Wo ist das Robinson-Feeling?
Inseln im Wandel: 50 Jahre Tourismus auf den Malediven

28.11.2022 | Stand 28.11.2022, 11:12 Uhr

Boot im Tükisen Wasser - Besonders in den touristischen Anfangsjahren zog es vor allem Tauchbegeisterte auf die Malediven. - Foto: Kurumba Maldives/dpa-tmn

Als 1972 die ersten Urlauber auf die Malediven kamen, wohnten sie in einfachen Hütten aus Korallen und Palmwedeln. Der Kontrast zu den Luxus-Resorts von heute könnte kaum größer sein.

Von Palmen gesäumte Sandstrände, türkis schimmernde Lagunen, farbenprächtige Korallenriffe, ewiger Sommer - die Malediven sind für viele der Inbegriff des Sehnsuchtsziels im Urlaub.

50 Jahre nach den ersten Touristen erwartet der Inselstaat im Indischen Ozean 2022 eine neue Rekordzahl von 1,6 Millionen Gästen. Auch in diesem Jahr eröffneten neue luxuriöse Resorts. Der Malediven-Tourismus boomt - mit allen Licht- und Schattenseiten.

Sicher ist: Die Abenteuerlustigen, die zur Eröffnung des ersten Resorts am 3. Oktober 1972 kamen, würden die Malediven heute kaum noch wiedererkennen. Die ersten Hütten waren einfach, mit Wänden aus Korallen und Dächern aus Palmwedeln. Geduscht wurde mit verdünntem Salzwasser. Es gab keinen Pool, kein Spa, kein Fitnesscenter und nicht mal ein richtiges Restaurant.

Was es gab: Barbecue am Strand, Lagerfeuer unter Palmen, eine überwältigende Unterwasserwelt und jede Menge Insel-Romantik. Ein bisschen Robinson-Crusoe-Feeling mitten im Ozean.

Alles begann mit einem italienischen Reisebüro-Besitzer

Den ersten Touristen, die der Italiener George Corbin auf die Malediven brachte, reichte das. Als der Reisebüro-Besitzer Anfang der 1970er Jahre in Sri Lanka neue Bade- und Tauchreiseziele suchte, entdeckte er die Malediven eher zufällig.

Auf seiner zweiten Erkundungstour traf er auf Mohamed Umar Maniku, einen findigen Beamten, der sich mit einem Freund von Corbins Pioniergeist anstecken ließ. Kurzerhand zimmerten die beiden auf der Kokosplantagen-Insel Vihamanaafushi gegenüber von Malés Flughafen drei Dutzend Unterkünfte zusammen. Mit der Eröffnung ihres Kurumba Village 1972 legten sie den Grundstein für den Malediven-Tourismus.

Heute ist Maniku Vorsitzender der Universal Resorts, die Kurumba und andere Resorts auf den Malediven betreiben. «Bis Mitte der achtziger Jahre waren die Malediven ein Billigreiseziel und eine Art Anhängsel von Sri Lanka», sagt er. Doch das änderte sich.

Als in den 1990er Jahren erste Luxus-Resorts mit hochklassigen Spas und Top-Restaurants öffneten, nahm schließlich auch der Jetset Notiz von dem Land im Indischen Ozean mit seinen 1190 Inselchen. Fotos von Stars im Malediven-Urlaub gingen um die Welt und machten die Inseln zum Sehnsuchtsziel, unter anderem für Hochzeitsreisende.

Immer neue Resorts entstanden, auch weiter von Malé entfernt. Auf diese Eilande wurden die Gäste zunächst mit Hubschraubern gebracht, bevor diese von Wasserflugzeugen abgelöst wurden, die bis heute von sogenannten «Barefoot-Pilots» barfuß gesteuert werden.

Beeindruckende Anreise auf die Atolle

Touristen zieht es in der Regel sofort nach Landung in Malé weiter in die Resorts. Die sind aus dem Wasserflieger an ihren in die Lagunen gebauten Wasservillen zu erkennen. Rund um die Inseln sind in dem kristallklaren Wasser Riffe zu erahnen.

