagsmenge von 5000 bis 6000 Millimetern gehört der Nationalpark zu den regenreichsten Gebieten der Erde. Den Costa Ricanern ist längst bewusst, dass sie die natürliche Schönheit, in der sie leben, vor Umweltzerstörung und Klimawandel bewahren müssen. Das Land hat sich deshalb zum Vorreiter in Sachen Nachhaltigkeit entwickelt.
Die Regierung setzt konsequent auf Klima- und Naturschutz. Fast der gesamte Strombedarf des Landes wird aus regenerativen Energien, vorwiegend aus Wasserkraftwerken, gewonnen. Dank Aufforstung ist das Land heute wieder deutlich grüner. Mehr als ein Viertel der Fläche Costa Ricas steht unter Naturschutz. Es gibt 30 Nationalparks, die sich auf 13 Prozent der Landesfläche erstrecken und Säugetieren, Vögeln, Reptilien, Amphibien, Fischen und Insekten als Lebensraum dienen.
Doch das Land nutzt die Schutzgebiete nicht nur für den Erhalt der Artenvielfalt, sondern auch für Ökotourismus. „Willkommen im Dschungel“, sagt Keswar Mayorga und steht vor seiner auf Stelzen gebauten Holzhütte des Kéköldi-Reservats. Der 31-Jährige ist Ureinwohner vom Volk der Bribri, einer von acht indigenen Gruppen in Costa Rica. Der Volksstamm betreibt ein Zuchtprogramm für Grüne Leguane. „Früher mussten die Leute aus der Not heraus Leguane essen. Als sich das Reservat entwickelte und die Bewohner Zugang zu vielen anderen Dingen erhielten, wurde es zu einer Art kultureller Brauch“, erklärt Keswar Mayorga.
Um die Pflanzenfresser, die bis zu zwölf Kilogramm schwer und zwei Meter lang werden, vor dem Aussterben zu bewahren, initiierten die Bribri das Iguana Projekt: Sie bauten eine Farm auf, vermehrten die Tiere und entließen sie wieder in die Natur. Heute hat sich der Bestand dank der Initiative erholt. „Wir haben unsere Ziele bereits im Jahr 2016 erreicht, zu diesem Zeitpunkt hatten wir mehr als 60000 Leguane zurück in die Natur entlassen“, erklärt Mayorga. „Als ich ein Kind war, konnte man kaum Leguane sehen. Heute sieht man sie dank unserer Arbeit überall.“
Grüne Aras vor dem Aussterben bewahrt
Wenige Kilometer weiter entlang der Südkaribik flattern große Grüne Aras kreischend durch den Tropenwald. Als die Initiative Ara Manzanillo 2010 startete, gab es nur noch einen einzigen der farbenprächtigen Papageien in der Region. „Aras ernähren sich von den Früchten der Mandelbäume, doch das Holz eignet sich auch gut zum Bauen“, erklärt Tourguide Duaro Mayorga. „Die Bäume wurden gefällt, dadurch fanden sie kein Futter mehr.“
In dem Wildschutzgebiet werden die Vögel gefüttert und später in ihrem natürlichen Lebensraum ausgesetzt. Irgendwann sollen sie sich wieder selbst versorgen können. Inzwischen gebe es im Süden des Landes 100 Grüne Aras, sagt Mayorga. „Unser erstes Ziel sind 300. Wenn wir das erreicht haben, hören wir auf, sie zu füttern.“
Aufhören, die Natur zu schützen, werden die Costa Ricaner nie. Der Respekt gegenüber der Natur ist tief verwurzelt bei den Einwohnern. Nachhaltigkeit ist in dem traumhaften Land eine Lebensart.
Redakteurin Julia Pickl reiste auf Einladung von Meiers Weltreisen und Costa Rica Tourism Board durch das Land.
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