Im Winter ist das Wasser in den Atollen oft spiegelglatt. Dann können die Wasserflieger besonders sanft aufsetzen - auch vor Amilla, wo die stellvertretende Resort-Direktorin Victoria Kruse am Steg empfängt.

Auf der Insel verstecken sich Strandvillen zwischen dichter tropischer Vegetation. Von den weiß getünchten Häusern steigt man über eine Treppe direkt ins Wasser, um - umgeben von bunten Fischen - zu schwimmen. Manchmal kommen Schildkröten und kleine Haie vorbei.

In der wenige Bootsminuten entfernten Hanifaru Bay tummeln sich von Mai bis Oktober hunderte Mantarochen. Das Unesco-Biosphären-Reservat Baa Atoll beherbergt die weltgrößte Population der majestätischen Tiere mit ihren teppichartigen Flossen. Touristen dürfen regelmäßig in der von Rangern überwachten Bucht schnorcheln. Auch wenn steigende Meerestemperaturen und Korallenbleichen den Riffen schwer zugesetzt haben, sind die Malediven immer noch ein Weltklasse-Tauchrevier.

Nachhaltigkeit ist kein Alleinstellungsmerkmal

«Die Hanifaru Bay ist etwas Einzigartiges», sagt Amilla-Managerin Kruse, die wie alle Resort-Chefinnen und -Chefs versucht, im größer werdenden Konkurrenzkampf der Inseln mit Alleinstellungsmerkmalen zu punkten. Und wie fast alle anderen setzt sie mit Solar-Systemen und eigener Wasseraufbereitung auf Nachhaltigkeit.

Viele Resorts engagieren sich für die Umwelt, unter anderem mit Korallen-, Schildkröten- und Mantarochen-Projekten. Einige betreiben eigene Kläranlagen, während beispielsweise in Malé Abwässer der knapp 150 000 Einwohner immer noch ins Meer geleitet werden. Resorts wie Fairmont investierten in Plastik-Recycling-Anlagen, in denen auch Plastikmüll von anderen Inseln verwertet wird.

Wurden früher Riffe gedankenlos für den Bau von Resorts zerstört, gibt es inzwischen strikte Auflagen der Regierung. Kritikern reicht das nicht, zumal der Trend zu immer größeren Resorts ungebrochen ist. Längst ist das Robinson-Feeling gewissem Gigantismus gewichen.

Ein Überbietungswettbewerb der Resorts

«Seit rund 30 Jahren überbieten sich die Resorts mit immer spektakulären Neuerungen», sagt Sumeet Kumar. Der fundierte Kenner der Malediven hat schon in vielen Resorts gearbeitet. Derzeit ist er für die Restaurants des Resorts Huvafen Fushi verantwortlich.

Die relativ kleine Insel gehört zu Universal und zu den Trendsettern auf den Malediven. «Huvafen Fushi baute als erstes Resort Pools an alle Villen, ein Unterwasser-Spa und den ersten unterirdischen Weinkeller der Malediven», zählt Kumar auf.

Huvafen Fushi gehört zu den kleineren Inseln, die trotz des ganzen Luxus durchaus noch so etwas wie ein ursprüngliches Malediven-Feeling vermitteln. Andere im boomenden Luxus-Segment haben sich weit von den Ursprüngen entfernt. Villen sind dort zuweilen hunderte Quadratmeter groß. Restaurants werden nicht mehr nur an den Strand gebaut. Sie finden sich teils unter Wasser - oder in Baumwipfeln. Das Resort Velaa Private Island im Noonu Atoll hat sogar einen Golfplatz.

Immer mehr Resort-Inseln werden künstlich geschaffen, indem man Sandbänke aufschüttet und Ufer befestigt. Im Gegensatz zum alten Erfolgsmodell «Eine Insel, ein Resort», werden teils mehrere Inseln kombiniert, die neben Resorts auch Yachthäfen und Einkaufspromenaden bieten. Das Crossroads-Projekt nahe Malé ist so ein Beispiel, genauso wie das 2022 teileröffnete Fari-Islands-Projekt von Ritz-Carlton.

Bodenständiger geht es auf den meisten Drei- und Viersterne-Inseln zu. Und neuerdings gibt es auch einige Gästehäuser auf den zuvor von der Regierung abgeschirmten Einheimischen-Inseln.

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